Rassistische Polizeigewalt und Diskriminierung in den USA. Michael Miller

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Rassistische Polizeigewalt und Diskriminierung in den USA - Michael Miller


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zu keiner strafrechtlichen Verfolgung von beschuldigten Polizisten bei neun von zehn Fällen kommt. Die Tötungen werden demnach als „vertretbar“ eingestuft. In mindestens 45 Prozent der Fälle soll es zuvor zu einem Angriff auf die Polizeibeamten gekommen sein, der durch „tödliche Gewalt“ abgewehrt worden ist. Das Justizministerium hat in einer 7-Jahres-Studie landesweit nur 59 Festnahmen von Polizeibeamten gezählt, die aufgrund von schwerer Körperverletzung bis Mord nachweisbares Fehlverhalten aufzeigten (Studie durch das National Institute of Justice aus den Jahren 2005 bis 2011). Und von diesen Fällen wurden insgesamt nur 13 Polizeibeamte verurteilt. Als Grund wird in der Studie die alltägliche Konfrontation von Gewalt gegen und durch Polizisten genannt. Ihre Arbeit der Verbrechensbekämpfung kann laut überwiegender Ansicht der Öffentlichkeit nicht immer gewaltlos erfolgen, sodass bei grobem Fehlverhalten selten der Polizeibeamte als kriminell angesehen wird.

      Aus dem Büro des Generalstaatsanwaltes kommt zugleich eine Erhebung, die eine rassistische Polizeiarbeit zu bestätigen scheint. Demnach sind in Ferguson 5.384 Verkehrskontrollen 2013 durchgeführt worden, von denen nur 686 weiße, aber 4.632 afroamerikanische Fahrer waren. Zwar leben mehr schwarze als weiße Bürger in Ferguson, doch überproportional häufig liegt die Wahrscheinlichkeit fast zweimal höher kontrolliert zu werden, wenn man Afroamerikaner ist. Erschreckend kommt noch hinzu, dass die Trefferquote bei den weißen Mitbürgern viel höher lag als bei den Afroamerikanern. Zudem liegt die Wahrscheinlichkeit auch höher als Afroamerikaner doppelt so häufig von der Polizei festgenommen zu werden als ein weißer Mitbürger.

      In den nächsten Tagen kündigt sich der angesehene und landesweit bekannte afroamerikanische Bürgerrechtler und Reverent Al Sharpton aus New York an, Ferguson zu besuchen und die Familie Brown zu unterstützen. Die Situation in Ferguson sei „sehr beunruhigend“, so Sharpton. Er ist der kontroverseste afroamerikanische Bürgerrechtler des Landes und sieht sich als Stimme der unterdrückten Schwarzen. Er ist Showmaster seiner eigenen Show auf MSNBC und genießt einen hohen politischen Einfluss in Washington. Sharpton hat einen direkten Draht zum Weißen Haus und zu Barack Obama, auch wenn Sharpton und Obama unterschiedliche politische Auffassungen haben. Obama hatte immer das Ziel, das Land zu einen, während Sharpton sich konkret auf die Belange der Afroamerikaner konzentriert. Eigentlich wird Sharpton auch auf Wunsch Obamas nach Ferguson kommen, um die Gemüter zu beruhigen. Doch der Bürgerrechtler und Baptistenpriester aus Brooklyn will auch die Führung der neuen schwarzen Bürgerrechtsbewegung übernehmen und zugleich die Wut der Straße für seine Ziele nutzen. Als einfacher Vermittler zwischen den Seiten will Sharpton nicht angesehen werden. Vielmehr werden seine lauten Forderungen nach Gerechtigkeit auch nach Washington schallen. Die Familie Brown beauftragt zudem einen Anwalt, der auch ein Jahr zuvor die Familie des erschossenen Afroamerikaners Trayvon Martin gerichtlich vertreten hatte. Sie fordern von den Ermittlungsbehörden eine Anklage des Polizeischützen wegen Mordes an ihrem Sohn.

      Kirchenvertreter der Gemeinden sammeln Unterschriften für eine Petition, um das Ferguson Police Department zu einer besseren Zusammenarbeit mit den Bewohnern zu verpflichten. Sie planen zudem Andachten für Michael Brown sowie für alle Opfer von Polizeigewalt in den USA. In den Kirchen der schwarzen Gemeinden in Ferguson finden Diskussionsrunden statt und es werden Hilfsangebote für Trauernde angeboten. Die Kirchenführer selbst beteiligen sich aktiv an den Protesten und rufen die Demonstranten zur Gewaltlosigkeit auf. Auch wenn die Protestkultur eine vornehmlich jugendliche Bewegung ist, so sind es auch die Kirchenvertreter, die einen Teil der Bürgerarbeit übernehmen und Anlaufpunkt für Informationen sind. Sie geben den Anwohnern Rückhalt und nehmen die Ungleichheit der Gesellschaft mit in ihre Predigten auf. Der Tod von Michael Brown findet Eingang in ihre Reden an die Gläubigen.

      In Los Angeles stirbt am Montag ein weiterer Afroamerikaner durch Polizeigewalt und lässt auch dort die Proteste gegen Rassismus entstehen. Ezell Ford passt in das gleiche traurige Muster von jungen, schwarzen US-Bürgern, die unbewaffnet den Tod durch die Polizei finden. Sein Vergehen war laut des LAPD „verdächtige Bewegungen“. Ford lief auf dem Fußweg und wurde von zwei Polizeibeamten aufgefordert stehen zu bleiben. Doch Ford ignorierte die Aufforderungen und lief weiter. Als die Beamten ihn stellten, soll er versucht haben, die Dienstwaffe eines Polizisten an sich zu reißen. Aus Notwehr wurde Ford in den Rücken geschossen. Beide Polizeibeamte sollen auf Ford geschossen haben. Mit angelegten Handschellen verschlimmerte sich sein gesundheitlicher Zustand im Krankenwagen. Ezell Ford stirbt noch am selben Tag im Krankenhaus.

      Der Anwesende Cousin erzählt als Augenzeuge jedoch eine andere Version des Tathergangs. Demnach haben beide Polizisten den stark unter Depressionen und Schizophrenie leidenden Ford zu Boden geworfen und grundlos in den Rücken geschossen. Dass sein Cousin psychisch krank gewesen war, hätten beide Polizisten gewusst. Der Verstorbene war kein Unbekannter und hatte einige Vorstrafen. Ein weiterer Zeuge sagt aus, dass Ford erschossen wurde, als er schon auf dem Boden lag und sich aufgrund der Verhaftung wehrte. Die Dienstwaffe wollte Ford laut dem zweiten Zeugen nicht entreißen. Mit dem Argument, dass die Dienstwaffe entrissen werden soll, ist die Anwendung von tödlicher Gewalt durch Polizeibeamte in den USA gerechtfertigt. Während der Demonstrationen in Los Angeles skandieren die Demonstranten die Sprechchöre der neuen Bürgerrechtsbewegung und tragen damit den Kampf aus Ferguson nach Los Angeles weiter.

      Die Krawalle werden auch Montagnacht fortgesetzt. Es kommt zu Brandstiftungen und Plünderungen in Ferguson. Die Polizei wird von gewaltbereiten und vermummten Demonstranten mit Steinen beworfen. Es fliegen Tränengaskartuschen und Gummigeschosse als Antwort der Polizei in Richtung der Protestierer. Immer wieder ruft die Polizei die Anwohner dazu auf, in ihren Häusern zu bleiben. Menschenansammlungen sollen laut Polizei vor dem Einsatz von Tränengas zur Zerstreuung aufgefordert worden sein. Teilnehmer bestreiten jedoch die Aussagen der Polizei und beklagen, dass auch friedliche Demonstranten grundlos mit Gummigeschossen und Tränengas angegriffen worden seien. Die Polizei muss sich auch kritisieren lassen, dass sie ihre eigenen Aufforderungen konterkarierte. Indem sie zahlreiche Straßenkreuzungen und Nebenstraßen blockierte, konnten viele Demonstranten den Anweisungen der Polizisten nicht Folge leisten und wurden am nach Hause gehen behindert.

      Dienstag, 12. August 2014

      Die Unruhen in Ferguson sind nicht die ersten seit einer langen Pause friedlichen Zusammenlebens der Ethnien. In Cincinnati brachen 2001 gewaltsame Proteste aus, als ein weißer Cop einen schwarzen unbewaffneten Jugendlichen erschossen hatte. In Anaheim in Kalifornien brachen 2012 ebenfalls über mehrere Tage gewaltsame Unruhen nach einem ähnlichen Fall aus. In der Stadt Albuquerque in New Mexiko brachen sogar Unruhen in diesem Frühjahr aus. Die größten Unruhen mit insgesamt 52 Toten und rund 1.000 ausgebrannten oder stark beschädigten Gebäuden waren 1992 in Los Angeles. Der Fall Rodney King, der von mehreren Polizisten zusammengeschlagen wurde und ein Beweisvideo in den Nachrichten die afroamerikanische Community erzürnte, war seit der großen Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre der größte nationale Aufschrei wegen Rassismus. Verbessert hat sich seit 1992 für die Schwarzen in den USA jedoch nicht viel.

      Die Demonstrationen in Ferguson verlaufen tagsüber am Dienstag relativ ruhig ab. Mehrere Personen skandieren vor der Polizeistation, die als Schwerpunkt der Krawalle gilt: „Hey hey, ho ho, killer cops have to go!” Die große mediale Berichterstattung über die Krawalle sowie die zunehmende Debatte um Polizeigewalt, lassen die Waffenverkäufe in den USA sprunghaft ansteigen. Meist nach blutigen Amokläufen oder der Androhung einer Waffenrechtsverschärfung steigen die Schusswaffenverkäufe rapide an. Die neuerlichen Gewaltausbrüche in Ferguson lassen in St. Louis und Umgebung die Bewohner ihre privaten Bestände auffüllen. Die überwiegenden Angstkäufe werden von Bewohnern von überwiegend weißen Wohngebieten getätigt, die ihr Eigentum vor den Randalierern schützen wollen. Doch die Krawalle in Ferguson zeichnen sich hauptsächlich in den schwarzen Sozialbausiedlungen ab und betreffen die reicheren weißen Viertel der Stadt zumeist nicht.

      Am Dienstag gibt US-Präsident Barack Obama eine Erklärung heraus, indem er den Tod des Jugendlichen als „herzzerreißend“ beschreibt. Die First Lady Michelle Obama spricht der Familie Brown ihr Beileid aus. Es ist nicht das erste Mal für Obama, dass er sein Beileid für einen erschossenen schwarzen Jugendlichen ausspricht. Im Februar 2012 musste der Präsident den Tod des afroamerikanischen 17-jährigen Jugendlichen Trayvon Martin beklagen. „Wenn ich einen Sohn hätte, würde er wie Trayvon aussehen“, sagte Obama


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