Im Reich des silbernen Löwen III. Karl May

Читать онлайн книгу.

Im Reich des silbernen Löwen III - Karl May


Скачать книгу
ja kein Wort entgehen möge, so nahe an die Flechtwand, daß sie sich laut knisternd bewegte. Lindsay bemerkte das und fragte den Wirt:

      »Ist jemand da draußen? Ich höre ein Geräusch.«

      »Allah 'l Allah!« antwortete der Kawehdschi. »Es sind zwei fremde Männer draußen, welche Kaffee trinken; das hatte ich ganz vergessen. Ihre Pferde stehen im Hofe, so kostbare Pferde, wie ich noch keine gesehen habe.«

      »Aber doch nicht Radschi Pack?«

      »Echtes Radschi Pack! Willst du sie vielleicht sehen?«

      »Sehr gern.«

      »So will ich sie dir zeigen. Komm!«

      Sie standen auf und gingen hinaus. Ein solcher Pferdeliebhaber, wie David Lindsay war, ließ sich den Anblick echter Araber sicher nicht entgehen!

      »Sihdi, was sagst du zu diesem großen Wunder?« fragte jetzt Halef. »Unser Inglis ist da! Was für Augen wird der machen, wenn er uns erblickt!«

      Noch ehe ich antworten konnte, ertönte von der Thür her Lindsays erregte Stimme:

      »Ich muß die Männer sehen, unbedingt sehen! Den einen Sattel kenne ich, kenne ich ganz genau. In dem Pferde kann ich mich irren; aber es gleicht dem herrlichen Rih, einem Hengste, denn ich –«

      Er stockte mitten im Satze. Er war während dieser seiner Worte mit langen, eiligen Schritten, den Wirt hinter sich, durch den vorderen Raum gekommen und sah nun, an der Thüröffnung stehend, uns nebeneinander sitzen. Es ist mir unmöglich, sein Gesicht zu beschreiben, vollständig unmöglich! Er stand vor Ueberraschung starr vor uns, ohne Bewegung, wie eine Bildsäule. Sein Mund stand geöffnet; seine Augen waren weit aufgerissen, doch keine Lippe, keine Wimper zuckte.

      »Sir David,« begrüßte ich ihn, indem ich aufstand; »welcome wieder hier in der alten, lieben Dschesireh! Wer hätte das geahnt!«

      »Ja, willkommen, Mister Englishman!« ließ sich auch Halef hören, der diese beiden Ausdrücke glücklich aus seinem Gedächtnisse zusammenbrachte. Und noch einige hinzufindend, fügte er hinzu: »We are vor Freude, als wir dich kommen sahen, fast ebenso starr gewesen, wie du jetzt vor uns stehst. Kommst du direkt aus deinem native country? Oder hat Allah dich aus einem andern Lande zu uns geführt?«

      Man sah es dem kleinen Hadschi an, daß er unendlich stolz auf diese früher aufgeschnappten paar englischen Worte war. Jetzt begann Lindsay sich zu bewegen. Er trat Schritt um Schritt auf mich zu, hob die Arme empor, breitete sie auseinander und schlang sie dann um mich, ohne dabei aber ein einziges Wort zu sagen. Ich war von diesem Beweise stummer, weil größter Freude tief, sehr tief gerührt und drückte den lieben Menschen fest an mein Herz. Da löste sich der Bann; er konnte wieder sprechen. Er sagte mit dem weichsten Tone seiner Stimme:

      »Mr. Kara, Ihr seid hier, Ihr?! Ich sage Euch, dieses Wiedersehen ist mir in alle Glieder geschlagen. Ich möchte am liebsten weinen und bin doch froh, so froh! Das ist wirklich ein Schulknabenstreich, den mir mein altes Herz macht!«

      »Laßt ihm seinen Willen! Das meinige hat auch nicht übel Lust zu solchen Streichen. Ich glaube, es möchte am liebsten Rad schlagen.«

      »Das steht ihm aber auch besser an, denn es ist viel jünger als meins, dem ich eine solche Rührseligkeit gar nicht zugetraut habe. Und da ist auch Halef, der gewaltige Scheik und Tyrann der Haddedihn! Aber mit dem muß ich arabisch reden!«

      Jetzt war es eine Lust, das Gesicht des Engländers zu beobachten. Vorhin hatte seine Nase über dem weit geöffneten Munde vor Erstaunen starr emporgestanden; nun war auch in sie wieder Leben gekommen. Wie seine Augen leuchteten, seine Wangen sich belebten und das Spiel seiner Mienen in reichem Wechsel arbeitete, so bekam auch sie wieder Farbe, und so zeigte auch sie jetzt eine Munterkeit der Bewegung, welche jeden, der so etwas noch nicht gesehen hatte, in lachendes Erstaunen setzen mußte. Sprach er mit Halef, so neigte auch sie sich der Seite zu, auf welcher der Hadschi stand; wendete er sich zu mir, so schwenkte sie auch nach mir herüber. Lachte er, so geriet sie in heitere Zuckungen, und gab er seiner Freude einen sinnig ernsten Ausdruck, so stand sie andächtig lauschend still. Der Wirt, welcher dieser Scene beiwohnte, hatte keinen Blick für uns, sondern seine Augen nur für diese wunderbare Nase, welche mit den Gedanken und Gefühlen ihres Besitzers stets vollständig übereinstimmte und nicht, wie andere Nasen, sich erlaubte, zuweilen eigenmächtige Stimmungen oder gar katarrhalische Besonderheiten zu haben. Nur damals, als sie an der Aleppobeule laborierte, hatte sie sich gegen seinen Willen eine Extravaganz erlaubt, die ihr aber auch nicht gut bekommen war und zur Strafe ein für das ganze Leben bleibendes Andenken zurückgelassen hatte.

      Während der ersten Aufregung des Wiedersehens waren die Eigenheiten des Lords nicht hervorgetreten, doch sobald er sein inneres Gleichgewicht nur einigermaßen wiedergefunden hatte, machte sich zunächst seine abrupte Ausdrucksweise geltend. Wir hatten uns noch nicht wieder niedergesetzt, als er in derselben zu mir sagte:

      »Ist eigentlich ein Festtag, ein großer Festtag heut. Möchte einen Vorschlag machen.«

      »Welchen?« fragte ich, nun auch kurz.

      »Müssen ihn feiern, unbedingt feiern.«

      »Wodurch?«

      »Durch einen Willkommentrunk.«

      »Hier? Wo man nichts bekommen kann!«

      »Nichts? Ist großer Irrtum. Habe einen Gedanken, einen famosen Gedanken!«

      »Den möchte ich hören!«

      »Entweder Grog oder Punsch. Arak ist da, Wasser, Zucker und Feuer auch. Citronen wird der Wirt dazu schaffen können. Einverstanden?«

      »Ja, doch nur unter der Bedingung, daß wir ihn selber brauen!«

      »Natürlich! Werde den Koch machen. Habe an der einen Bazzaka genug gehabt; mag keine wieder. Habt es wohl gesehen?«

      »Ja.«

      »Und mich ausgelacht?«

      »Ein wenig.«

      »Pfui! War schauderhaft! Werde lebenslang daran denken. Nun aber der Punsch!«

      Er wendete sich zu dem Wirte und erfuhr, daß er alle zu dem gewünschten Getränke nötigen Bestandteile haben könne und auch selbst kochen dürfe. Es war eigentlich eine kühne Idee, hier im Süden einen Grog brauen zu wollen, aber sie wurde ausgeführt. Während Lindsay sich als Küchenchef in seiner vollen Glorie zeigte und der Somali ihm die dabei nötigen Handreichungen leistete, sah der Wirt, auf seinem Kissen sitzend, ihm mit fachmännischer Neugierde zu. Ich betrachtete seine Hände und bemerkte da freilich einen Ring. Er war von Silber und die Platte schien auch wirklich achteckig zu sein; genau konnte ich es aus der Entfernung nicht erkennen; ich mußte auf eine Gelegenheit warten, der Hand näher zu kommen.

      Als der Grog fertig war, gab es keine Gläser. Da stand Kahwedschi auf, um andere passende Gefäße herauszugeben. Er brachte thönerne Becher aus einem Kasten, und ich trat schnell hin, sie ihm abzunehmen. Ich konnte dabei den Ring unauffällig betrachten. Ja, die Platte hatte acht Ecken und trug die bekannten Zeichen, ein Sa mit einem Lam verbunden, worüber das Verdoppelungszeichen stand. Der Mann gehörte also der geheimen Gesellschaft an; er war ein Sill.

      Das Getränk war dem Lord vortrefflich gelungen; er bot in seiner freigebigen Weise dem Wirte und dem Somali auch ihr Teil, und als er sah, wie entzückt sie von dem ihnen bisher unbekannten Labsal waren, erlaubte er ihnen, sich auf seine Rechnung eine neue Auflage zu bereiten; wie es gemacht wurde, hatten sie ja gesehen. Wir aber begaben uns, um von etwa jetzt kommenden Gästen nicht gestört zu werden, wieder in die kleine, abgesonderte Stube. Sobald wir dort beisammen saßen, that Lindsay einen tiefen Zug aus seinem Becher und sagte, zu meiner Genugthuung in arabischer Sprache, doch auch in seiner kurzen Weise, die ich deutsch wiederzugeben suche:

      »Muß Euch zunächst ein Rätsel aufgeben. Wollt ihr raten?«

      »Ich nicht,« antwortete Halef schnell.

      »Warum nicht?«

      »Weil Allah mir die Vorzüge meines Geistes und die


Скачать книгу