Tatort: Die Bibel. Eckhard Lange

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Tatort: Die Bibel - Eckhard Lange


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hat er auch die Hosen voll, wenn er den Bruder nur von ferne sieht. Und solch eine Reise ist doch auch eine Erfahrung. Es dauert seine Zeit, bis er endlich dort ankommt, wo Laban wohnt. Nun waren die Sippen damals durchweg Herdenbesitzer, lebten von Viehwirtschaft. Und wo trifft man sich? Dort, wo es einen Brunnen für die Schafe und Ziegen gibt. Und wie es der Zufall will: Da kommen nicht nur die Hirten, sondern auch ein hübsches junges Ding namens Rahel mit einer Herde. Und als Jakob noch erfährt, daß die Schönheit seine Cousine ist, kennt seine Freude keine Grenzen. Er springt auf die Überraschte zu, umarmt und küßt sie ohne jede Vorwarnung, natürlich ganz sittsam, wie es sich unter Verwandten gehört.

      Aber der Funke ist längst übergesprungen, und Rahel schleppt den Fremden gleich zum Vater. Große Freude allerseits, Jakob kriegt einen Schlafplatz und freie Kost. Doch er macht keine Anstalten, wieder abzureisen. Das wird dem Onkel nun doch langsam zu viel, und so bietet er dem Neffen an, er könne sich ja als Hirte ein wenig nützlich machen, natürlich gegen Lohn. Da ist er korrekt. Das ist Jakobs Chance, hätte er doch den damals üblichen Brautpreis für die hübsche Rahel niemals aufbringen können. Also kommt es zum Handel: Sieben Jahre kostenlose Arbeit gegen die Tochter.

      Als die vorbei sind, fordert er seinen Lohn, und Laban, ganz der reiche Rancher, richtet dem zukünftigen Schwiegersohn eine spendable Hochzeit aus. Aber - er hat ein Problem: Rahel ist seine Jüngste, und da ist noch Lea, die Ältere. Zwar mit gleicher Mitgift, aber leider keine besondere Schönheit. Und er hat auch eine Lösung: Erst muß die Ältere unter die Haube. Wie gut, daß die Braut vollverschleiert ins Hochzeitsgemach geführt wird. Und so wird dem ahnungslosen Jakob ganz offiziell die andere angetraut, und der wein- und liebestrunkene Neffe legt sich in dunkler Hochzeitsnacht zur Falschen ins Bett. Erst am Morgen wird ihm klar, was der Onkel da angestellt hat. Doch die Ehe ist vollzogen, Lea hat einen Ehemann und Jakob keine Chance, sie zurückzugeben.

      Aber der schlaue Laban hat auch da eine Lösung im Angebot: Du kannst deine Rahel gleich nächste Woche haben - soviel Abstand muß schon sein der lieben Nachbarn wegen. Nur eine Kleinigkeit wäre da noch zu klären: der Brautpreis. Ist ja nichts Neues: Also noch mal sieben Jahre Arbeitsdienst. Sollte dir die liebreizende Rahel doch wert sein, oder?

      5. Diebstahl mit Konfliktpotential (1. Mose 31, 14ff)

      Nach vierzehn Jahren hatte Jakob seinen Dienstleistungsvertrag mit Laban erfüllt, und er hatte mit mancherlei Tricks - wir mögen sie magisch nennen - den Eigenanteil am Viehbestand des Clans rasch und umfangreich erhöht. Das hatte die Gunst des Schwiegervaters nicht gerade erhöht. Also beschloß er, seine Heimreise lieber in Abwesenheit und ohne Wissen Labans anzutreten. Daß seine Rahel dabei auch den Hausgott ihres Vaters mitgehen ließ, wußte er allerdings nicht.

      Nun war ein solches Kultbild weniger seines materiellen oder ideellen Wertes wegen, sondern um seiner magischen Kräfte willen von großer Bedeutung, konnte es doch bei richtiger Pflege vor Dürre und Mißernten, Seuchen und Viehsterben, Hagelschlag und mancherlei bösem Zauber böser Nachbarn schützen.

      Laban war also nicht grundlos empört über diese heimliche Flucht, bewaffnete alle in seinem Hausstand, die einen Spieß tragen konnten, und verfolgte Jakob. Weit konnte er kaum sein mit Familie, Hausrat und seinen Herden. Nach kurzer Zeit stellte er ihn und beklagte zunächst einmal, daß er nicht einmal Abschied hätte nehmen können von Töchtern und Enkelkindern. Das wäre doch grob unhöflich, aber da gäbe es eben auch noch einen Diebstahl aufzuklären, er vermisse seit Jakobs Abreise seinen Hausgott. Nun hatte so ein geschnitzter Götze für Jakob eigentlich gar keinen Wert, verehrte er doch nur den einen und einzigen, wahren und unsichtbaren Gott. Deshalb bot er Laban an, er könne jederzeit alles durchsuchen, und fände er das Gesuchte, solle der Dieb (an eine Diebin dachte er ja nicht) mit dem Tode bestraft werden.

      Laban machte sich ans Werk, durchforschte Zelt um Zelt, durchwühlte jedes Gepäckstück. Für Rahel wurde es langsam eng, denn sie hatte den Gott in die Tasche ihres Kamelsattels gesteckt, und der lag neben ihrem Zelt. Was also tun? Sie setzte sich mit schmerzvoller Miene auf den Sattel, und als der Vater herankam, blieb sie sitzen, was schlicht unhöflich war. Doch sie bat um Verständnis, sie hätte gerade ganz besonders schlimm ihr Monatsblutung und könne nicht aufstehen, um den Papa zu umarmen. Der zeigte Verständnis, ließ Tochter und Sattel und suchte an anderer Stelle weiter. Wie wir wissen können, ohne Erfolg.

      So mußte er endlich aufgeben, nun war ihm der Vorwurf eher peinlich und Jakob hatte wieder Oberwasser. Laban bot ihm also an, alles, was nun einmal geschehen war, gemeinsam zu vergessen und noch einmal zwischen beiden Familien einen Freundschaftsvertrag zu schließen, ehe er Jakob und die Seinen ziehen ließ.

      Was Rahel später mit ihrem Diebesgut machte, ist nirgends überliefert. Vielleicht war es ja auch nur ein Andenken an Zuhause.

      6. Vergewaltigung und Massenmord (1. Mose 34)

      Zwölf Söhne hat Jakob bekommen, denn immerhin standen ihm zwei Frauen und zwei Mägde zur Verfügung. Einzig die unglückliche Lea hat ihm dann auch ein Töchterlein geschenkt, Dina mit Namen. Daß sich das junge Ding, erst einmal der Pubertät entwachsen, unter so vielen Brüdern nicht besonders wohl fühlte, kann man verstehen. Also schlich sie sich vom Hof und strebte der nächsten Stadt zu, irgendwo würde es sicher ein paar Mädels geben, die dort abhängen.

      Gern gesehen war das zuhause nicht. Der Clan von Vater Abraham hielt sich immer noch für etwas Besonderes, die Leute nebenan waren irgendwie minderwertig - andere Sprache, anderes Aussehen, andere Religion. Aber Dina wollte eben Party machen. Nur traf sie neben den Mädels auch auf einige junge Burschen, unter ihnen einen gewissen Sichem. Er fand sie geil, sie ihn vielleicht auch, und er war denn auch tatsächlich geil. Ob es damals schon K.o.-Tropfen gab, ist nicht überliefert, vielleicht reichte auch schon genügend vergorener Traubensaft - wir wissen das ja schon von Lot. Jedenfalls war sie am nächsten Morgen keine Jungfrau mehr.

      Daß Sichem das Mädchen hinter eine Terebinthe gezerrt und brutal vergewaltigt hätte, das können wir wohl ausschließen, wie der Fortgang der Geschichte zeigt: Ihm war das nicht nur peinlich, er hatte sich bis über beide Ohren verliebt, und nachdem sie sich in aller Freundschaft getrennt hatten, lief er stracks nach Hause und bekniete seinen Vater, bei dem Jakob-Clan um diese Dina zu werben.

      Nun war eine entjungferte Jungfrau damals alles andere als erfreulich für ihre Familie: Ihre Heiratschancen gingen gegen Null, und wenn sich doch ein Brautwerber fand, ging die zu zahlende Mitgift gegen Unendlich. Verständlich, daß man im Kreis der Brüder erst einmal rote Köpfe bekam, vor allem die beiden Söhne Leas schäumten vor Wut. Schließlich ging ihnen die Ehre ihrer Schwester über alles, jetzt jedenfalls. Dabei war ihnen vorher nie aufgefallen, daß sie Dina vielleicht auch hätten beschützen können.

      Als Sichems Vater als Brautwerber mit seinem Sohn bei Jakob aufkreuzte, sagte der erst einmal gar nichts, sondern überließ die Verhandlung den beiden Lea-Söhnen. Das Angebot war ja durchaus akzeptabel angesichts der prekären Situation: Sichem würde Dina in allen Ehren heiraten, und man könne sich doch sowieso näherkommen als gute Nachbarn. Jakob, der ja noch nomadisch lebte, könne gerne hier seßhaft werden, und es müßte keinesfalls bei dieser einen Ehe bleiben - schließlich gäbe es für die zwölf Jakobssöhne auch ganz passable Bräute in der Stadt. Verschwägern und verbrüdern wäre doch für alle von Vorteil.

      Die beiden Brüder blickten sich an, und jeder dachte das gleiche: mit diesem Pack wollen wir nichts zu tun haben. Und Rache für Dina wollen wir auch. Aber ihre Antwort lautete anders: Bei uns ist es Brauch, daß alles Männliche beschnitten wird. Verschwägern und verbrüdern wollen wir uns ja gerne, aber nur, wenn alle Männer bei euch sich vorher beschneiden lassen, damit sie zu uns passen. Eigentlich eine Zumutung, aber Sichem war so verliebt, daß er sofort zusagte und seine Leute tatsächlich überredete, das sei doch ein guter Handel, Jakobs Reichtum verbliebe in der Stadt, und eine solche Beschneidung würde auch nicht besonders weh tun.

      Doch da irrte er, und Dinas Brüder wußten das. Sie rechneten sogar damit. Nach drei Tagen lagen alle stolzen Männer in der Stadt stöhnend und jammernd auf ihren Betten. Das war das Zeichen für die beiden Jakobssöhne. Vertrag


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