Behauptungen und Fragen. Edwin Gräupl

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Behauptungen und Fragen - Edwin Gräupl


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große Fortschritt der Naturwissenschaften seit Galilei ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass man die Methode des reproduzierbaren Experiments (mit der ihm wesentlich zugehörigen Überprüfung) eingeführt hat.

      Ein Naturwissenschaftler muss also berichten, wie er sein Experiment aufgebaut und was er damit gemessen hat. Die wissenschaftliche Welt (scientific community) hat dann die Aufgabe, das Experiment nachzubauen und festzustellen, ob dasselbe Ergebnis reproduzierbar ist.

      Damit ist die Welt der Wissenschaft auf einen Teilaspekt des Wirklichen eingeengt, dafür aber sind dort viele Erkenntnisse zu gewinnen (so weit das nach Karl Popper auch überhaupt möglich sein mag).

      Alle Ereignisse, die nicht reproduzierbar sind, sind aus der Wissenschaft ausgeschlossen. Wenn wir also annehmen, dass ein Engel einem Menschen eine Botschaft gebracht haben sollte, die seinem Leben einen Sinn verleiht, dann ist das nicht reproduzierbar, nicht überprüfbar und damit nicht Gegenstand der Wissenschaft.

      Da nun sinnstiftende Erlebnisse (leider) nicht reproduzierbar sind, fallen sie aus dem diskutierbaren Rahmen. Ein "Wunder" (nicht reproduzierbar!) ist nicht Teil der wissenschaftlichen Welt!

      Das wäre nun nicht weiter tragisch, wenn man die (methodisch sinnvolle) Reduktion und Einengung des Begriffs der naturwissenschaftlichen Wirklichkeit nicht mit dem Begriff der "Wirklichkeit" schlechthin verwechseln würde.

      Also, Experimente liefern interpersonal falsifizierbares Wissen, Wunder dagegen einmaligen und persönlichen Sinn!

      „The Proxy Intelligence“ von A.E. van Vogt

      In dieser Erzählung entwickelt der Autor zwei faszinierende Konzepte. Einmal geht es um die Steigerung der Intelligenz. Dabei geht er nicht den Weg der Erhöhung bekannter Eigenschaften (mehr Merkfähigkeit, raschere Verarbeitung usw.), sondern er führt als klassifizierende Elemente höherer Intelligenz neue Dimensionen (Wahrnehmung entfernt stattfindender Ereignisse, Präkognition usw.) ein. Damit deutet er eine offene Dimension möglicher Entwicklungen an, die über das Quantitave hinaus wesentlich qualitativer Natur sind.

      Die andere Idee ist wohl nur vor dem Hintergrund seiner Heimat in einer mennonitischen Gemeinde wirklich verständlich: Ein absolut unbedarfter und unterdrückter "Underdog" wird (zeitweise) zum "Großen Galaktiker" (mit überlegenen Fähigkeiten) durch die Tatsache, dass ihm viele Menschen dadurch, dass sie ihn misshandelten oder ihm etwas genommen haben, etwas schulden. Dieses transzendentale Konto wird ausgeglichen, die "Energie" seiner Schuldner auf ihn übertragen und er dadurch befähigt, in aussichtsloser Lage Alles zu retten.

      Dies sind Ideen, die vor dem Hintergrund der Evangelien (Bergpredigt und Auferstehung) eine Welt konzipieren, die man einem "ungebildeten" Amerikaner und "Trivialautor" im "gebildeten" Europa üblicherweise (und politisch korrekt) nicht abnimmt.

      Washington Irving

      In seinem Roman über Christof Columbus erzählt Irving die Geschichte vom klugen Columbus, der weiß, dass die Erde eine Kugel ist, während seine dummen (katholischen) Gegner glauben, dass die Erde eine Scheibe sei.

      Obwohl niemals der geringste Zweifel bei historisch gebildeten Personen bestehen konnte, dass seit der Antike praktisch alle Gelehrten - während des ganzen Mittelalters - die Erde für eine Kugel hielten, setzte sich Washington Irvings Mythos durch. Die Geschichte war einfach zu gut, als dass man sie hätte aufgeben wollen. Daran konnte kein Bild eines römischen Kaisers etwas ändern, der den Reichsapfel (=Erdkugel) in der Hand hält.

      Auch in seinen "Tales of the Alhambra" bewährte er sich als Erzeuger einer fiktiven Realität, die bis zum heutigen Tag überall für wahr gehalten wird. Seine Darstellung eines toleranten Islam fand begeisterten Anklang bei allen Kirchenkritikern. Die jüdische Autorin Bat Ye'or hat in "Der Niedergang des orientalischen Christentums unter dem Islam" dazu Wesentliches geschrieben, das natürlich niemals mehr Irvings Konstrukt verändern kann.

      Dmitri Sergejewitsch Mereschkowski

      In seinem Roman "Leonardo da Vinci" zeigte er sehr schön jene Seite der Renaissance, die üblicherweise undiskutiert bleibt, nämlich ihre Vorliebe für Magie und neuplatonische Spekulation. Wiewohl das Werk in hoher Auflage verbreitet und auch von prominenten Autoren (Thomas Mann ) gern gelesen wurde, hat es - ganz im Gegensatz zu Irvings "Columbus" keine Spur in der veröffentlichten Meinung hinterlassen. Nach wie vor halten Journalisten das Rinascimento für eine Hochzeit der reinen Naturwissenschaft und aufgeklärten Vernunft. Dass Marsilio Ficino im Auftrag Cosimo de Medicis zuerst als Wesentlichstes das Corpus Hermeticum und nicht etwa mathematische Schriften übersetzt hat ist ihnen genau so unbekannt wie sein Name.

      Wer diese Zeit kennen lernen will, muss Autoren wie Agrippa von Nettesheim, Trithemius oder Pico della Mirandola lesen. Er wird sich wundern!

      Entropie und Ehrlichkeit

      Ludwig Boltzmann leitete aus den klassischen mechanischen Grundgleichungen seine statistische Theorie der Wärmelehre her. Berühmt ist seine Formel für die Entropie als Logarithmus der statistischen Wahrscheinlichkeit. Bekanntlich kann die Entropie in abgeschlossenen Systemen nicht abnehmen. Damit bekommt der Zeitablauf eine Richtung (von der kleineren zur größeren Entropie). Das stimmt mit allen Experimenten überein.

      Leider gibt es eine offene Frage. Die zugrunde liegende Newtonsche Mechanik ist invariant gegen Zeitumkehr, jeder mechanische Vorgang ist zeitlich umgekehrt (zurücklaufender Film) genau so gut möglich. Wie kann daraus dann der 2. Hauptsatz der Wärmelehre über die Entropie folgen? Lehrbücher der theoretischen Physik pflegen diese Frage meist schamhaft zu verschweigen. Ferdinand Cap sagte in seinen Vorlesungen in Innsbruck, dass Boltzmann seine fundamentale Gleichung (in guter Absicht und um sie lösbar zu machen) vereinfacht hat, wodurch er (ohne dass er das gewollt hätte) die Richtung des Zeitablaufes "eingeschmuggelt" habe. Dieses ärgerliche Problem liegt seit hundert Jahren ungelöst vor. Skandalös ist nur, dass darauf so wenig hingewiesen wird, dass der durchschnittliche Physiker, der nicht Spezialist in diesem Gebiet ist, nicht einmal weiß, dass eine ungelöste Frage vorliegt. Nicht einmal die wertvollen Publikationen des Nobelpreisträgers Ilia Prigogine haben daran etwas geändert.

      Fortschritt

      Die veröffentlichte Meinung huldigt dem Fortschrittspessimismus. Ich bin anderer Meinung. Wer noch eine Waschküche erlebt hat, weiß den Fortschritt einer Waschmaschine und ihre befreiende Wirkung für viele Frauen zu schätzen. Wie großartig ist ein Kühlschrank, der erst seit 1955 erschwinglich geworden ist; wer es nicht glauben will: Milch wird ohne Kühlschrank im Sommer sauer, Butter schmilzt, Wurst verdirbt.

      Die List jener Geräte, die das tägliche Leben seit 50 Jahren erleichtert haben, kann noch lange fortgesetzt werden. Ein anderes Thema: Der medizintechnische Fortschritt! Der Graue Star (Katarakt) wird heute in einer Operation mit kurzem Klinikaufenthalt operiert; die Sehkraft ist wieder da, keine "Starbrille" (ein Monster mit zentimeterdicken Gläsern) ist mehr notwendig. Ich möchte nicht ermüdend werden, es bleibt festzustellen, dass das Leben heute unendlich bequemer (und auch viele Jahre länger!) geworden ist, als es noch vor 60 Jahren war!

      Römisch-katholische Kirche

      Im täglichen Wirbel werden wesentliche Aspekte (auch von der Kirche selbst) übersehen. Unbestritten sollte es sein, dass die zentrale und unverzichtbare Aufgabe der Kirche darin besteht, den Auferstandenen zu verkündigen (siehe Römer 10,9). "Moral" zu predigen ist bestenfalls sekundär.

      Die römische Kirche ist aber auch eine Institution dieser Welt, nämlich die einzige, die ununterbrochen seit der Antike existiert. In ihr haben sich Traditionen (besonders der Spätantike) erhalten, wenn sie auch natürlich immer wieder der Zeit entsprechend transformiert wurden. So gesehen ist die römische


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