Die Schritte der Kinder. Philipp Frotzbacher

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Die Schritte der Kinder - Philipp Frotzbacher


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      Sprache

      Mit der benachbarten Sippe gab es bei der geringen Besiedelungsdichte keinen regelmäßigen und intensiven Kontakt. Ähnlich wie bei Tieren gab es aus Gründen des Nahrungsangebots höchstwahrscheinlich nur einfache Abmachungen über die Reviere, die aufgeteilt wurden. Sonst bestand kaum Veranlassung für eine Interaktion.

      Eines Tages sehen diese Nachbarn das entfernte Lichter- und Schattenspiel in der Nacht. Es übt eine unwiderstehliche Anziehung aus. Ihre Neugierde lässt sie langsam und vorsichtig herankommen. Die Aufregung war auf beiden Seiten groß und als die Besucher mit offenen Händen in die Nähe kommen wird es klar, dass in den staunenden Augen friedliche Absichten zu lesen sind. Kurz darauf dürfen sie sich dazu setzen, sie bekommen eine Kleinigkeit zu essen und sie lernen schnell, auch mit dem Feuer umzugehen. Die ersten Freundschaften zwischen Familien beginnen. Das nächste Mal bringen sie Essen mit und es wird gemeinsam gesungen und gelacht. Sie haben in diesem Moment gespürt, dass das Leben gut ist. Mit absoluter Gewissheit.

      Das menschliche Feuer brennt. Dieses Feuer wird von nun an nie mehr ausgehen.

      Es hat unmittelbar zu einfachen Formen von Handel geführt, Zusammenarbeit und konstruktives Miteinander sind die Folge. Die Großfamilien und Sippen werden größer, die Technik des Feuermachens breitet sich aus. Regional entstehen so gemeinsame Sprachen und es werden alle möglichen Erfahrungen ausgetauscht und weitergegeben. Das bedeutet bessere Einsicht in Umwelt und Umgebung. Was vorher eine Ahnung war, wird nun zur Gewissheit: Die Menschen entdecken das Wunder des Lebens: Aus einem Samen wird wieder ein neues Ganzes. Man kann es überall in der Natur entdecken. Einmal beobachtet und im anschließenden Versuch nachvollzogen wird diese Erkenntnis im Geist zur Einsicht. Sie wird mit Begeisterung weiter kommuniziert und nie wieder vergessen.

      Es ist der Schritt unserer kulturellen Entwicklung, der nach der Nutzbarmachung des Feuers der wichtigste überhaupt ist: Die Menschen haben sich selbst als Wunder begriffen. Diese Erkenntnis wird zwar später durch das Wissen teilweise wieder überlagert, doch im Grunde ist dieser Meilenstein der Bewusstwerdung ein Schritt gewesen, der nicht mehr rückgängig machbar war.

      Sesshaftigkeit

      Die Sicherheit, das Streben nach Vertrautheit, Gewohnheit, die gewonnenen Erfahrungswerte, der Wunsch, das Gefühl zu haben zu Hause zu sein, das Wetter einschätzen zu können und die vielen anderen Rahmenbedingungen, all das verbesserte die Lebensqualität um ein Vielfaches. Es bedeutete bessere Kenntnis von Jagdgebiet und Lebensgewohnheiten der Tiere, Wasserstellen, Holz für Feuer, usw... Die Sesshaftigkeit ermöglicht eine bessere Anpassung an die äußeren Erfordernisse. Es konnten dauerhafte Hütten gebaut werden, Wohnungen, die dem Nachwuchs noch mehr Schutz bieten. Die eigene Umgebung genau zu kennen war von entscheidendem Vorteil für das Überleben. Höchstwahrscheinlich waren es Kinder, die beim Spielen Kleintiere gezähmt haben. Die Eltern haben ihnen dann gezeigt, wie man sie füttert und ihnen ein Zuhause bietet. Aus diesem Streichelzoo und der Freundschaft mit kleinen Tieren hat sich dann die Nutztierhaltung entwickelt. Aus der Freundschaft und dem Zusammenleben mit der unmittelbaren Natur rundherum entsteht ein völlig neuer Zugang zum Leben. Ein dauerhaftes Zuhause. Die Verbindung mit den Ahnen ist dabei ganz wichtig. Familie ist etwas Heiliges, es bringt Glück und Freude. Die Kinder waren die Lehrmeister der Eltern. In ihren Augen konnten die Erwachsenen sich selbst erkennen.

      Beim Versuch, die Welt um sich herum zu verstehen wird überall die Verbindung gesucht. Der Verstand arbeitet so. Er erklärt das eine durch das andere. Sie haben mit den Wolken geredet und sich bei der Sonne bedankt. Demut und Lernbereitschaft, sowie ökonomisches und ökologisches Denken waren dabei etwas Selbstverständliches. Sie waren mit sich eins, mit dem Partner eins, mit der Familie eins, mit der Dorfgemeinschaft eins und mit der Natur eins.

      In dieser friedlichen Atmosphäre findet der Verstand die Ruhe, die er braucht um zu lernen und sich weiter zu entwickeln. Worte werden neu zusammengesetzt, neue Worte werden erfunden, die Sprache entwickelt sich weiter.

      Die grundlegenden Fragen werden ganz bewusst gestellt. Was ist das Leben, was ist der Tod. Wie können wir noch besser leben. Was ist meine Aufgabe. Was sind wir.

      Mit dem Versuch, eine Antwort zu sein, entsteht die Liebe zur Weisheit, die Philosophie. Und damit der erste Versuch einer umfassenden Beschreibung von der Welt. Man sucht das Vertraute, das was verbindet. Die Überschneidungen der Vorstellungen über die Realität bilden die Grundlage für das gelungene Zusammenleben. In dieser paradiesischen Welt war jeder mit allem in Verbundenheit. Diese Lebensgemeinschaft hat sich ganz langsam ausgebreitet.

      Schrift

      Dialog und gemeinsames Schauen erweitern die Erkenntniswelt. Die Dörfer werden größer, es gibt Aufgabenteilung und Berufe. Mit dem Grad der Organisation steigt auch das Bedürfnis, Aufzeichnungen zu machen. Die Strategie für die nächste Großwild-Jagd wird in den Sand gezeichnet: Die Jäger teilen sich in Gruppen auf: Drei kommen von dort und jagen das Wild dorthin, vier warten da und vier warten da. Oder es werden Striche in ein Stück Rinde gekritzelt, um etwas zu zählen. Was immer sich für Aufzeichnungen eignet, wird hergenommen, um im Moment mehr Klarheit zu einem Sachverhalt zu gewinnen. Dabei spielt es keine Rolle, wie lange die Aufzeichnungen erhalten bleiben. Mathematik ist ein grundlegendes Werkzeug des Verstandes, es wird unterbewusst automatisch verwendet: Die Mutter hat vier Kinder, drei sind da, eines fehlt: Vier minus drei ist eins.

       4 - 3 = 1

      

      

      In der Nacht ist der funkelnde Sternenhimmel das Fernsehen. Der aufmerksame Geist bemerkt wiederkehrende Muster. Man kann sich daran orientieren. Der Mond ist nicht zu übersehen. Neumond, zunehmender Mond, Vollmond, abnehmender Mond, usw...

      Er verändert seine Form auf scheinbar magische Weise. Mit einer Strich-Liste werden die Tage gezählt. Der Mond braucht dafür 2 Doppelhände und ungefähr 8 bis 9 Finger an Tagen.

      Völlig unerklärlich ist, dass es mit der Weiblichkeit in Verbindung steht. Jedes Mal, wenn der Mond voll und hell ist, bluten die Frauen an der Stelle, wo die Babys herauskommen. Der Himmel ist voller Mysterien. Die Sternenbilder kommen jede Nacht wieder. Die unveränderlichen Konstellationen bekommen Namen wie Giraffe, Löwe oder Schlange. Sie sind leicht zu erkennen und gehören bald zum Allgemeinwissen und den Gute-Nacht-Geschichten für Kinder.

      Um etwas sehr Umfangreiches leichter begreifen zu können, sind Zeichnungen enorm hilfreich. Neben den Skizzen von Sternenbildern sind einfache Landkarten entstanden, um sich besser zu Recht zu finden. Eingezeichnet wurden Nachbardörfer, Reviere von Tieren und Plätze für diverse Pflanzen. Komplizierte Arbeitsschritte wurden zur besseren Verdeutlichung und zur Erhaltung des Wissens für die nächste Generation in Holz geschnitzt. Benutzt wurde alles, was sich dafür eignet.

      Die rätselhaften Erscheinungen des Himmels haben die Erwachsenen fasziniert. Manchmal sieht man Lichter, die so plötzlich erscheinen, unglaublich schnell fliegen und ebenso plötzlich wieder verschwinden, dass man einen zweiten Beobachter neben sich braucht, der das Gesehene mit riesigen Augen bestätigt, um überhaupt sicher zu sein, dass man gesehen hat, was man gesehen hat. Sie hatten keine Worte dafür. Eine kleine Gruppe spezialisiert sich darauf, Himmelsereignisse zu beobachten. Es ist so geheimnisvoll. Sonnenfinsternisse und Mondfinsternisse werden beobachtet. Und dann gibt es noch die kleinen klaren Himmelslichter, die nicht funkeln, die Planeten. Sie sind am Abendhimmel als erste Lichter zu sehen und tauchen immer an einem anderen Platz auf. Sie bewegen sich immer anders. Jeden Abend ist es anders, sie schauen hinauf und


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