Der ungeliebte Mann. Ханс Фаллада

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Der ungeliebte Mann - Ханс Фаллада


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beiden andern heraufkommen. Natürlich streiten sie schon wieder. Lola möchte, daß Traute mit ins Dorf kommt, Traute aber verspricht der Lola ihre in Goldpapier gewickelten Pralinen, wenn sie heute abend zu Hause bleibt. Sie, Traute, graule sich so allein mit dem blinden, angetrunkenen Mann im Hause. Lola findet Traute blöd und langweilig, und Traute sagt dafür zu Lola, daß sie sich immer nur mit Männern herumtreiben wolle …

      Aber ganz ohne Begegnung kam Ilse doch nicht aus dem Haus: Auf dem Hof steht Herr Siebenhaar und krault der Hündin Bella die Kehle.

      Herr Siebenhaar richtete die blinden Augen auf Ilse, als sie aus dem Hause tritt und fragte: »Bist du das, Traute?«

      »Nein, ich bin’s bloß, Herr Siebenhaar, die Ilse.«

      »›Bloß‹ solltest du auch nicht sagen, Ilse. Du bist nicht weniger als die Traute. Niemand soll von sich selbst ›bloß‹ sagen – bloß ein Blinder …«

      Er starrte sie tot an, mit zitternder Lippe.

      Nein, er hatte wohl nicht mehr getrunken, aber er scheint weinerlich-redselig geworden. Ilse stand mit zorniger Ungeduld neben ihm, jetzt hatte sie es brandeilig, ins Städtchen zu kommen.

      »Ist es schon spät, Ilse?«

      Herr Siebenhaar kann sich nicht in der ewigen Nacht zurechtfinden, in der er nun lebt. Er verwechselt ständig die Uhrzeiten. Manchmal stört er um drei in der Nacht die Mädchen aus dem Schlaf, es müsse doch schon seit Stunden Aufstehzeit sein …

      »Gleich neun Uhr, Herr Siebenhaar«, sagt Ilse und sieht mit Abneigung auf ihren Brotherrn. Wie ungepflegt er wieder aussieht, beim Rasieren hat er die Hälfte der Stoppeln stehen lassen! Ach Gott, daß sie aus alldem erst heraus wäre! Sich immerzu mit Männern plagen, die einen nichts angehen, war zu langweilig!

      ›Du willst ja sogar einen Mann heiraten, den du nicht ausstehen kannst!‹ spricht eine mahnende Stimme in ihr.

      Aber Ilse beachtet diese Stimme nicht, Ilse will jetzt fort von hier. Sie hat Feierabend, sie hat es nicht mehr nötig, auf das Geschwätz ihres Chefs zu horchen, der Dienst ist zu Ende, und sie hat Eile! Darum hat sie ihm ja auch eine falsche Uhrzeit gesagt, denn es ist gerade erst acht Uhr – aus so etwas macht sie sich kein Gewissen.

      »Du hättest wohl keine Lust, mit mir und der Bella noch einen kleinen Spaziergang durch die Felder zu machen?« fragt der Blinde zaghaft. Und setzt entschuldigend hinzu: »Die Bella ist heute den ganzen Tag noch nicht herausgekommen. Dann ist sie immer so wild hinter jeder Katze und hinter jedem Kaninchen her und läßt mich irgendwo stehen, wo ich nicht wieder nach Haus finde …«

      »Tut mir leid, Herr Siebenhaar«, sagt Ilse kurz. »Ich muß nach Berga, ich habe eine wichtige Verabredung.«

      »Geh! Geh!« sagt Herr Siebenhaar ganz friedlich. »Ich will dich doch nicht aufhalten, Ilse. Vielleicht mag eine von den beiden andern mit mir gehen.«

      »Lola will noch ins Dorf«, erklärt Ilse völlig ungerührt. »Und Traute ist todmüde und will gleich ins Bett. Verderben Sie den beiden bloß ihren Abend nicht, Herr Siebenhaar! Am besten legen Sie sich gleich hin – Sie haben heute früh schon vor vier im Haus spektakelt, Sie müssen ja müde sein!«

      Damit läßt sie ihren Arbeitgeber stehen und macht sich auf den Weg ins Städtchen, ohne sich weiter Gedanken wegen seiner Gefühle zu machen.

      8

      Erich Mutzbach, ein junger, lediger Mann von immerhin schon neunundzwanzig Jahren, war der einzige Einwohner des Städtchens Berga, der sich eines möblierten Zimmers mit separatem Eingang rühmen durfte. Kamen Bergas Bürger auf diesen Umstand zu sprechen, so sagten sie entweder tadelnd oder schmunzelnd: »Da ist Witwe Timms Zimmer wenigstens an den Rechten gekommen! Einrosten läßt der die Tür bestimmt nicht!«

      Aber da von seinen vielen Mädelgeschichten nie etwas über den gegen die Alten verschworenen Kreis der Jugend hinausdrang, lächelten auch die Frauen nur und sagten: »Jugend will sich eben austoben! Es wird schon so schlimm nicht sein mit dem Herrn Mutzbach, man muß auch nicht alles glauben, was die Leute reden! Er sieht doch immer so adrett angezogen aus und hat diese frische Gesichtsfarbe – nein, liederliche Männer, dafür haben wir andere Beispiele hier in Berga!«

      Ilse Voß war nicht mehr ganz so überzeugt von der Solidität des Erich Mutzbach, aber immerhin galt ihr erster Weg in Berga ihm. Sie kannte den separaten Eingang, so stieg sie über den Kirchberg, sah sich einen Augenblick auf dem fast dunklen Kirchplatz um und stieß dann rasch die Lattentür zum Gemüsegarten der Witwe Timm auf. Sie ging zwischen den Johannisbeerbüschen durch – gottlob brannte hinter seinen Fenstern Licht, meistens war er abends unterwegs – und klopfte leise gegen die Hintertür des Hauses.

      Sie mußte aber noch ein paarmal und sehr viel lauter klopfen, ehe es sich in Erichs Stube rührte. Dann ging auch nicht die Tür, sondern ein Fenster auf, Erichs dunkler Kopf erschien, und recht mürrisch fragte er: »Was ist denn nun noch los?! Ich gehe ins Bett!«

      »Ich bin’s, die Itta!« sagte Ilse leise.

      »Aber da staunt man doch!« rief Erich Mutzbach, etwas belebter, aber nicht sehr. »Wahrhaftig, die Itta! Mit dir haben wir ja lange nicht die Ehre gehabt, mein Mädchen! – Am Sonntag war mir’s so, als hätte ich dich mit dem langen Laban von Raiffeisen beim Zuckerbäcker tanzen gesehen, aber wer natürlich keine Augen für mich hatte, das war Itta, die Treulose!«

      »Du hättest schon einen Tanz von mir haben können, wenn du nur Augen für mich gehabt hättest, Erich«, sagte Itta wiederum sehr leise. »Aber das ist jetzt egal – wir haben uns beide nichts vorzuwerfen! – Erich, ich hätte dich gerne einen Augenblick gesprochen – mach mir bitte die Tür auf!«

      »Muß das denn mitten in der Nacht sein?!« klagte er. »Wirklich, Itta, ich bin todmüde, und ich habe einen rasenden Kopfschmerz. Die ganze letzte Nacht habe ich durchgebummelt – das heißt, wir haben in der Bahnhofswirtschaft Skat gedroschen …

      Ich verspreche dir heilig, ich komme morgen in der Mittagspause zu dir nach Lenzen hinaus – wenn es wirklich so dringend ist …«

      »Es ist so dringend, Erich, daß es unbedingt jetzt sein muß!« forderte Ilse entschlossen. »Deine heiligen Versprechen kenn ich, ich würde morgen mittag umsonst auf dich warten!«

      »Ich gebe dir mein großes Ehrenwort, Itta …«

      »Auch deine Ehrenwörter kenn ich – bei Mädchen hältst du sie bestimmt nicht. Vielleicht bei Männern, ich weiß das nicht …«

      »Also kurz und gut, Itta, ich will jetzt ins Bett und bin nicht mehr zu sprechen!«

      Mit diesen recht giftig gesprochenen Worten machte sich Erich Mutzbach daran, das Fenster zu schließen. Doch da stand Ilse Voß schon auf einer Spalierlatte, lehnte einen Arm auf die Fensterbrüstung und faßte mit dem anderen nach seiner Hand.

      »Du wirst jetzt mit mir sprechen, Erich!« flüsterte sie drohend. »Oder ich mache Krach, ich schlage dir die Scheiben ein!«

      Seine Hände legten sich gegen ihre Schultern. Einen Augenblick sah es so aus, als wollte er sie von der Spalierlatte hinunter in den Garten drücken (was ihm wenig genutzt hätte, denn Ilse war fest entschlossen zu tun, womit sie ihm gedroht hatte) – dann glitten seine Hände von den Schultern ab und legten sich auf ihre Brust.

      »Itta!« sagte er fast schmeichelnd. »Itta! Immer noch mit dem Kopf durch die Wand, immer noch das alte Temperament?! Nun, wenn es so dringend ist, bin ich natürlich sofort bei dir!«

      Es dauerte lange, bis die Haustür in den Garten sich öffnete, es dauerte so lange, daß Ilse schon fest entschlossen war, wieder auf das Spalier zu klettern und gegen die Scheiben zu klopfen. Aber dann kam er. Er hatte sich, trotz der Dunkelheit erkannte es Ilse, seinen blauweiß gestreiften Bademantel übergezogen, also war er wohl schon ausgezogen gewesen. Ihre Lippen schlossen sich fest, und das Kinn schob sie vor – oh, sie hatte eine Wut auf ihn, Wut mit tiefer Verachtung gemischt …

      Schweigend sah sie ihm zu, wie er sorgfältig den separaten Eingang


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