Von Bagdad nach Stambul. Karl May

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Von Bagdad nach Stambul - Karl May


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Euch ziehen zu lassen; nun aber gebiete ich Euch: Macht Euch von hinnen, Ihr Unreinen! Euren Abstand sollt Ihr wieder erhalten; dann aber möge Euch der Scheïtan in die Dschehenna führen!«

      Ich sah, daß dies seinen vier Männern aus dem Herzen gesprochen war; aber ich sah auch, daß die Blicke der beiden Haddedihn und Halef's mit zorniger Erwartung auf mir hafteten. Auch der Engländer beobachtete mich scharf, um sein Thun ganz nach dem meinigen zu richten. Da er von der Unterhaltung nichts verstand, so mußte ich ihn aufmerksam machen:

      »Sir, wenn ich schieße, so schießt auch, aber nur auf die Pferde!«

      »Yes! Schön! Prachtvoll!« antwortete er.

      Nun erklärte ich dem Bebbeh in ruhigem Tone:

      »Gut, wir werden reiten; vorher aber muß ich Dir Eins erst sagen: Glaube nicht, daß wir um Frieden gebeten haben, weil wir uns vor Euch fürchten! Wir lieben nur deßhalb den Frieden, weil wir nicht das Blut von Menschen vergießen wollen. Du hast es anders gewollt; so siehe nun, was die Folgen sind!«

      »Ihr? Euch nicht fürchten?« höhnte er. »Hast Du nicht hier Dich vor uns in den Staub gesetzt und um Barmherzigkeit gebeten, Giaur?«

      »Sage dieses Wort nicht noch einmal, Bebbeh, sonst kommt es über Dich wie der Blitz über den Baum! Ich wollte den Frieden haben, um Euretwillen, und ich will Euch beweisen, daß wir Euch verachten. Wir wollen nicht einen Vorsprung von Euch geschenkt haben, sondern der Kampf mag sofort beginnen. Kommt heran!«

      »So sei es!« rief er und griff nach seinem Dolch. In demselben Augenblick aber schoß mein Pferd mit einem langen Satze an dem seinigen vorüber; ich ergriff ihn beim Arm und riß ihn vom Pferde. Vier Schüsse krachten – noch zwei, und als ich den Rappen rasch wandte, sah ich die Pferde der Bebbeh sich mit ihren Reitern am Boden wälzen.

      »Fort! Schnell!«

      Wir jagten vorwärts. Ich riß den Bebbeh zu mir empor und gab ihm einige saftige Ohrfeigen mit den Worten: »Das ist für den ›Giaur‹!« Dann ließ ich ihn fallen. Er kam hart neben den Hufen des Pferdes, doch ohne von ihnen verletzt zu werden, zur Erde nieder. Das alles war so schnell geschehen, daß erst jetzt die Bebbeh unter einem lauten Wuthgeheul ihre Pferde in Bewegung setzten.

      »Habe ich recht oder unrecht gehandelt?« frug ich die Haddedihn während des Reitens.

      »Emir,« antwortete Muhammed Emin, »Du hast recht gehandelt; der Mann hat nicht nur Dich, sondern auch uns beleidigt. Er darf kein Krieger mehr sein, denn er ist von einem Christen in das Gesicht geschlagen worden. Das ist schlimmer als der Tod und wird fürchterlich gerächt. Hüte Dich, jemals in die Hände der Bebbeh zu fallen; Du müßtest unter entsetzlichen Martern sterben!«

      In zehn Minuten hatten die Bebbeh wieder zwei Abtheilungen gebildet; nur war die vordere jetzt weniger zahlreich, da fünf ihrer Pferde erschossen waren. Ich wartete noch eine Weile, bis der Abstand zwischen ihnen sich noch mehr vergrößert hatte, und gebot dann Halt. Die sechs vordersten Reiter hätten uns den ganzen Tag nicht aus den Augen verloren, denn ihre Pferde waren ausgezeichnet. Darum mußten wir diese Thiere erschießen. Dies erklärte ich den Haddedihn, stieg vom Pferde und ergriff die Büchse.

      »Schießen?« frug Lindsay, der diese Anstalt beobachtete.

      »Ja. Die Pferde weg.«

      »Yes! Interessant! Viel Geld werth!«

      Ich bat noch, nicht eher loszudrücken, als bis Jeder sicher sei, nicht den Mann, sondern das Pferd zu treffen.

      Die Verfolger kamen herbeigesaust und befanden sich bereits in Schußweite, als sie unsere Absicht zu ahnen begannen. Anstatt zerstreut abzuschwenken, hielten sie an.

      »Fire!« kommandirte Master Lindsay.

      Obgleich die Araber das englische Wort nicht verstanden, wußten sie doch, was es zu bedeuten habe. Wir drückten ab, ich und Lindsay noch einmal, und bemerkten sofort, daß kein Fehlschuß gefallen war: – die sechs Pferde bildeten mit ihren Reitern auf dem Boden einen Knäuel, dessen Entwirrung abzuwarten, es uns leider an der nöthigen Zeit gebrach.

      Nun stiegen wir wieder zu Pferde. Bald blieben die Verfolger weit zurück, und nach einer Weile befanden wir uns allein auf der Ebene.

      Diese erreichte jedoch sehr bald ihr Ende. Es erhoben sich Berge vor uns, und auch von den Seiten traten Höhen zu uns heran. Wir hielten unwillkürlich die Pferde an, ohne uns irgend ein Zeichen dazu gegeben zu haben.

      »Wohin?« frug Mohammed.

      »Hm!« brummte ich.

      Ich war noch nie im Leben so unsicher über die einzuhaltende Richtung gewesen, wie jetzt.

      »Überlege, Emir!« sagte Amad. »Wir haben jetzt Zeit. Unsere Pferde mögen sich verschnaufen.«

      »Ebenso leicht könnte ich sagen: Ihr sollt überlegen,« antwortete ich. »Ich weiß nicht genau, in welcher Gegend wir uns befinden, aber ich denke, daß im Süden von uns Nweizgieh, Merwa, Beytosch und Deira liegen. Diese Richtung würde uns nach Sulimania bringen – –«

      »Dahin gehen wir nicht!« unterbrach mich Mohammed Emin.

      »So haben wir uns für den Paß zu entschließen, von welchem wir gestern Abend sprachen. Wir können unsere gegenwärtige Richtung beibehalten, bis wir den Fluß Berozieh erreichen, welchen wir eine Tagreise lang aufwärts verfolgen müssen, um hinter Banna in die Berge zu kommen.«

      »Ich stimme bei,« sagte Mohammed.

      »Dieser Fluß hat für uns auch den Vortheil, daß er Persien von dem Ejalet scheidet, und wir können also die Ufer wechseln, je nachdem es unsere Sicherheit erfordert.«

      Wir ritten nun weiter gegen Süden. Die Gegend stieg aus der Ebene immer mehr zur Höhe; Berge und Thäler wechselten in immer größerem Gegensatze. Am späten Nachmittag befanden wir uns mitten im Gebirge und kamen, kurz vor Sonnenuntergang, auf einer einsamen, dicht bewaldeten Höhe zu einer kleinen Hütte, aus deren Dachöffnung Rauch emporstieg.

      »Hier wohnt Jemand, Sihdi,« meinte Halef.

      »Jedenfalls ein Mensch, der uns nichts schaden kann. Ich werde mir ihn ansehen; bleibt bis dahin hier halten!«

      Ich stieg ab und schritt auf das Häuschen zu. Es war aus Steinen erbaut, deren Ritzen man mit Moos verstopft hatte. Das Dach wurde von einer mehrfachen Lage dichter Zweige gebildet, und die Thüröffnung war so niedrig, daß kaum ein Kind aufrecht eintreten konnte.

      Als meine Schritte im Innern des primitiven Bauwerkes zu hören waren, erschien an der Thür der Kopf eines Thieres, welches ich für einen Bären hielt; bald aber überzeugte mich die Stimme dieses zottigen Geschöpfes, daß ich es mit einem Hunde zu thun habe. Dann erklang von innen ein scharfer Pfiff, und an Stelle dieses Kopfes erschien ein zweiter, den ich beim ersten Anblick ebensowenig zu klassifiziren vermochte. Ich sah nämlich weiter nichts als Haare, die verworrener gar nicht gedacht werden konnten, und eine tiefschwarze, breite Nase und zwei funkelnde Äuglein, die denen eines zornigen Schakals glichen.

      »Ivari 'l ker – guten Abend,« grüßte ich.

      Ein tiefes Brummen antwortete.

      »Wohnst Du allein hier?«

      Das Brummen stieg noch um einige Töne tiefer.

      »Gibt es noch andere Häuser hier in der Nähe?«

      Jetzt wurde das Brummen wahrhaft fürchterlich; ich glaube, die Stimme dieses Geschöpfes reichte wenigstens bis zum großen C herab. Dann kam die Spitze eines Spießes zum Vorschein – sie ward immer weiter hervorgeschoben, bis sie sich grad vor meiner Brust befand.

      »Komm heraus!« bat ich im höflichsten Tone.

      Wahrhaftig, das Brummen stieg noch eine kleine Terz tiefer, also Contra-A, und die Spitze der Waffe zielte grad auf meine Kehle. Das war mir denn doch zu ordnungswidrig. Ich faßte also den Spieß und zog. Der räthselhafte Bewohner der Hütte hielt seine Waffe fest, und da er mir nicht gewachsen war, so zog ich ihn aus der Thüre: erst das Haargestrüpp mit der schwarz glänzenden


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