C'est la vie. Christina Geiselhart

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C'est la vie - Christina Geiselhart


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      Der kleine Eberhard

      Dies ist kein Märchen

      Es war einmal ein fleißiges Ehepaar. Hanna und Bernd, er achtunddreißig, sie dreiunddreißig Jahre alt. Seit vielen Jahren übten sie brav ihren Beruf aus, er als Dachdecker, sie als Postbeamtin. Sie begnügten sich mit einem kleinen Auto, kauften im billigsten Supermarkt ein, verzichteten auf hübsche Kleidung und unnötige Dekoration ihrer Mietwohnung. Hingegen sparten sie emsig Geld für ein Eigenheim. Es war in den Siebzigerjahren und die Welt war noch in Ordnung. Bald hatten sie eine kleine Summe beisammen, jedoch reichte sie längst nicht für einen Hauskauf. Da sie ordentliche Menschen mit etwas Eigenkapital waren, genehmigte ihnen die Bank einen Kredit mit einer Laufzeit von dreißig Jahren. Und so kauften sie schon bald ein freundliches Häuschen mit Garten und richteten es bescheiden ein.

      Hannas Wunsch nach einem Kind wurde nun besonders stark. Leider erfüllte er sich vorerst nicht und so saßen sie an manchen Sonntagnachmittagen auf der Terrasse, redeten wenig, aber sahen traurig auf die leere Schaukel, die kleine Rutsche und den Sandkasten. Auf all die Dinge, die sie sofort in Angriff genommen hatten, kaum waren sie eingezogen.

      »Wir dürfen nicht undankbar sein!«, sagte manchmal Bernd. »Es geht uns gut. Wir haben ein Dach, zu Essen und gute Nachbarn, die uns zum Grillen einladen.«

      »Ja, aber ohne ein Kind ist das Leben eben nur halb so schön!«, antwortete Hanna und senkte den Blick.

      »Du hast recht!«, flüsterte Bernd und senkte ebenfalls den Blick.

      Einige Jahre später, an einem schönen Frühlingsmorgen, wachte Hanna von den Sonnenstrahlen auf, die ihr Gesicht kitzelten. Bernd hatte die Läden hochgelassen und das Fenster weit geöffnet, denn es war schon zehn Uhr. Etwas mürrisch setzte Hanna sich im Bett auf, sog den Duft nach Kaffee ein, der durchs Haus zog, blickte auf den sonnendurchfluteten Garten, den blauen Himmel, der durch die Zweige ihres Mirabellenbaumes zu sehen war, und flüsterte voller Hingabe: »Ach, lieber Gott, ich glaube an dich, weil es ohne dich all die schönen Dinge, die ich sehe, nicht geben kann. Das weiß ich mit Sicherheit. Lieber Gott, verschließ deine Ohren nicht mehr vor meinem Wunsch. Nimm deine Ohrenstöpsel heraus und höre mein Flehen: Ich wünsche mir ein Kind, egal ob Junge oder Mädchen, mit Augen so blau wie der Himmel über mir, einer Haut so klar und gesund wie die Sonne an diesem Morgen und Haaren so dunkel wie der Kaffee, den mir mein lieber Mann kocht. Erfüllst du mir endlich diesen Wunsch? Ich bin jetzt achtunddreißig und es wird Zeit, dass es fruchtet. Bernd tut, was er kann, nur du lässt uns im Stich. Das ist nicht fair, denn seit Generationen glauben wir an dich, geben sogar Opfergeld, obwohl Bernd eine grausam hohe Summe an den Staat zahlt, der ja gar nicht an dich glaubt, guter Gott.«

      Den letzten Satz schrie Hanna qualvoll hinaus, so dass Bernd erschrocken herbeigeeilt kam. »Liebes, was ist los?«

      »Husch, husch, lieber Mann, komm zu mir. Du musst auf der Stelle mit mir schlafen, denn ich habe ein unbändiges heißes Verlangen. Du musst es stillen, damit es fruchtet.« Sie strampelte die Decke weg und erwartete ihn mit angewinkelten, gespreizten Beinen.

      Und tatsächlich: Zum ersten Mal nach Jahren fiel der Schwangerschaftstest positiv aus. Und Hanna hatte nichts weiter getan, als dem lieben Gott die Leviten zu lesen und ihren Mann zu einem besonders heißen Beischlaf anzustacheln. War das nicht sonderbar? Jahrelang hatten sie sich zu jeder erdenklichen Tageszeit aufeinander gestürzt, war Bernd in der Mittagspause zu seiner Hanna geeilt, die ebenfalls während der Mittagspause das Postamt verlassen hatte und mit gespreizten Beinen wartete. Immer Hektik, Spannung, Aufregung und dann nichts. Doch diesmal hatten sie es geschafft und die Freude war unbeschreiblich.

      Jeden Tag, kaum von der Arbeit zurück, zimmerte Bernd an der Wiege. Er lehnte es ab, eine zu kaufen, denn für das sehnlichst erwartete Kind sollte nichts von der Stange sein.

      Hanna ihrerseits hätte gerne Kinderklamotten genäht oder gestrickt, aber von Schneiderei hatte sie nicht den geringsten Schimmer und Stricken hatten sie nie gelernt. Dafür ging sie täglich nach Arbeitsschluss im Kaufhaus in die Kleiderabteilung für Kinder und betrachtete die Kollektion. Hin und wieder holte sie das eine oder andere Teil heraus und befühlte es. Doch sobald eine Verkäuferin nahte und fragte: »Was kann ich für Sie tun?« entschuldigte sie sich verlegen und drehte sich weg.

      Auch Hanna war der Meinung, dass dieses besondere Kind keine Kleider von der Stange tragen sollte. Deshalb ging sie in das Kindergeschäft »Klettermax«, doch dort war die Verkäuferin äußerst zudringlich. Als sie zwischen Rosa– und Blautönen schwankte, rief die Verkäuferin verwundert: »Was, Sie wissen das Geschlecht nicht? Also ich könnte vor Spannung nicht mehr schlafen.«

      Und Hanna antwortete entschlossen: »In einer Welt, in der es keine Geheimnisse mehr gibt, in der man alles erforschen kann, wollte ich mir das eine Geheimnis noch ein wenig bewahren.«

      »Sonderbare Einstellung!«, bemerkte die Verkäuferin und verzog das Gesicht.

      Hanna schwor sich in dem Augenblick, in diesen Laden nicht mehr zurückzukehren.

      Acht Monate später kam Eberhard zur Welt. Es war eine ungewohnt leichte Geburt für eine fast vierzig Jahre alte Erstgebärende. Einige Tage später verließ eine glückliche Mutter in Begleitung des glücklichen Vaters das Krankenhaus.

      Schon bald lag das rosige Baby in der mit blendend weißem Leinen überzogenen Wiege. Ein gesunder, kräftiger Junge, auf dessen Köpfchen brauner Flaum wuchs und dessen Augen noch von einem nicht definierbaren Blau waren. Während des Schwangerschaftsurlaubs rannte Hanna jede freie Minute zu ihrem Jungen, hob ihn hoch, obwohl er nicht danach verlangte, knuddelte und küsste ihn. Voller Stolz betrachtete sie das Kind und hätte schwören können, noch nie ein schöneres Baby gesehen zu haben.

      Damit dieses kostbare Geschöpf ständig von lieben, verantwortungsbewussten Menschen umsorgt wurde, kam Tante Magda ins Haus, sobald Hannas Arbeitsstelle rief. Selbstverständlich kehrte Hanna nicht gerne zurück. Aber eine unbezahlte Auszeit konnte sie sich nicht gönnen, da der Kredit zurückerstattet und nebenbei noch Geld für Eberhards Studium gespart werden musste. Denn nichts wünschten sich Hanna und Bernd mehr, als ihrem Kind ein Medizin- oder Jurastudium zu ermöglichen, denn er sollte es einmal besser haben als sie.

      Und ganz so, als erfüllte Gott Hannas sämtliche Wünsche, entwickelte sich Eberhard ganz im Sinne seiner Eltern. Sowohl was sein Äußeres betraf als auch hinsichtlich seiner inneren Werte. Dichtes braunes Haar wuchs auf seinem Kopf, seine Haut strahlte gesund und rosig, seine Augen blickten klar in einem hellen Blau in die Welt. Seine schulischen Leistungen ließen auf ein vielversprechendes Studium hoffen.

      Tatsächlich freute sich Eberhard am meisten über das glückliche Lächeln seiner Mutter und über die stolzen Lobeshymnen seines Vaters, wenn er gute Noten nach Hause brachte. Er pfiff deshalb auf Freunde, ging statt zum Fußball mit seinem Vater zum Wandern, ließ sich achselzuckend Streber nennen, steckte die Prügel von Klassenkameraden locker weg (»Nicht einmal meinen Ärger sind diese Idioten wert«, sagte er sich) und büffelte umso mehr für die Schule.

      Mittlerweile war er am Gymnasium. Noch immer kam Tante Magda, bereitete ihm das Mittagessen und überprüfte seine Schulaufgaben. Es gab nie Probleme mit den Lehrern, nur anerkennende Bemerkungen an den Elternabenden und Glückwünsche wie: »Dieses Kind wird es noch weit bringen.«

      Für die Zukunft hatten Hanna und Bernd sehr gut vorausgeplant. Als Eberhard mit dem Medizinstudium begann, waren noch 150 000 Euro Schulden auf dem Haus und 30 000 Euro auf Eberhards Namen angelegt. Hanna frohlockte, denn sie hatten die Hälfte des Hauses abbezahlt und genug Geld, um Eberhards Studium vollständig zu finanzieren.

      Doch dann passierte es.

      Im August desselben Jahres fiel Bernd vom Dach. Er hatte sich wohl nicht genügend abgesichert oder geglaubt, eine Kleinigkeit im Vorüberklettern erledigen zu können, jedenfalls fiel er vom Dach. Glücklicherweise handelte es sich um das Dach eines Einfamilienhauses.

      Außer der Eigentümerin des Hauses war niemand zur Stelle, doch die reagierte umgehend. Sofort rief sie einen Krankenwagen und kümmerte sich um den Gefallenen. Er stöhnte und ächzte, was die Eigentümerin beruhigte. Auch der bald herbeieilende Notarzt äußerte sich beruhigend.

      Wie es aussah, hatte der Aufprall


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