Magisches Kompendium - Alchemie. Frater LYSIR

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Magisches Kompendium - Alchemie - Frater LYSIR


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Luft muss verstanden werden, sodass der Adler irgendwann zu einer Taube – das klassische Symbol des Heiligen Geistes – werden kann. Dies ist ein erneuter Transformationsprozess, der jedoch so zu verstehen ist, dass der Adler und die Taube zu einer Gestalt fusionieren. Wenn man in einer dualen Welt nur als Taube agieren will, wird man untergehen. Das Gleiche gilt aber auch für den Adler. Daher muss am Ende der Prozess des Phönix einsetzen, was bedeutet, dass der Adler sich verbrennen muss, sich dann als Phönix erkennen wird, um zum Schluss die Phase der Taube zu erfüllen. Da es hier nur ein metaphorisches Bild ist, muss man sich die Taube so vorstellen, dass sich diese auch wieder in einen Adler verwandeln kann – sollte dies notwendig werden. Die magische Praxis und der Dienst im Großen Werk zeigen sehr deutlich, dass es immer wieder Situationen gibt, wo man auch als Adler agieren muss, da die Taube von anderen „Luftbewohnern“ als Beute gesehen wird.

      So bleibt zum Ende über den Stein der Weisen nur noch zu sagen, dass es eine bildhafte Metapher des menschlichen Ich ist, welches sich zu einem Selbst entwickeln muss, um über den eigenen Horizont hinauszuwachsen. Daher ist eine weitere Bezeichnung des Steins der Weisen interessant, da hier die Neuwerdung bzw. eine klassische Initiation angesprochen wird. Der Stein der Weisen wird auch „das ewige Wasser“ genannt, wobei hier ein christlicher Kontext – das Taufwasser – gemeint ist. Wenn man „das ewige Wasser“ jedoch allein aus dem metaphorischen Aspekt betrachtet, ist es der Stoff, der Leben, Tod und Wiedergeburt bedeutet. Daher ist es kein großer Sprung vom „Stein der Weisen“ bzw. vom „ewigen Wasser“ hin, zum „Lebenselixier“.

      LEBENSELIXIER:

      Wie auch bei anderen Vokabeln der Alchemie, laufen natürlich auch in Bezug auf das „Lebenselixier“ die verschiedensten Vorstellungen und Mythen vor dem inneren Auge des Menschen ab. So gilt das Lebenselixier letztlich als ein Gebräu, welches man ohne Weiteres als Zaubertrank deklarieren kann und überhaupt nicht so weit von dem „Trunk der Gallier“ (aus Asterix und Obelix) entfernt ist, als man meinen könnte. Gut, es werden nicht übermenschliche Kräfte eines Superhelden aktiviert, doch das Lebenselixier galt schon immer als flüssiges Garant für Schönheit und Jugend, Vitalität und Gesundheit, und, was natürlich irgendwie immer einen besonderen Augenmerk erhält, Potenz und Fruchtbarkeit. Hier und da gab es auch die Meinung, dass das Lebenselixier wortwörtlich zu nehmen ist und ein langes Leben bzw. möglicherweise eine relative Unsterblichkeit bringen konnte, die dann auch noch mit einer Lebenszufriedenheit oder einer besonderen Lebensfreude gepaart ist. Nun, wenn man sich einmal diese einzelnen Punkte anschaut, erkennt man sofort die typischen Wünsche des Menschen.

      Gesundheit und Sorgenfreiheit gelten als höchstes Gut, wobei Macht, Einfluss und Geld dann natürlich auch in der heutigen Zeit nicht fehlen dürfen. Heutzutage wird im Grunde immer noch nach einem Lebenselixier geforscht, auch wenn es unter der Überschrift „pharmazeutische Forschungen“ läuft. Die Wunderpille gegen Krebs, Impotenz oder Unfruchtbarkeit könnte man ohne Weiteres mit dem alchemistischen Lebenselixier gleichsetzen, und dass sich durch die pharmakologischen Errungenschaften das Leben der Menschen verlängert hat (natürlich auch deswegen, weil die Diagnostik besser geworden ist), wird man nicht abstreiten können. So ist die Grundidee des Lebenselixier immer noch vorhanden und auch sehr aktiv in den Gedanken der Menschen, auch wenn nicht mehr das Wort „Lebenselixier“ verwendet wird.

      Wie schon erwähnt ist das Wort Elixier auch eng mit dem Stein der Weisen verbunden, da sich das Wort „Elixier“ aus dem griechischen Wort für „Stein“ (xerion) bzw. aus dem arabischen (El Iksir) bildet. Da der Stein der Weisen und auch das Lebenselixier absolut essenzielle Arbeitsziele der Alchemie sind, und beide auch oft mit dem Wortfragment „Tinktur“ (aus dem lateinischen „tingo“, was so viel wie „färben“ bedeutet) in Zusammenhang stehen, sind es – jedes für sich – Bausteine des Großen Werks, dem „Opus Magnum“, also das Ziel und das Meisterstück der alchemistischen Arbeit überhaupt. Doch es wird offensichtlich gern vergessen, dass das Große Werk im Grunde den physischen Tod zum Ziel hat, da man dies als eine Art „Level-Up“ oder einen „Aufstieg“ deklarieren kann, wenn man seine aktuellen Inkarnationsaufgaben erfüllt hat. In diesem Fall ist es unlogisch, ein Mittel zu entwickeln, das einen unsterblich macht, da dies gleichbedeutend mit einem nicht erreichen des eigenen, magischen Lebenszieles bedeutet. In Bezug auf das Große Werk glaubten die Alchemisten, dass fünf essenzielle Punkte erfüllt sein müssen, damit es überhaupt möglich war, es zu erkennen bzw. im Großen Werk zu arbeiten.

      Hierzu zählte als ERSTES die Selbsterkenntnis und somit die bewusste Wandlung von einem normalen Menschen in einen „höheren Menschen“, als ZWEITES die Unterstützung des Himmels (bzw. der geistigen Welt), sodass man auf Kräfte jenseits des Irdischen zugreifen konnte. Als DRITTES war das Labor essenziell, welches gut ausgerüstet sein musste, damit man alle Arbeiten und Experimente ausführen konnte. Der VIERTE Punkt war die finanzielle Unabhängigkeit bzw. das man einen Sponsor hatte, der sämtliche Kosten der Experimente auffangen konnte und als FÜNFTES war das Wahren der alchemistischen Kunst, sodass man seinen Sponsoren Gold und Unsterblichkeit in Aussicht stellen konnte. Gut, dass man sich Sorgen um das Sterben macht, dass es mehr als nur ein paar unschöne Methoden des Ablebens gibt, ist klar, doch echte Unsterblichkeit!? Will man das? Einige Menschen sicherlich, da sie sich an ihre materielle Existenz krallen, wie ein Ertrinkender an einen Rettungsring. Daher ist die Suche nach dem „Antitodesmittel“ so alt wie die Menschheit selbst. Jedes Mal, wenn man mit dem Tod konfrontiert wird, erkennt man die eigene Machtlosigkeit, Begrenztheit und auch Sterblichkeit. Vielleicht sind deswegen Geschichten, Märchen und Mythen über die menschliche Unsterblichkeit so berühmt und begehrt. Durch Geschichten, Meinungen und auch echte historische Fehleinschätzungen sind sehr viele alchemistische Mythen negativ realisiert worden, wodurch die Alchemie in der heutigen Zeit immer noch mit einem Lachen bedacht wird, obwohl es die Vorreiter der heutigen Chemie, Pharmazie, Medizin, Physik und Biologie waren. Hierbei muss man natürlich immer berücksichtigen, dass in der damaligen Zeit andere Begrifflichkeiten verwendet worden sind, als es heute der Fall ist. Das Lebenselixier oder auch das viel gelobte Lebenswasser (Aqua Vitae) müssen hierbei aber stets in einem sinnigen Zusammenhang gesetzt werden. Es wird niemand glauben, dass man durch die Verwendung eines Zaubertranks plötzlich unsterblich wird, da die Bestandteile des magischen Trunks sich auf zellularer Ebene auswirken und das Altern von jetzt auf gleich unterbinden.

      Hier muss man zum Teil negative Kritik üben, denn in vielen alchemistischen Werken des Mittelalters wird propagiert, dass die echte, materielle bzw. biologische Unsterblichkeit kein Problem ist. Gut, ähnliche Propaganda findet sich auch in alten Grimorien, wo es darum ging, Engel und Dämonen materiell zu beschwören und natürlich auch zu befehligen, da man den Namen Gottes kannte. So ist es menschlich, dass besondere Zutaten – egal, ob es nun um ein Ritual oder um eine alchemistische Zubereitung geht – immer als ausschlaggebende Erfolgsgarantien in die jeweiligen Arbeiten eingeflochten wurden. Hierbei kannte die Obskurität keine Grenzen, wobei immer Materialien verlangt wurden, die in der jeweiligen Region sehr schwer zu bekommen waren. In der heutigen Zeit würde man wohl stets auf radioaktive Elemente bauen, da diese in großen Mengen für den Normalbürger kaum zu erhalten sind. In der damaligen Zeit waren es dann andere Mittel und Extrakte (u. a. Korallenpulver von roten Korallen, um das rote Elixier zu erschaffen), die in manchen Regionen nicht ohne Weiteres zu erhalten waren. Hierbei muss man jedoch immer die jeweilige Zeit und die Orte der Alchemisten berücksichtigen, sodass in China und Indien andere Ideen geboren wurden, als in Europa des Mittelalters. Doch bei allen seltsamen Einfällen und Ideen, kann man durch das Wirken der Alchemie auch klare tiefenpsychologische Tendenzen erkennen, denn letztlich vollzog die Alchemie einen echten Weltenwandel mit sich. Durch die Alchemie wurde die eigene Göttlichkeit bzw. die Chance „Wundermittel“ oder „allgemeine Wunder“ zu erschaffen, neu beleuchtet. Wenn man so will, findet man auch im Stein der Weisen und somit auch im Lebenselixier die Grundidee eines „wahren Lebens“ wieder, eines Lebens, welches man selbst vollkommen bestimmen kann, was in der damaligen Zeit nicht immer so einfach war, wie es heute ist. Daher muss man den Gedanken des Lebenselixiers auch als Aufruf zu einem unabhängigen Leben sehen, welches durch pharmakologische Kenntnisse „geschützt“ oder auch „erhalten“ werden kann.

      Hierdurch setzte die Alchemie den Suchfokus auch in das Innenleben des


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