Magisches Kompendium - Voodoo - Theorie und Praxis. Frater LYSIR
Читать онлайн книгу.wo die medizinische Versorgung definitiv nicht gut war. Das Schöne ist aber auch, dass Voodoo besondere Weisheiten besitzt, Weisheiten die jeder auf sein aktuelles Leben anwenden kann.
So gibt es zum Beispiel das schöne Sprichwort: „Wenn ein Ei zerbrochen ist, dann kannst du es nicht wieder zusammenfügen, genauso wenig kannst du deine Worte zurücknehmen, somit denke siebenfach nach, bevor du sprichst.“
Wie wahr! Wie wahr! Ein sehr schöner, ein sehr passender, ein sehr weiser und ein sehr zeitnaher Hinweis. Ach wäre es schön, wenn alle Menschen so handeln würden. Bei vielen Menschen hat man aber das Gefühl, dass primär der Satz gilt: „Wo her soll ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage?“ Und wenn man dies jetzt auf die verschiedenen, monotheistische Religionen anwenden will, dann wird man auch hier sehr viel Kritik finden, denn gerade die Vorstellung einer Hölle ist einfach nur ein Machtinstrument. Im Voodoo ist man selbst verantwortlich für seine Taten, es gibt hier keine Absolution, es gibt hier keine Beichte, und wenn man hier ein Vergehen begeht, muss man dafür geradestehen. Man wird sich von den Göttern verantworten müssen, wobei man diese eben gnädig stimmen kann, indem man die verschiedensten Opferungen ausführt. Nun ja, im christlichen Mittelalter gab es hier den Ablasshandel, frei nach dem Motto „die Seele aus dem Fegefeuer springt, wenn die Münze im Kasten klingt“. Voodoo agiert so ähnlich. Wobei es hier eben nicht um Geld geht, es geht um andere Opferungen. Einverstanden, auch Geld kann hier eine Rolle spielen. Aber auch Blut, zubereitete Speisen und eben Dinge, die für einen wichtig sind, und hier eine echte Opferung, ein echtes Opfer bedeuten. Bei den verschiedenen Inkarnationen der Voodoosi/Voodonsi geht es auch nicht darum, ob man in seinem vorherigen Leben Schuld aufgeladen hat. Da man sich sowieso primär in seiner Wahlfamilie immer wieder inkarniert, sodass eben auch der Großvater im Urenkel wiedergeboren werden kann, ohne irgendwelche „Schulden“, so kann jedes Familienmitglied, ohne Rücksicht auf vergangene Taten, wiedergeboren werden. Wenn ein Voodoosi/Voodonsi stirbt, wird natürlich sein Leben abgewogen, es wird geprüft, der Gläubige wird geprüft, geprüft von den Vodun / Loas / Iwas, die dann eben auch Recht sprechen. Es geht hierbei aber nicht um sinnlose Strafen, nein, es geht hierbei darum, dass man sein Leben reflektiert, und dass einem klargemacht wird, welche Verhaltensweisen man an den Tag gelegt hat, und ob diese kreativ oder destruktiv waren, förderlich für die Gemeinschaft, für die Familie, oder hinderlich für die Gemeinschaft, für die Familie. Da die Vodun / Loas / Iwas jedoch auch sehr menschlich agieren können, kann man es sich auch so vorstellen, dass man hier eine sehr drastische Moralpredigt erhalten wird, und möglicherweise auch ein paar Backpfeifen und einen strammen Hosenboden. Gut, dies natürlich nur in einem sehr blumigen und sehr überzogenen Sinne. Kein Voodoosi/Voodonsi glaubt daran, dass er von den Vodun / Loas / Iwas verprügelt wird. Doch der Glaube existiert, dass man für seine Taten geradestehen muss. Immer! Auf einer anderen Seite existiert aber in einigen Gemeinschaften eben doch der Glaube, dass man auch wirkliche Strafen erhalten kann, wenn man schwere Vergehen in seinem vorherigen Leben ausgeführt hat.
Man kann als Tier wiedergeboren werden, und auch eine Inkarnation in einen behinderten Körper würde hier als Strafe interpretiert werden. Auch schwere Krankheiten, in diesem Kontext eben auch Erbkrankheiten, würden als Strafe der Vodun / Loas / Iwas aufgefasst werden. Doch hierbei muss man sofort darauf achten, dass es im Voodoo nun einmal nicht DIE eine Meinung gibt. Letztlich hat jede Gemeinschaft, jeder Stamm, jede Sippe, jedes Dorf, jede Familie, ja, sogar jedes Haus, seine eigenen religiösen Regeln im Voodoo. Da es keine schriftlichen Manifestationen gibt, keine Doktrinen und keine heiligen Schriften, kann man eben hier sehr viel selbst entscheiden, selbst interpretieren, oder eben auch auf andere Menschen hören, und sich deren Meinung anschließen. Es kann aber auch sein, dass besonders böse Menschen überhaupt nicht mehr inkarnieren, und dazu verdammt sind, Körper los, als böser Geist leben müssen, die dann auch als Diab bezeichnet werden, wobei diese Bezeichnung primär im haitianischen Voodoo verwendet wird. Doch da der Glaube diese bösen Geister, diese Diab, als körperlose Wesen definiert, existiert der Glaube, dass diese immer und überall sein können, und dass man sich auch vor diesem bösen Geistern schützen muss. Im Übrigen, auch die Vodun / Loas / Iwas können immer und überall sein. Man sieht auch hier wieder, dass der Synkretismus, von dem allsehenden Gott, sich gerade im haitianischen Voodoo etabliert hat. Ach so, die Begrifflichkeiten der Vodun/Laos/Iwas muss man erst einmal als feststehende Begriffe in der Voodoo-Religion erkennen, akzeptieren und einfach annehmen. Hierbei ist die Vokabel „Vodun“ aus der Sprache der Fon entnommen und bedeutet in der Übersetzung einfach „Geist/Gott“ aber auch „Geister/Götter“. Da dieses Wort keine Pluralform besitzt, bzw. „unzählig“ ist, sind die verschiedenen Götter, Geister, einfach die Vodun und der einzelne Geist ist eben der Vodun! Und zwar ohne Gendersternchen!!! Wenn es dann um die Vokabel der Loas / Iwas geht, dann stammt das Wort Loa / Iwa aus dem Französischen, wo es sich von dem Begriff „le lois“ ableitet, was man mit „die Gesetze“ übersetzen kann. Ob Loa oder Iwa, dies ist hier eher der Lautsprache geschuldet, sodass man hier aber beide Schreibweisen thematisieren muss. Ferner erkennt man an den Übersetzungen und Bedeutungen, dass diese Entitäten essenziell für die Religion Voodoo sind, dass es aber auch dennoch Unterschiede zwischen den afrikanischen Voodoo und dem haitianischen Voodoo gibt. Doch da es hier um Energien, Entitäten, Wesen, Dynamiken und ja auch um Geister geht, will ich diese unabhängig von ihrer Region betiteln, sodass ich eben meistens von den Vodun / Loas / Iwas spreche. Und diese sind eben überall! Dies bedeutet, dass man die Vodun / Loas / Iwas direkt in der Natur treffen kann, da sie eben auch besondere Plätze in der Natur regelrecht bewohnen. Dies wird in der Voodoo-Religion wortwörtlich so verstanden. So gibt es hier zum Beispiel verschiedene heilige Bäume. Diese sollte man auch definitiv nicht fällen, und letztlich auch nicht beschädigen. Etwas überspitzt, kann man sagen, dass es in einigen Gemeinschaften so gesehen wird, dass es eine Art „Strafkatalog/Bußgeldkatalog“ der Vodun / Loas / Iwas gibt, wobei dies natürlich auch wieder metaphorisch verstanden werden muss.
D. h. also, dass es selbstverständlich KEINEN Katalog der Strafen gibt, aber gleichzeitig doch unendlich viele kulturelle Regelungen. Diese greifen gerade dann, wenn es um Bereiche der Natur geht, wenn es um spezifische Bäume geht. Natürlich sind es heilige Bäume. Und wenn man hier nicht aufpasst, wenn es darum geht, irgendwelche Bäume zu fällen, könnten anschließende Exorzismen die letzte Rettung sein. Da hier der Affenbrotbaum (Baobab) und der Iroko (Milicia) als heilig angesehen werden, in Europa sind hier zum Beispiel die Eiche, die Buche, aber auch die Esche als heilige Bäume zu nennen, manchmal auch die Linde, da „unter den Linden“ auch manchmal Gerichtsverhandlungen stattgefunden haben, ist es ein echtes Verbrechen, wenn solche Bäume gefällt werden. Wenn man also irgendein Bauprojekt forcieren will, und hierzu müssten dann Affenbrotbäume oder auch Irokobäume gefällt werden, dann muss man zwingend weit, weit, weit, sehr weit im Vorfeld ein Orakel befragen, ob dies überhaupt „möglich“ sein wird, sein darf. Und wenn das Orakel dies verneint, gibt es keine Diskussion. Entweder lässt man die Bäume stehen, und baut drumherum, oder man fällt die Bäume und wird sich den Zorn der Geister reservieren. Tja, für profitgeile Europäer oder Asiaten ist dies irrelevant, doch für die Bauarbeiter, die dann ja meist aus der Umgebung kommen, ist dies sehr relevant. Natürlich sind die Menschen immer individuell, man kann nicht einfach pauschal sagen, dass dann sofort alle einheimischen Menschen die Flucht ergreifen würden. Man kann sich aber sicher sein, wenn dann wirklich Unglücke auf der Baustelle geschehen, dass dann die Geister dafür verantwortlich sind, und dass definitiv einige Menschen diese Baustelle verlassen würden – Bezahlung hin, Bezahlung her. Glaube ist machtvoll. Dieser Glaube bezieht sich auch darauf, dass die verschiedenen Loas sehr spezielle Charaktere sind, und auf der einen Seite auch Menschen leiden und Menschen hassen können. Tja, und wenn ein Vodun / Loa / Iwa einen der heiligen Bäume bewohnt, und irgendein Mensch würde diesen heiligen Baum fällen, dann kann man sich an einem Daumen abzählen, ob dieser Mensch dann geliebt oder gehasst wird. So sind die Vodun / Loas / Iwas immer allgegenwärtig, sie leben mit den Menschen, sie teilen sich den Lebensraum, sind aber nicht unbedingt immer in der gleichen Dimension, sodass man sagen kann, dass sie in einer parallelen Existenz vorhanden sind, sodass sie mit einem Bein in der Realität stehen, und mit dem anderen Bein in den kosmischen Weiten, wo sie eben auch Kontakt zur Schöpfergottheit aufnehmen können. Eine