Bel-Ami. Guy de Maupassant

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Bel-Ami - Guy de Maupassant


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sich zu Bett, blies die Lampe aus und schlief fast unmittelbar danach ein.

      Er wachte frühzeitig auf, wie man an Tagen lebhafter Hoffnungen oder großer Sorgen aufwacht, sprang aus dem Bett und öffnete das Fenster, um einen Schluck frischer Luft zu nehmen, wie er zu sagen pflegte.

      Die Häuser in der Rue de Rome gerade gegenüber, jenseits des breiten Eisenbahndammes, leuchteten im hellen Schein der Morgensonne, als wären sie mit Licht weiß gemalt. Rechts in der Ferne sah er den Hügel von Argenteuil, die Höhen von Sannois und die Mühlen von Orgemont in leichtem, bläulichem Dunste, wie hinter einem dünnen, durchsichtigen Schleier, der auf den Horizont geworfen war.

      Ein paar Minuten blieb Duroy in der Betrachtung der weiten Landschaft versunken und murmelte: »Es wäre doch verdammt schön da draußen an einem solchen Tag wie diesem.« Dann fiel ihm ein, daß er arbeiten müßte, und zwar sofort, und daß er für zehn Sous den Jungen des Concierge zu seinem Bureau schicken müßte, um sich krank zu melden. Er setzte sich an den Tisch, tauchte die Feder in das Tintenfaß, stützte den Kopf mit der Hand und suchte nach Einfällen. Alles vergebens. Nichts fiel ihm ein.

      Trotzdem verlor er nicht den Mut. Er dachte: »Es ist nicht so schlimm, ich bin eben nicht daran gewöhnt. Das ist ein Handwerk, das man wie jedes andere lernen muß. Die ersten paarmal muß ich mir helfen lassen. Ich werde Forestier aufsuchen, und er macht mir meinen Artikel in zehn Minuten zurecht.

      Er zog sich an.

      Als er auf der Straße war, dachte er, daß; es wohl noch zu früh sei, sich schon seinem Freunde vorzustellen, denn er pflegte lange zu schlafen. Er ging langsam unter den Bäumen der äußeren Boulevards auf und ab.

      Es war noch nicht neun Uhr. Er erreichte den Park Monceau, der vom frischen Tau noch ganz feucht war. Er setzte sich auf eine Bank und begann wieder zu träumen. Ein sehr eleganter, junger Mann ging vor ihm auf und ab, offenbar in Erwartung einer Frau.

      Endlich kam sie, verschleiert, mit hastigen Schritten, und nach einem kurzen Händedruck nahm er sie beim Arm und verschwand.

      Ein stürmischer Trieb nach Liebe schoß durch Duroys Herz, ein heißes Verlangen nach einem vornehmen, parfümierten, zarten Liebesabenteuer. Er stand auf, setzte seinen Weg fort und dachte dabei an Forestier. Hatte der Glück gehabt!

      An der Haustür traf er mit Forestier zusammen, der gerade fortgehen wollte: »Du hier? So früh? Was willst du denn?«

      Duroy war verlegen, daß er ihn gerade beim Aufbruch störte und stotterte: »Es... es ... es handelt sich um meinen Artikel, ich kann ihn nicht fertigbringen, weißt du, den Artikel, den Herr Walter über Algier haben will. Es ist eigentlich kein Wunder, weil ich doch bisher noch nie geschrieben habe. Hier, wie bei allem, ist Übung nötig. Ich weiß ganz genau, ich werde mich sehr leicht hineinfinden, aber jetzt beim erstenmal weiß ich nicht recht, wie ich es anfassen soll. Ich habe wohl die Ideen, die sind alle da, aber es gelingt mir nicht, sie zum Ausdruck zu bringen.«

      Er hielt inne und zauderte ein wenig. Forestier lächelte listig und sagte:

      »Das kenne ich.«

      »Ja«, fuhr Duroy fort, »so muß es am Anfang jedem gehen. Ich wollte also ... ich wollte dich daher bitten, mir eine kleine. Anleitung zu geben. In zehn Minuten würdest du es mir schon zurechtmachen, mir den nötigen Schwung beibringen. Du würdest mir da eine gute Lektion im Stil geben, denn ohne dich, glaube ich, bringe ich es nicht fertig.«

      Der andere lächelte noch immer vergnügt. Er klopfte seinem alten Kameraden auf den Arm und sagte:

      »Geh zu meiner Frau hinauf, sie wird die Sache ebensogut in Ordnung bringen wie ich. Ich habe ihr diese Arbeiten beigebracht. Ich habe leider heute früh keine Zeit, sonst hätte ich es ja gern getan.«

      Duroy wurde plötzlich wieder verlegen, er zögerte und getraute sich nicht.

      »Aber jetzt zu dieser Zeit kann ich sie unmöglich stören?«

      »Doch, sicher kannst du das. Sie ist auf. Du findest sie in meinem Arbeitszimmer, sie hat einige Schriftstücke für mich zu ordnen.«

      Duroy weigerte sich noch immer, hinaufzugehen.

      »Nein ... das geht nicht!«

      Forestier packte ihn bei der Schulter, drehte ihn herum und schob ihn die Treppe hinauf: »Also, geh doch, dummes Schaf, wenn ich es dir sage. Du wirst mich nicht etwa zwingen wollen, die drei Treppen wieder hinaufzuklettern, dich vorzustellen und deine Sache auseinanderzusetzen.«

      Da entschloß sich endlich Duroy. »Danke, ich gehe, ich werde ihr sagen, daß ich auf deine Veranlassung komme, daß du mich gezwungen hast, sie aufzusuchen.«

      »Gut. Sei unbesorgt, sie frißt dich nicht auf. Aber vergiß nicht nachher um drei Uhr.«

      »Oh, hab keine Angst.«

      Forestier ging schnell davon, während Duroy langsam Stufe für Stufe die Treppe hinaufstieg, denn er wußte nicht recht, was er oben sagen sollte, und war nicht sicher, wie er empfangen würde.

      Der Diener öffnete; er trug eine blaue Schürze und hielt einen Besen in der Hand.

      »Der Herr ist ausgegangen«, sagte er, ohne eine Frage abzuwarten.

      Duroy ließ sich nicht abweisen.

      »Fragen Sie Madame Forestier, ob sie mich empfangen könnte, und sagen Sie ihr, daß ich im Auftrage ihres Gatten käme, den ich eben auf der Straße getroffen habe.«

      Dann wartete er. Der Diener kam zurück, öffnete rechts eine Tür und meldete: »Madame läßt bitten.«

      Sie saß auf einem Schreibtischsessel in einem kleinen Zimmer, dessen Wände durch schwarze Bücherregale mit wohlgeordneten Büchern gänzlich verdeckt waren. Nur die Einbände mit ihren bunten Farben, rot, blau, gelb, grün und violett, brachten Frohsinn in diese einförmigen Bücherreihen.

      Bekleidet mit einem weißen, spitzenbedeckten Morgenkleid, wandte sie sich ihm lächelnd zu, und als sie ihm die Hand reichte, sah er unter dem weit geöffneten Ärmel ihren nackten Arm.

      »So früh?« fragte sie, fügte aber hinzu: »Das soll durchaus kein Vorwurf sein, sondern bloß eine harmlose Frage.«

      Er stammelte:

      »Oh, Madame, ich wollte gar nicht heraufkommen. Doch ich traf unten Ihren Herrn Gemahl, er zwang mich dazu. Ich bin dermaßen verwirrt, daß ich nicht zu sagen wage, was mich eigentlich herführt.«

      Sie wies auf einen Stuhl:

      »Setzen Sie sich hin und sprechen Sie.«

      Sie hielt zwischen den Fingern eine Gänsefeder, die sie geschickt herumdrehte, und vor ihr lag ein halb beschriebener Bogen Papier. Die Ankunft des jungen Mannes hatte offenbar ihre Arbeit unterbrochen. Es machte ganz den Eindruck, als fühlte sie sich an diesem Schreibtisch genau so zu Hause wie in ihrem Salon, als ob dieses ihr alltäglicher Beruf wäre.

      Ein leichtes Parfüm entstieg dem Morgenrock, der frische Duft der eben beendeten Toilette. Und Duroy suchte den jungen, weißen, warmen Frauenkörper durch die Falten des weichen Stoffes zu erraten. Da er noch immer schwieg, fuhr sie fort:

      »Also sagen Sie, was gibt es?«

      Zögernd murmelte er:

      »Also ... aber wirklich ... ich wage es gar nicht zu sagen ... Ich habe gestern bis spät in die Nacht gearbeitet ... und heute früh ... sehr früh morgens ... um den Artikel über Algier zu schreiben, den Herr Walter von mir haben will ... Es will mir nicht gelingen ... ich habe alles zerrissen ... Ich habe keine Übung in dieser Arbeit und da wollte ich Forestier bitten, mir etwas zu helfen ... für dieses eine Mal ...«

      Sie unterbrach ihn und lachte glücklich und geschmeichelt aus vollem Herzen:

      »Und da hat er Ihnen gesagt, Sie sollten mich aufsuchen? Das war lieb von ihm!« ...

      »Ja, gnädige Frau, er sagte, Sie würden mir aus der Verlegenheit noch besser helfen, als er selbst ... Aber trotzdem wagte ich es nicht, ich wollte nicht ... Nicht


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