Aus den letzten Jahren der Kaiserin Elisabeth. Imra Gräfin Sztaray

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Aus den letzten Jahren der Kaiserin Elisabeth - Imra Gräfin Sztaray


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Spitzenmotiven geschmückt ist, so fein und zart, dass man meint, ein Windhauch könne sie bewegen.

      Nach dem wir hier lange genug geweilt hatten, gab Ihre Majestät die Parole aus: Machen wir Einkäufe.

      Auch das war sehr interessant. Unter den Arkaden reihten sich die herrlichsten Kaufläden, aber die Kaiserin interessierten zumeist die dortigen Spezialitäten und die Industrie der Eingeborenen. Wir gingen von Laden zu Laden, kauften fast überall einiges und weideten unseren Blick an den vielen wundervollen Dingen. Bezaubernde Stickereien, Seidenstoffe, in allen Farben des Regenbogens schimmernde Gewebe, Meisterstücke der Goldschmiedekunst und alles, was aus Gold und Silber, besonders aber aus Bronze geschmiedet und modelliert werden kann, in einer originellen feinen Technik, die dieses Volk vielleicht von den Ägyptern erlernt hat. Wir ließen selbst die mit Gold und Silber beschlagenen, mit Edelsteinen besetzten Waffen nicht unbesichtigt.

      Der Einkauf ging aber nicht so ohneweiters vonstatten. Bei uns zulande streicht wohl nicht einmal der Zigeuner sein Ross so eifrig heraus wie der Araber seine Ware, für die er ungeheure Preise fordert. Nun, sie lassen mit sich reden, und die hohe Frau eiferte mich fortwährend zum Handeln an. Sie, die kaum den Wert des Geldes kannte, erwies sich bei solchen Einkäufen als überraschend vorsichtig, und wenn wir dann mit dem Gekauften zum Laden hinausgingen, bemerkte sie lächelnd: "Wir sind ja wieder hereingefallen."

      Nachdem unsere Einkäufe besorgt waren, nahmen wir Eis. Diese Erfrischung liebte die Kaiserin ganz besonders, sie war überhaupt in der Wahl ihrer Nahrung eher exzentrisch. Milch genoss sie am ständigsten. Es gab Tage, an denen sie ausschließlich von Milch lebte, an anderen Tagen wieder aß sie nur Orangen. Gebratenes Fleisch nahm sie zumeist kalt, den Süßigkeiten sprach sie nur wenig zu, weil sie das Stärkerwerden fürchtete.

      Diese launenhafte Ernährungsweise hatte aber nichts mit ihrer Gesundheit zu tun, denn es kam nicht selten vor, dass sie, wenn es ihr passte, ein ganzes Diner mit gutem Appetit verspeiste.

      Ihr Frühstück, zu dem in der Regel Tee oder Milch, Butter, Eier und kaltes Fleisch serviert wurden, nahm sie gegen 9 Uhr; ihr Diner, um 5 oder halb 6 Uhr, bestand aus Braten, Gemüse und dem unvermeidlichen Eis.

      Sie nahm ihre Mahlzeiten stets allein und von dieser Regel wich sie nur im Familienkreise der Erzherzogin Marie Valerie ab.

      Es mochte 5 Uhr gewesen sein, als wir in das Hotel Splendide zurückkehrten.

      Mir schien es, als ob Ihre Majestät zum Schlüsse dieses Spazierganges wortloser und verschlossener geworden wäre. Dies berührte mich gar oft schmerzlichst. Ich wusste, die Kaiserin gewöhne sich nur sehr schwer an neue Menschen und ich fragte mich mit Besorgnis, ob ich ihr nicht zur Last wäre, ob ich ihr wohl genügen könnte.

      In der Nähe unseres Hotels liegt das Bois de Boulogne, Algiers prächtiger immergrüner Garten, dessen Eukalyptusbäume, wenn die Seeluft deren Blätter bewegt, die ganze Gegend mit Duft erfüllen.

      Hier promenierte die Kaiserin des Öfteren. In Gedanken versunken schritt sie die sorgsam gepflegten, meist einsamen Pfade dahin und ließ sich von ihrem griechischen Vorleser griechische, englische und französische Werke vortragen. Wissenschaftliches wechselte mit Belletristischem ab, in den seltensten Fällen wurde ein Roman, viel häufiger Gedichte vorgenommen. Auch die Kaiserin schrieb Gedichte, meines Wissens aber zeigte sie sie niemand.

      Das Bois de Boulogne musste uns für viele Genüsse entschädigen, die der Regen, der gleichzeitig mit uns hier einzog, zunichtemachte. Wenn Ausflüge unmöglich waren, promenierten wir hier. Dies war auch heute der Fall.

      Ihre Majestät erkundigte sich mit außerordentlicher Wärme über den bisherigen Verlauf meines Lebens.

      Haarklein musste ich alles erzählen, was mir im Leben Gutes oder Böses bisher begegnet war; namentlich musste ich viel über Familie, Geschwister und ganz besonders über meine Mutter berichten.

      Wenn ich schwieg, ermutigte sie mich mit neuen Fragen zum Weiterreden und tat dies mit so warmem Interesse, als wäre von den ihr Nächststehenden die Rede gewesen.

      Wenn diese verschlossene große Seele sich einmal erschloss, überströmte sie von Wärme und Sympathie.

      An einem Regentage trafen wir, gleichfalls im verlassenen Bois de Boulogne, eine Schwämme suchende alte Frau an, und ich erzählte der Kaiserin, die Algierer Blätter wüssten zu berichten, dass die Kaiserin sich täglich ins Bois begebe, um Schwämme zu suchen. "Journalisten bleiben sich überall gleich," bemerkte hell lachend die Kaiserin, "was die schon für — Schwämme über mich in die Welt gesetzt haben! So viel könnte diese gute Frau gar nicht sammeln, selbst wenn sie hundert Jahre alt würde. Sehen Sie nur," fuhr sie nach einer Weile fort, "wie schwer der guten Alten das Bücken wird. Nein, dies wäre für mich, die ich mich weder zu bücken liebe, noch gerne still verweile, eine unerträgliche Beschäftigung. Und doch bin ich nicht ungelenk — sehen Sie nur!" Sie blickte hierauf umher und als sie sah, dass fern und nah keine Seele zu sehen war, produzierte sie plötzlich mit großer Grazie ein Turnerstückchen, das einem Parterregymnastiker zur Ehre gereicht hätte. "Jetzt versuchen Sie es mal" sprach sie und lachte herzlich, als der Versuch mir durchaus nicht gelingen wollte.

      Eines Morgens, als sich die Wolken zerteilten und wir die Sonne Afrikas zu sehen bekamen, ging ich mit Ihrer Majestät in den Jardin d'Essai, Algiers botanischen Garten. Der Weg dahin fuhrt im Schatten riesiger Platanen, gegen die unsere heimischen Bäume Baumschulexemplaren gleichen. Der Garten überraschte mich höchlich. Hier bekam ich erst einen Begriff, was südliche Vegetation ist. Ficus und Palmen standen in großen Gruppen eng gedrängt, in Stämmen, die zwei Männer nicht umfangen könnten, und ihre Blätter schwebten über unseren Häuptern gleich großen Segeln ausgebreitet, so dass kein Regen und Wind, ja selbst kein Sonnenstrahl uns treffen konnte. Es herrschte etwas wie ewige Nacht unter den enormen Bambussen, die sich Gewölben gleich über uns beugten und die Luft drückend machten. Diese wilde Kraft und Üppigkeit der Natur imponierte mir außerordentlich, obschon sie auf mir lastete. Die zarten Kinder der Natur, die Blumen, haben hier nichts zu suchen. Außer einigen bläulichen Iris waren hier auch gar keine zu sehen.

      In diese blumen- und tonlose Wildnis brachten nur die Strauße einiges Leben, die hie und da unter den Palmen einherschritten, allein auch diese sind schwerfällig und träge, als fühlten auch sie sich von der gigantischen Vegetation erdrückt. So oft etwas meine Aufmerksamkeit fesselte, hielt die Kaiserin sofort still, gleichsam um Zeit zu gewähren, die Eindrücke in meine Seele aufzunehmen. Und sie hörte freundlich zu, wenn ich darüber rückhaltlos mit ihr sprach. Ich liebe die Botanik. Ich weiß nicht mehr wieso, vielleicht unter dem Einflüsse der Umgebung brachte ich die Rede darauf, doch bemerkte ich augenblicklich, dass unsere die Natur anbetende Kaiserin für diese Wissenschaft wenig Interesse hatte.

      Es scheint, dass kühn sich emporschwingende künstlerische Seelen wie die ihre nicht gerne bei Details verweilen, sondern die Eindrücke in ihrer Ganzheit und Größe auf sich einwirken lassen. In dieser Wahrnehmung wurde ich durch die hohe Frau auch später immer wieder bestärkt.

      Und doch besaß sie merkwürdigerweise einen starken Sinn für Genauigkeit, namentlich was die wörtliche Weitergabe ihrer Befehle betraf. Gerade hier sollte ich einen Beweis davon erhalten.

      Ehe wir heimkehrten, sandte sie mich in das am Garteneingange befindliche türkische Café, um Kaffee zu bestellen, wobei sie die Zeit, wann sie ihn zu nehmen wünschte, auf die Minute genau bestimmte. Als ich zurückkehrte, fragte sie mich, wie ich ihren Auftrag übermittelt hätte. Ich wiederholte es. Sie war nicht zufrieden; ich musste zurückgehen und den Auftrag wörtlich bestellen.

      Auf dem Heimwege bemerkte und erkannte die Kaiserin die beiden Detektivs, die ich schon des Öfteren auf unseren Spuren auftauchen gesehen. Diese Entdeckung bedrückte sie sichtlich und sie bemerkte unwillig: "Sie begleiten mich wie eine Gefangene."

      Zu unseren afrikanischen Erlebnissen zählte ein Besuch, bei dem wir, wer würde es glauben, nicht empfangen wurden. Die Kaiserin wünschte den Besuch der Gouverneurin, Madame N., zu erwidern. Wir gingen also zur Villa hinaus und traten in den von Palmen beschatteten Garten, aus dem das kleine, im maurischen Stile erbaute Schloss freundlich hervorschimmerte.


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