Naturfaktoren im Sozialleben. Tekla Reimers

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Naturfaktoren im Sozialleben - Tekla Reimers


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jene bewährte Erbkombination der Elternindividuen verloren, die sie befähigte bis ins Erwachsenenalter zu berleben. Denn in jeder sexuellen Vereinigung werden die Gene von zwei Eltern neu kombiniert.

      Fast alle sexuell erzeugten Nachkommen sind relativ zur Umwelt und ihren jeweiligen Eltern schlechter angepasste Individuen. Aber es gibt auch immer einige wenige besonders tüchtige Neukombinationen mit deutlich verbesserten Eigenschaften. Also wesentlich höherer Fitness. Denn einzelne Gene und halbe Chromosomensätze zweier Artgenossen lassen sich in ihnen sexuell vereinigen, was besonders günstige Veränderungen von Erbeigenschaften ermöglicht. Mutationen, die bei verschiedenen Individuen einer Spezies spontan aufgetreten sind, können einigermaßen wahrscheinlich in irgendeinem sexuellen Nachkommen zusammen finden. In asexuellen aber praktisch nie. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist allzu gering. Eine Kombination mehrerer gnstiger Gene in einem Individuum sexueller Spezies muss auch nicht rein zufällig gelingen, denn durch Wettbewerb unter Artgenossen wirken besondere Gesetzmäßigkeiten sozialer Selektion zusätzlich darauf hin. Wenn eine Spezies sehr streng selektiert wird, sodass von Millionen sexueller Nachkommen nur jeweils eine Hand voll erwachsen werden, enthalten diese mit hoher Wahrscheinlichkeit eine genetische Superkombination. Williams nennt sie ,Sysiphus-Genotypen' abgeleitet vom mythologischen und philosophischen Konzept eines mit endloser Mühsal unproduktiver Schwerarbeit - von seinen Göttern! - bestraften Menschen.

      Viele Meerestiere schweben in dauernd unvorhersagbar wechselnder Umwelt und werden dermaßen streng selektiert, dass in ihrer Stammesgeschichte oftmals nur Sysiphus-Genotypen überlebten. Williams erklärt damit die Entstehung und Erhaltung sexueller Fortpflanzung neben der asexuellen trotz der surplus males, also für maximale Nachkommenausbreitung hinderlicher Erzeugung sehr vieler überflüssiger männlicher Artgenossen.

      Spektakulärer Männerüberschuss entsteht bei einer Spezies, falls einige biologische Eigenschaften zusammen wirken:

      1 sexuelle Fortpflanzung als einzige Vermehrung und daher obligatorische Sexualität;

      2 lebenslänglich auf ein Geschlecht beschränkte Individuen;

      3 Entstehung gleich vieler männlicher und weiblicher Artgenossen pro Generation;

      4 keine Monogamie mit lebenslanger Einehe.

      All das trifft zu für männliche Säugetiere und unterwirft diese generell einer strengeren sexuellen Selektion als weibliche. Bei vielen Spezies können sie genetischer Überflssigkeit schwerlich entkommen. Herdentiere geben eine Fülle von Beispielen für solche starken sozialen Selektionsmechanismen (von Darwin sexuelle Selektion genannt), welche allein am männlichen Geschlecht ansetzen. Unter Wildpferden oder frei lebenden Rindern pflanzen sich Hengste und Bullen nur dann berhaupt fort, wenn sie zu den kampftchtigsten 10% gehören. Die restlichen 90% männlicher Artgenossen bleiben unfruchtbar, wirken als lebendiges Spielmaterial der Selektion. Natürlicher Männerüberschuss. Zusätzlich konkurrieren die Abermillionen Spermien eines männlichen Ejakulats um fünf oder zehn reife Eier. Manchmal sogar nur um eins. Deshalb können auch bei solchen Spezies, mit relativ niedriger Fruchtbarkeit von einigen hundert möglichen Nachkommen pro Individuum, wenige sexuell erzeugte Superkombinationen ihrer Genotypen die einzigen sein, welche wirklich in zuknftigen Generationen weiterleben. Und zwar relativ viele davon - verglichen mit dem männlichen Durchschnitt der Spezies.

      II 2. Natürliche Evolution obligatorischer Sexualität

      Die allermeisten Tiere sind befähigt, sowohl asexuelle, als auch sexuelle Nachkommen hervorzubringen, je nach den Erfolgschancen dafür. Sie genießen das Beste beider Welten können sich durch klonen schnellstmöglich ihrer Umwelt präzise anpassen und, immer wenn es nötig wird, zusätzlich deren Veränderungen mit sexueller Variabilität begegnen. Nach Berechnungen des Soziobiologen C.G. Williams sind Spezies, die ihren ursprünglichen asexuellen Vermehrungen als Klons auch sexuelle Fortpflanzungen hinzufügen können, eindeutig überlegen gegenüber allen konkurrierenden Spezies, denen entweder nur das eine oder andere biologisch möglich ist.

      Biologietheoretiker vermuten die ursprüngliche Funktion der Sexualität darin, eine vollständige Anpassung der Bevölkerung an ihre jeweilige Umwelt zu verhindern. Denn sexuell erzeugte Nachkommen verlieren den angepassten Genotyp ihrer Eltern, variieren breiter und haben fast alle keine optimal angepassten Erbeigenschaften für die jeweilige Umgebung, welche zuvor bereits ihre Elterngeneration selektierte. Sexuelle Fortpflanzung stabilisiert eine Spezies deshalb generell gegenüber Umwelteinflüssen. Sexualität gibt einen gewissen Schutz vor Aussterben, indem sie Artgenossen gelegentlich genetische Neukombinationen abverlangt, wobei sich zusätzliche Variabilität der Nachkommen ergibt. Allerdings auch größere Verluste unter ihnen. Mittels sexueller Vereinigung zweier halbierter Genome kann genetische Veränderung regelmäßig in artgemäßen Formen vor sich gehen. Anders als bei den zufälligen erblichen Abänderungen von Nachkommen durch Mutationen. Sexuelle Fortpflanzung wäre demnach eine Verweigerung perfekter Umweltanpassung im Rückzug auf die arteigenen genetischen Möglichkeiten, Verselbständigung der Spezies und ihres Genoms relativ zur Selektion durch ihre Umgebung.

      C.G.Williams (1975) hat ein faszinierendes Gedankenexperiment dazu durchgefhrt, von der Frage ausgehend: "Wie lange braucht der beste vorhandene Genotyp, um die Norm zu werden, nach einer Umweltveränderung, bei asexuellen und sexuellen Populationen?" Für hochfruchtbare Spezies mit Millionen lebensfähiger Keimlinge fand er aufgrund theoretischer Modellkalkulationen: "In der asexuellen Population wird der beste vorhandene Genotyp sofort die Norm, in einer sexuellen nie." Dabei ist höchstwahrscheinlich der beste vorhandene Genotyp in der asexuellen Bevölkerung nicht so gut wie einige, die durch genetische Vermischung erzeugt werden könnten. Das Ergebnis seiner mathematischen Kalkulationen verschiedener Bevölkerungsmodelle ist: Die asexuellen Klons werden von einer sexuellen Variante ihrer Spezies regelmäßig auskonkurriert, wenn ihre Umwelt sehr veränderlich ist. Das ergibt sich infolge der geschwinden und präzisen Anpassung der Klons an ihre aktuelle Umgebung, worin der einelterliche Genotyp, mit seinen überlebensgeprften und also jeweils perfekt umwelttauglichen Eigenschaften, immer erhalten bleibt. Ihre geringe Variabilität entsteht allein durch zufällige Mutationen. Je mehr aber die Anpassung einer Spezies durch Selektion präzisierbar ist, umso regelmäßiger wird sie durch ein Verschwinden ihrer ologischen Nische aussterben, weil schon kleinere Umweltänderungen ihre Variationsbreite überfordern. Asexuelle Populationen können sich allzu schnell übermäßig spezialisieren, in Anpassung an vorübergehende Bedingungen. Williams rechnete dabei mit einer Bevölkerung, die sich immer perfekter an einen schwindenden Lebensraum anpasst.

      Manche Tiere bringen sogar ihre eigene ologische Nische selbst zum Verschwinden, indem sie sich immer genauer an sie anpassen. Parasiten sind häufig von solchen Formen des Aussterbens betroffen. Ihre verbesserte Anpassung und entsprechende Ausbreitung in oder auf einem bestimmten Wirt, kann den befallenen Körper einfach umbringen. Ebenso kann in Räuber-Beute-Verhältnissen präzisierte Anpassung zur totalen Erschöpfung der Nahrungsobjekte führen, was entweder Abänderungen der Räuberspezies oder ihr Aussterben zur Folge hat.

      Wieso konnte die sexuelle Fortpflanzung bei sämtlichen Warmblütern ältere Formen der asexuellen Vermehrung mit identischen Nachkommen gänzlich verdrängen? Dem biologischen Zweck genetischer Vermischung würde es eigentlich genügen, wenn zwei Individuen einer Spezies gelegentlich einige Gene austauschten oder ihre durch Reduktionsteilung (Meiose) halbierten Chromosomensätze vereinigten.

      Warum sich gerade die höchstentwickelten Wirbeltiere ausschließlich sexuell vermehren und kein bisschen asexuell, auch im Notfall nicht blieb wissenschaftlich ungeklärt. Es gibt evolutionstheoretische Hypothesen, im naturhistorischen Nachhinein, mit einer Fülle von biologischen Belegen aus dem gesamten Reich der Lebewesen. Aber der Nachweis allgemein überlegener Fitness, insbesondere für Nachkommenausbreitung solcher Spezies fehlt. Da Naturforscher selbst zu einer Spezies mit obligatorischer Sexualität gehören, haben sie sich große Mühe gegeben, doch noch irgendwelchen Sinn und Zweck zu entdecken, in ihrer biologisch gegebenen Beschränkung auf sexuelle Fortpflanzung zur Erhaltung der Lebendigkeit menschlicher Eigenschaften. Das wissenschaftlich breit akzeptierte 'Red-Queen-Modell' geht von einem Wettlauf wechselseitiger Anpassung zwischen langlebigen Wirbeltierspezies


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