re:publica Reader 2014 - Tag 1. re:publica GmbH

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re:publica Reader 2014 - Tag 1 - re:publica GmbH


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Geschichte müsse in jeder Stadt weiterleben, sagt er. Besonders an solchen Orten.

      Seit knapp fünf Jahren arbeitet Stemmer als Fotograf. Zuvor studierte er in St. Petersburg Biologie. Bis er merkte, dass er sein Hobby zum Beruf machen wollte. Seitdem konzentriert er sich auf die Fotografie. Auch auf der re:publica durfte er einige seiner Bilder ausstellen. "Das macht mich stolz", sagt Stemmer. In der Landschaftsfotografie muss man manchmal lange auf den richtigen Moment warten. In der Nähe von St. Petersburg, sagt er, habe er wochenlang auf gutes Wetter gehofft. "Dann kam endlich eines Tages etwas Sonne raus, und da bin ich sofort in den Wald gefahren und habe die Fotos gemacht."

      Mit seinem Vortrag möchte Stemmer die Menschen darauf aufmerksam machen, auch auf die unscheinbaren Orte zu blicken. Die Orte, die ganz nah an den Menschen sind und nicht kilometerweit entfernt. Überall finde man einen anderen Blickwinkel.

      INTO THE WILD

      Weltuntergang absagen

      Angst vor der globalen Auslöschung hat Annalee Newitz nicht. Schließlich hat die Menschheit seit jeher ihr Schicksal selbst in die Hand genommen. Die Zukunft ist wild und unbeschrieben - wenn wir es so wollen.

      Speaker: Annalee Newitz

       Text: Rabea Zühlke

      Die Wirtschaftsjournalistin und Buchautorin Annalee Newitz trotzt dem Weltuntergang. Obwohl die Gletscher schmelzen, der Meeresspiegel steigt und Meteoriten unseren Planeten zu zerstören drohen, blickt Newitz in ihrem Vortrag optimistisch der Zukunft entgegen.

      "Kein Grund zur Sorge", sagt Newitz. "Wir haben so lang überlebt, weil wir unser Schicksal stets selbst in die Hand genommen haben." In ihrem neuen Buch Scatter, Adapt, and Remember – How Humans Will Survive A Mass Extinction erklärt die Journalistin, die sich normalerweise auf ihrem Blog io9 mit Pop-, Sci-Fi- und Nerdkultur beschäftigt, wie die Menschen eine mögliche Auslöschung überleben werden.

      Das wohl größte Massensterben unserer Geschichte geschah vor circa 64 Millionen Jahren mit dem Aussterben der Dinosaurier. Dabei verendeten über 75 Prozent aller Tiere der Welt. "Doch ein paar überlebten", sagt Newitz. "Im Gegensatz zu anderen Lebewesen zeigte sich der Lystrosaurus als großartiger Überlebenskünstler." Als nichts anderes mehr zu finden war, ernährte sich die große Eidechse ausschließlich von Wurzeln. Er passte sich seiner Umgebung an.

      Was können wir davon lernen? "Viel, denn wir sind dem Lystrasaurus ähnlich", sagt Newitz. "Auch wir haben eine große Population, sind wandlungsfähig und können uns anpassen. Auch essen können wir alles – sogar Müll." So können die Menschen sich verändern und damit ihr Überleben sichern.

      Aber nicht nur wir, auch unsere Städte, unsere Industrie und unsere Energien müssen sich anpassen. "Wir müssen mit unserer Umwelt leben und mit deren Materialien bauen", sagt Newitz. Nur so könne es "biologische Städte" geben, in der wir in Zukunft leben können. "Biologische Städte" – damit meint Newitz Häuser, die in den Bäumen integriert sind, oder in Felsen gebaut werden. "Das sichert unser Überleben", sagt die Wissenschaftlerin.

      Trotz allem blickt Newitz nicht einfach naiv in eine rosige Zukunft. "Ich bin eher ein pragmatischer Optimist", sagt sie. "Das ist eine Vision, für die wir auch viel tun müssen". Von alleine entwickle sich das nicht. "Überleben werden wir so oder so, aber die Frage ist wie – entweder in Städten, die an die Natur angepasst sind, oder in schrecklich improvisierten Bunkern."

      Die Menschheit besteht aus Machern, Entwicklern und Erfindern. Wenn wir wollen, dann können wir überleben. "Die Zukunft liegt in unseren Händen", sagt Newitz.

      INTO THE WILD

      "Alles ist so dystopisch"

      In seinem Vortrag "Escaping Dystopism" mosert Falk Gärtner nicht über eine Gesellschaft, die sich bloß zum Negativen entwickelt, sondern präsentiert Visionen für einen bessere Zukunft.

      Interview mit: Falk Gärtner

      In der Zukunftsvision von Falk Gärtner gibt es Hochhäuser mit Minigärten, die man vom Fenster aus bewässern kann, Zeppeline, die Waren transportieren und Roboter, die unsere Klos putzen. Er möchte die Zukunft "am System vorbei" gestalten und träumt von einer Gesellschaft ohne Geld, von einer Welt ohne Banken, von unabhängigen, freien Menschen. Schreckensszenarien und Weltuntergangshysterie liegen ihm nicht. Im Gegenteil: Gärtner möchte die Menschen dazu auffordern, eben nicht den Science-Fiction-Dystopien im Kino zu folgen, sondern der Zukunft auf unserem Planeten positiv entgegenzugehen. Auf der re:publica 2014 präsentiert er seine Ideen von einer lebenswerten Zukunft und behandelt dabei die Bereiche Ernährung, Wohnen, Mobilität und Finanzen.

       Im Interview erzählt Falk Gärtner, warum ihm das Thema Nachhaltigkeit am Herzen liegt und was er selbst für eine "bessere Welt" tut.

      Wie bist du auf "Escaping Dystopism" gekommen? Zusammen mit Stephan Güthoff habe ich vor sieben Jahren das Projekt "Radio Prototypen" gestartet. Wir fingen an, Podcasts zu machen, die vor allem gesellschaftliche Fragen behandeln. Wir suchten im Netz nach Themen wie mobiles Wohnen, nach Selbstversorgern, Do-it-yourself-Anleitungen und Tauschplattformen. So entstand mein Interesse an dem Thema.

      Ist das Projekt noch aktuell? Wir haben in letzter Zeit immer weniger gemacht und das Projekt langsam auslaufen lassen. Der letzte Podcast war im Dezember.

      Wieso bist du zur re:publica gekommen? Freunde haben mich gefragt, ob ich etwas beitragen möchte zum Thema "positive Zukunft". Die wussten, dass ich Experte in dem Bereich bin. Einen Tag vor der Deadline hatte ich mich dann entschieden.

      Was ist dein persönlicher Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit? Hast du einen kleinen Garten auf deinem Dach? Um die Zukunftsvision umzusetzen, die ich mir vorstelle, hatte ich überlegt, was ich machen könnte. Ich habe mir dann ein großes Grundstück bei Berlin gekauft, um darauf einen Waldgarten zu errichten. Mit dem Windpark daneben sieht das aus wie auf einem anderen Planeten. Das wird ein langjähriges Projekt. Im Moment stehen da nur drei, vier Apfelbäume und Reste von einem unproduktiven Nadelwald – wir haben letztes Jahr erst angefangen. Irgendwann möchte ich da mal ein Haus draufbauen.

      Was machst du noch so, um die Umwelt zu schonen? Ich bin Vegetarier, fast Veganer, das sehe ich aber nicht so streng und esse zum Beispiel weiterhin Honig. Ich versuche lokale Lebensmittel zu kaufen, alternativ zu heizen, Energie zu sparen.

      Was ist dein Beruf? Ich arbeite freiberuflich als Visual Effects Supervisor und mache digitale Effekte für Filme und Werbespots. Ich habe zum Beispiel beim Film Cloud Atlas mitgemacht. Die Beschäftigung mit Orten, die es nicht gibt, hat mich sicher auch inspiriert zu dem Gedanken, eigene Welten zu kreieren.

      Was stört dich an unserer Gesellschaft besonders? Ich mag die Einstellung der Menschen nicht, dass sich diese Welt eh schon zerstört und man da sowieso nichts mehr dagegen machen kann. Nach dem Motto: Wenn alles kaputt ist, können wir ja noch mehr kaputt machen. Alles ist so dystopisch. Die meisten Menschen unterschreiben immer nur Dinge gegen irgendwas und demonstrieren gegen etwas. Es gibt wenig Menschen, die eine Vision haben und mal für etwas kämpfen.

      Woran liegt das? Wahrscheinlich ist es für die meisten bequemer, gegen etwas zu sein, als die eigene Fantasie anzustrengen, um etwas zu verändern.

       Die Fragen stellte Jana Felgenhauer

      INTO THE WILD

      "Es kommt immer auf den Content an"

      Kai Diekmann, Rauschebart, blaues Jackett, ist zur Eröffnung der re:publica gekommen. Nach zwei Stunden ist er schon wieder auf dem Rückweg ins Springer-Hochhaus. Zeit für ein paar schnelle Fragen hat er noch.

      Interview mit: Kai Diekmann

      Was erzählen Sie heute Abend Ihrer Frau über den Vormittag auf der re:publica? Ich werde Ihr erzählen, dass ich in der Kaffee-Schlange stand und gefragt wurde, ob ich der Mann von Katja Kessler


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