Olympische Spiele. 100 Seiten. Gunter Gebauer

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Olympische Spiele. 100 Seiten - Gunter Gebauer


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Olympic Committee) in Québec 1990, zu der ich als Gastredner im Wissenschaftsprogramm eingeladen war, lernte ich den Willen der Québequois zur Selbstdarstellung kennen. Ihr Egozentrismus verband sich mit dem Willen des IOC-Präidenten Juan Antonio Samaranch, aus den Olympischen Spiele den größten ökonomischen Profit zu ziehen. Bei meiner Kritik an den neueren Entwicklungen der Spiele war Samaranch präsent. Während meiner Ausführungen schüttelte er unaufhörlich den Kopf. Nein, er sah es nicht als Problem an, dass sich der olympische Sport weit von der Lebenswelt seines Publikums entfernt hatte. Nein, die Fixierung auf Erfolg und Geschäft würde die Spiele nicht von ihren ursprünglichen Zielen abbringen. Ich hätte den Mut verloren, wenn nicht der kanadische Vizepräsident des IOC, Richard Pound, der während der Diskussion ebenfalls anwesend war, mir die Botschaft überbringen ließ, meine Kritik sei bedenkenswert, er werde sie für sein zukünftiges Handeln berücksichtigen.

      Eine ähnlich abwehrende Reaktion wie von Samaranch erhielt ich vom IOC-Präsidenten Thomas Bach. Auf einer Podiumsdiskussion 2008 bei der Verabschiedung des deutschen Olympiateams nach Peking sagte er tiefgreifende demokratische Veränderungen in China voraus, die die Spiele auslösen würden. Meinen Hinweis auf die relative Machtlosigkeit des IOC gegenüber der autoritären Führung des Riesenreiches und deren Ablehnung einer politischen Öffnung tat er unwirsch ab: »Sie werden China nach den Spielen nicht mehr wiedererkennen.« Das erwies sich als richtig, aber nicht im Sinn von Thomas Bachs Vorhersage.

      Die antiken Spiele

      Um das antike Olympia rankten sich im Altertum so viele Geschichten, dass man Mythos und Wahrheit kaum noch unterscheiden konnte. Olympia gab es tatsächlich: Es war jedoch versunken, von Erdbeben zerstört und von Hochwassern überflutet. Bevor es im Schlamm unterging, war es eine Kultstätte in einem weiten fruchtbaren Tal am Zusammenfluss der beiden Flüsse Alpheios und Kladeos. Aus der sanften Landschaft erhob sich der Kronoshügel; an seinem Fuß befand sich ein Areal, das in altgriechischer Zeit die Altis, den heiligen Bezirk der Kultstätte bildete. Nach seinem Untergang lebte Olympia in antiken Texten bis in die Neuzeit fort. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde es von dem englischen Reisenden Richard Chandler wiederentdeckt.

      An diesem Ort fand über 1000 Jahre lang im Spätsommer das Fest der Olympischen Spiele zu Ehren des Zeus statt. Es war ein glanzvoller Kult des höchsten Gottes der Griechen; er strahlte über die gesamte Antike aus. Alle vier Jahre machten sich Griechen aus dem ganzen Mittelmeerraum auf die Reise nach Olympia. Dichter, Historiker, Reiseschriftsteller feierten den religiösen Kult und die athletischen Spiele; Philosophen lobten die Athleten als Beispiele von Kraft und Ausdauer. Bildhauer und Maler wählten die schönen Körper von Olympiasiegern als Vorbilder für ihre Darstellung der Götter. Pindars Oden kündeten von ihrer Vollkommenheit. Antike Schriftsteller wie Pausanias, der Olympia im 2. Jahrhundert n. Chr. besuchte, haben genaue Beschreibungen des Ortes, seiner Architektur und seiner Rituale hinterlassen.

      Olympia lag weit entfernt von den Zentren der griechischen Zivilisation, an der Westküste des Peloponnes. In der Nähe befanden sich nur die kleineren Stadtstaaten Elis und Pisa. Jahrhunderte lang herrschte zwischen ihnen ein erbitterter Kampf um die Verwaltung des Heiligtums. Bei dem Streit ging es um die Ehre, das Fest auszurichten, aber auch ganz profan um die Einnahmen aus dem Kult. Als er in einen Krieg ausartete, wurde der Lokalhistoriker Hippias beauftragt, die Geschichte Olympias zu rekonstruieren. Seine Chronik, um 400 v. Chr. verfasst, rekonstruierte diese anhand der Namen der Olympiasieger. Die Liste beginnt mit dem ersten aller Olympiasieger im Stadionlauf. Er legte dieses Ereignis auf das Jahr 776 v. Chr. (nach unserer Zeitrechnung). Dokumente aus dieser Frühzeit gab es jedoch nicht, dafür aber eine Unzahl von Geschichten über alle möglichen Olympiasieger. Also musste er einige »freie Ergänzungen« vornehmen, gerade was die ersten Olympischen Spiele betraf (Ulrich Sinn). Seine Datierung ist aber insofern nicht aus der Luft gegriffen, als die Olympischen Spiele seit dem frühen 7. Jahrhundert v. Chr. als Fest aller Griechen galten. Das Ende Olympias wird üblicherweise mit dem Jahr 393 n. Chr. angegeben, das Jahr, in dem der zum Christentum übergetretene römische Kaiser Theodosius, der auch über Griechenland herrschte, alle heidnischen Spiele verbot. In Olympia hielt man sich nicht daran, aber das Fest hatte keine große Ausstrahlung mehr. Im 5. Jahrhundert gab man es nach und nach auf.

      In seiner Vorzeit war Olympia noch kein Heiligtum des Zeus. Man vermutet an dieser Stelle um 2600/2500 v. Chr. einen Kult, der einem lokalen mythischen Helden, dem Heroen Pelops, galt. Heroen sind in der griechischen Mythologie Wesen zwischen Menschen und Göttern: Sie sind zwar sterblich; durch ihre gewaltigen Taten werden sie aber nach ihrem Tod in eine Sphäre über den Menschen erhoben. Der Kult des Pelops blieb die ganze Geschichte Olympias hindurch präsent. Zwischen 1050 und 1000 v. Chr. wurde Olympia dann zu einem Ort des Zeus-Kults. Als Hauptgott der Griechen, als Göttervater, wurde Zeus an vielen Orten verehrt. Olympia wurde jedoch der höchste Ort der Zeus-Verehrung. In der Zeitspanne bis zum frühen 7. Jahrhundert v. Chr. wurde der Zeus von Olympia der bedeutendste Gott für alle Griechen im Mittelmeerraum. Zu diesem Zeitpunkt erhielt Olympia ebenjene herausragende Stellung. Über die Gründe für diesen ungeheuren Bedeutungsgewinn weiß man nicht viel. Die griechische Schrift ist nicht vor dem 8. Jahrhundert v. Chr. entstanden. Der athletische Aspekt Olympias wird zwar nicht durch schriftliche Zeugnisse dokumentiert, aber es gibt Statuen und Bilder auf Vasen und Schalen, die Athleten darstellen. Was die Griechen daran faszinierte, war die Schönheit der Körper bei ihren sportlichen Aktivitäten.

      Athletische Wettkämpfe waren jedoch nur die eine Seite des olympischen Festes. Es gab eine Reihe weiterer bedeutsamer Merkmale, die in Olympia zusammenwirkten: die Fruchtbarkeit des Ortes, der Kult mit seinen Opfern und Zeremonien, die Architektur der Tempel und öffentlichen Gebäude, die athletische Konkurrenz und die Bekränzung der Sieger mit anschließender gemeinschaftlicher Feier, das gesellschaftliche Ereignis, das seinen Höhepunkt mit den Auftritten bekannter Dichter und Staatsmänner fand. Das alles erfüllte die Beteiligten mit Enthusiasmus und gab dem Gesamtereignis einen Glanz, der es über alle anderen Feste der Antike heraushob. Hingegen gehört wohl der Mythos vom olympischen Frieden, der ekecheiria, zu der erdichteten Geschichte Olympias. Es wurden tatsächlich Herolde zu den griechischen Stadtstaaten entsandt, sie überbrachten dort Einladungen zur Teilnahme und baten um eine friedfertige Reise und Gestaltung des Festes. Aber an einen Frieden zwischen den zerstrittenen Stadtstaaten konnte man dabei nicht denken.

      Das Interesse an Wettkämpfen war ein zentrales Merkmal der griechischen Kultur. In Olympia wurden die Wettkämpfe über ein Sich-Messen emporgehoben. Der Olympiasieger im Stadionlauf war nicht nur der schnellste Mann Griechenlands. Er hatte eine herausgehobene Rolle im religiösen Fest: Mit seinem Namen wurde die sich anschließende vierjährige Olympiade benannt. Olympiaden waren das Maß der Jahreszählung aller Griechen.

      Der klassische Philologe Walter Burkert hat diese Verbindung Olympias mit dem griechischen Leben auf eine prägnante Formel gebracht: »Man geht nach Olympia, um zu opfern und um Sport zu treiben.« Teilnahme am Opfer und Teilnahme am Sport bildeten in Griechenland das Grundmodell der Gemeinschaft. Im kultischen Zentrum Olympias, der Altis, befanden sich die wichtigsten Heiligtümer: die Altäre des Zeus und des Pelops. Der Zeusaltar als Ort des höchsten Opfers behielt während der tausendjährigen Geschichte seine archaische Gestalt: ein Aschehaufen unter freiem Himmel, aufgeschichtet aus den Resten früherer Opfer. Sie wurden nach altem Brauch nicht weggeräumt, sondern mit dem Schlamm des Flusses Alpheios zugedeckt. So wuchs der Haufen mit der Zeit zu einem Hügel beachtlicher Größe.

      Um 550 v. Chr. wurde die erste Stadionanlage mit Ausrichtung auf den Zeusaltar gebaut. Zu späterer Zeit wurde sie vergrößert und mit Wällen umgeben, auf denen die Zuschauer den Wettkämpfen folgten. Um 460 v. Chr. wurde die gesamte Stadionanlage neu gebaut und vergrößert: 192 m lang und 30 m breit mit 20 Startanlagen und Bahnen. Die Erdwälle wurden um einige Meter erhöht und boten insgesamt Platz für 50 000 Zuschauer. In dieser Form, auf den Zeusaltar ausgerichtet, blieb die Laufbahn sechshundert Jahre lang weitgehend unverändert.

      Neben dem Zeusaltar wurde zwischen 470–450 v. Chr. ein prachtvoller Zeustempel errichtet. Er gilt als eines der bedeutendsten Zeugnisse antiker Architektur.


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