Die Faehlings - eine Lübecker Familie. Eckhard Lange

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Die Faehlings - eine Lübecker Familie - Eckhard Lange


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bereisen, und immer mehr neue Bürger strömen jetzt nach Lubeke, der freie Handel lockt nicht nur viele Kaufleute hierher, sondern auch die Höker und Handwerker, deren es bedarf, um alle zu versorgen. Fast alle Grundstücke, die der Rat dank seiner Privilegien in den Händen hat, sind bereits vergeben. Ihr habt selbst gesehen, wie eng die Häuser nun schon stehen.“

      „Höre ich da nicht nur Stolz, sondern auch Sorge heraus, Dietmar Faehling?“ Der König war ein aufmerksamer Zuhörer, er kannte diese Art, wie Untertanen ihre Bitten einzukleiden pflegten. „Ihr habt recht, königliche Majestät, dieses rasche Wachstum bereitet uns auch Sorgen. Doch es gibt Möglichkeiten, ihnen zu wehren, wenn Eure Majestät meinen Plänen zustimmen würden.“ „Also nennt Eure Pläne, was der Stadt nützt, werden wir gerne unterstützen.“

      Und so entwickelt Dietmar sein Vorhaben: Sowohl an der oberen wie an der unteren Trave breitet sich ein weites, versumpftes Gelände aus, denn dort tritt der Höhenrücken des Werders weit zurück, und die Straßen, die von der Breiten Straße abzweigen, sind in diesem Bereich nur kurz, enden bald am Hang, während jene, die durch das Kaufmannsviertel zum Hafen hinabführen, bis dicht an das Traveufer bebaut sind. „Könnten wir dieses Gelände trockenlegen, hätten wir für Jahre hinaus ausreichend Bauland, und außerdem würde das Bollwerk des Hafens sich um ein vielfaches verlängern lassen. Und das gilt auch für den Bereich jenseits unserer Brücke über die Trave, dort könnten die Prähme dann anlegen, die vor allem das Lüneburger Salz über die Stecknitz heranschaffen.“

      Waldemar hatte mit wachsendem Interesse zugehört. In der Tat würde Lubeke so seine wichtige Rolle als Handelsstützpunkt im Süden seines Reiches weitaus besser wahrnehmen können – und für den König bedeutete das in erster Linie, damit würden sich auch seine Einnahmen aus dieser Stadt wesentlich steigern lassen. Doch er erkannte ebenso, welchen Aufwand ein solches Vorhaben kosten würde, und so fragte er zurück: „Das ist ein hochfahrender Plan, Bürgermeister, doch wie wollt Ihr ihn in die Tat umsetzen?“

      „Es gibt zwei Dinge zu bedenken: Das eine ist – wir benötigen viele Hände für ein solches Werk, auch wenn wir es nur nach und nach verwirklichen. Das bedeutet Frondienst der Bürger über eine lange Zeit, und nur, wenn er die sonstige Arbeit in der Stadt nicht hindert, und wenn jeder einzelne sich auch einen Vorteil davon versprechen darf, wird er auch ohne großes Murren geleistet werden. Das zweite ist dies: Wir bauen dort auf dem Torf des Flusses, darum muß die Schicht darüber mächtig genug sein, um die Last auch von steinernen Häusern zu tragen. Wir werden viele Last Erdreich heranschaffen müssen, und nur ein kleiner Teil steht uns auf dem Stadthügel zur Verfügung – dort, wo nun immer häufiger Keller ausgehoben werden. Der weitaus größere Rest kann nur von den Feldern und Wiesen in der Umgebung stammen, und dazu würden wir die Zustimmung des Grafen Albrecht benötigen. Außerdem wird es nicht reichen, nur Erde aufzuschütten. Ich stelle mir vor, dass wir dort eine Art bodenlose Holzkisten versenken, dicht an dicht und miteinander verbunden, auch mehrfach übereinandergeschichtet, um den Boden stabil zu halten. Erst dann können wir diese Kisten verfüllen – übrigens auch mit allem Unrat, der in der Stadt anfällt und sowieso fortgeschafft werden müsste. Für die Kisten lässt sich sicher manche Bohle verwenden, die von den Holzhäusern stammt, die bald den Steinhäusern weichen werden. Dennoch werden wir kräftig Holz einschlagen müssen, und auch dafür brauchen wir weitere Schenkungen Eurer Majestät.“

      „Ich sehe, Ihr habt alles bereits wohldurchdacht,“ sagte der König, „und wir werden das alles mit großem Wohlwollen prüfen. Doch seid Ihr sicher, Ihr könnt das Gelände wirklich trockenlegen?“ „Das wird uns gelingen, wenn wir zunächst einen Damm errichten, der es vor jedem Hochwasser schützt, damit es dahinter austrocknen kann, ehe wir mit dem Aufschütten beginnen. Das mag ein paar Jahre dauern, und wir werden uns in Geduld fassen müssen, aber der Gewinn für die Stadt wird alle Mühe aufwiegen.“

      Der König erhob sich. „Nun gut, Dietmar Faehling. Ich werde die nötigen Anweisungen geben. Graf Albrecht soll Euch bei allen Plänen unterstützen. Doch die eigentliche Arbeit bleibt Euch und dem Rat der Stadt, und Ihr werdet damit nicht nur Freunde gewinnen. Aber Ihr habt recht: Lubeke braucht dieses Wachstum, und spätere Geschlechter werden es Euch danken.“

      *

      Der König sollte Recht behalten: Schon in der nächsten Ratssitzung, in der Dietmar seine Pläne erläuterte, erhob sich Widerspruch. Zwar sahen alle die Vorteile, die diese Landgewinnung bringen würde, doch fürchteten einige Ratmänner die Belastungen, die damit für alle Bürger verbunden waren, auch wenn Dietmar versprach, dass die Arbeiten nur jeweils an einem Wochentag ausgeführt würden, damit niemand in seinen Geschäften geschädigt werden könne. Dennoch war die Mehrheit für das Vorhaben.

      Lauter wurde der Protest schon auf der nächsten Bursprake, die wie jedes Jahr am Tage Petri Stuhlfeier stattfand. Dies war der Termin, an dem die Ratmänner ihre jährlichen Ämter antraten, während die anderen für die nächsten zwölf Monate von ihren Pflichten entbunden waren und zur ersten Handelsfahrt aufbrechen konnten. Bevor also die winterliche Ruhe zu Ende ging, versammelten sich alle Bürger auf dem Markt. Bürger war allerdings nur, wer ein Grundstück in der Stadt sein eigen nennen konnte, dort seinen festen Wohnsitz hatte und durch feierlichen Eid der Schwurgemeinschaft der Stadtbewohner beigetreten war. An diesem 22. Februar des Jahres 1205 also trug Bürgermeister Dietmar Faehling seinen Plan vor und rief alle zur Mitarbeit auf. Die meisten Fernhändler hatten keine Einwände, konnten sie doch die erwarteten Arbeiten durch einige Knechte erledigen lassen. Viele Handwerker jedoch befürchteten, dass sie selbst oder doch ihre Gesellen viele Arbeitstage verlieren würden. Ablehnende Rufe wurden laut, einer stellte die Frage, welchen Gewinn denn der einzelne davon hätte, andere hielten das ganze Vorhaben für undurchführbar.

      Dietmar gab sich alle Mühe, die Kritiker zu überzeugen, doch er hatte wenig Erfolg. Böse Zungen zischelten, der Bürgermeister wolle sich nur selbst ein Denkmal damit setzen, andere argwöhnten sogar, er würde an den neugeschaffenen Grundstücken persönlich verdienen. Doch letztlich blieb aller Protest zwecklos, der Rat hatte so beschlossen, und es war keine Angelegenheit, die der Zustimmung der Bürger bedurfte, zumal der König selbst hinter dem Plan stand. Aber der neue Bürgermeister hatte dabei einiges von seinem Ansehen verloren, das er bislang überall in der Stadt genossen hatte. Sein Sohn Reinhold, der in der Menge stand, spürte das deutlich, und es schmerzte ihn für seinen Vater, der doch nichts als der Stadt Bestes im Sinn hatte. Trotz allen Murrens – am 1. März begannen die Arbeiten an dem geplanten Damm, und alle, die dazu verpflichtet waren, erschienen mit Hacken und hölzernen Schaufeln vor der Stadtmauer, dort, wo die Grundstücke der Mengstraße endeten, um die ersten Entwässerungsgräben auszuheben, die den Straßen später ihren Namen geben sollten: 'fossa', wie der gelehrte Chronist schrieb, oder einfach 'grove', wie die Ungebildeten sagten.

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