Von Blut & Magie. Melanie Lane
Читать онлайн книгу.unteres Stockwerk zu führen. Ich zögerte einen Moment, unsicher, ob ich wirklich auf eigene Faust loslaufen sollte. Aber ich wollte Nick finden.
Antworten finden hieß meine Mission, also musste ich mein wild klopfendes Herz unter Kontrolle bringen und mich in Bewegung setzen. Absolute Stille begleitete mich auf meinem Weg, und meine eigenen Schritte wurden durch den weichen Teppich abgefedert. Vorsichtig schlich ich an den anderen Zimmern vorbei. Ich hatte bereits drei Türen hinter mir gelassen, als ich plötzlich Stimmen hörte.
»Du hast was?« Eine empörte Frauenstimme drang vom Fuße der Treppe zu mir hinauf und ich empfand augenblicklich Erleichterung bei dem Gedanken, dass eine andere Frau anwesend war. Natürlich könnte sie zu den Entführern gehören, sehr wahrscheinlich sogar, aber vielleicht war sie gegen den Plan gewesen, der mich hierhergebracht hatte, und ich konnte sie auf meine Seite ziehen. Ich schlich weiter, um besser lauschen zu können.
»Was hätte ich denn tun sollen, Alina?«, fragte Nick aufgebracht. Dass ich seine Stimme nach so kurzer Zeit einwandfrei erkannte, gab mir ein wenig zu denken.
»Mit ihr reden, Nickolas. Ihr erklären, was hier los ist und sie nicht mitten in der Nacht entführen!«
Wer auch immer diese Alina war, sie war soeben zu meinem Lieblingsmenschen geworden. Anscheinend hatte ich tatsächlich eine Verbündete in all dem Irrsinn hier.
»Zwei Wochen habe ich sie beobachtet und gewartet, Alina, aber nichts ist passiert. Und dann« Er fluchte leise. »Du hast ihre Reaktion im Café nicht gesehen. Sie hätte mir niemals zugehört.«
Alina schnaubte.
»Lucan und ich …«
»Du hast Lucan Vale mitgenommen?«, rief sie entgeistert. Lucan Vale, murmelte ich stumm. Meine Lippen formten die beiden Worte lautlos. Einmal. Dann noch einmal. Ich wusste nicht, warum, aber der Name passte zu dem Mann, den ich gestern Nacht als Schatten Nummer Zwei identifiziert hatte.
»Hat er«, bestätigte eine düstere, mir ebenfalls bekannte Stimme auf einmal, »aber vielleicht wollt ihr diese Diskussion weiterführen, wenn ihr alleine seid.«
»Was meinst du?« Oh Mist.
»Komm raus, Prinzessin, und zeig dich.«
Nun hatte es auch keinen Sinn mehr, mich versteckt zu halten. Ich war erwischt worden. Also atmete ich noch einmal tief durch ehe ich um die Ecke trat und die Treppe hinab in eine enorme Eingangshalle sah.
Nick erkannte ich sofort. Seine sandblonden Haare waren zerzaust und seine offenen, neugierigen Augen blickten mich freundlich an.
Die Frau neben ihm war gut zwei Köpfe kleiner als er. Sie hatte lange dunkle Haare und die sanftesten braunen Augen, die man sich vorstellen konnte. Alles an ihr schrie Gutmütigkeit und sofort fühlte ich mich von ihrer Art wie magisch angezogen. Sie erwiderte meinen Blick jedoch mit einer Zurückhaltung, die mich verunsicherte.
Und der Mann zu Nicks Rechten? Das musste dann wohl Lucan Vale sein. Heilige Mutter Gottes. Noch nie hatte ich einen attraktiveren Mann gesehen. Wo Nick auf eine Sunnyboy-Art gutaussehend war, war dieser Mann rau, kantig und absolut männlich. Von den schwarzen, etwas zu langen Haaren, den markanten Wangenknochen und dem breiten Kiefer, bis hin zu seiner massiven Statur schrie alles an ihm Alpha. Das war ein Mann, der sich behaupten konnte, der es gewöhnt war, Befehle zu erteilen und nicht sie zu erhalten. Das Faszinierendste an ihm jedoch waren seine Augen. Beinahe komplett schwarz glühten sie wie zwei Kohlen in der Dunkelheit. Vielleicht war es eine Reflexion des Lichts, aber für einen kurzen Moment meinte ich ein regelrechtes Feuer in ihnen aufblitzen zu sehen.
Eine Reflexion des Lichts oder deine eigene lebhafte Fantasie, meine Güte. Ich unterdrückte ein Augenrollen. Alles an ihm schien auf irgendeine Art und Weise mysteriös zu sein. Es machte ihn auf Anhieb interessant. Was ich jedoch noch viel interessanter fand, war die Frage, warum sie mich entführt hatten. Denn das war es, worum es hier wirklich ging. Meine Entführung. Keine attraktiven, düster dreinblickenden Alpha-Männer, die in der Regel sowieso nur eins bedeuteten: Ärger. Zumindest glaubte ich das. Aber mal ehrlich, war es nicht immer so? Ich betrachtete die kleine Gruppe vor mir. Wie sie dort unten standen und zu mir aufsahen, wirkten sie beinahe unwirklich.
Unbewusst hob ich eine Hand an meine Magengrube. Das Blut rauschte mittlerweile viel zu schnell durch meine Adern und ich spürte, wie mir leicht schwindelig wurde.
»Lilly«, brach Nick den Bann, in dem ich mich befunden hatte, und machte einen Schritt auf das Ende der Treppe zu. »Hab keine Angst«, beschwichtigte er mich und hob besänftigend beide Hände.
»Komm.«
»Ich …« verwirrt sah ich zwischen den dreien hin und her. Wobei mein Blick ein wenig länger als nötig an Lucan hängen blieb. Seine Augen verdunkelten sich gefährlich und funkelten mich wütend an. Ernsthaft? Irgendwo zwischen Angst und Neugier mischte sich jetzt auch noch meine eigene Wut in mein Gefühlschaos.
Er hatte mich entführt. Wenn hier jemand wütend sein durfte, dann ich! Meine Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen und unbewusst machte ich einen Schritt nach vorne. Die Hand am Geländer schritt ich langsam die große, leicht geschwungene Treppe hinab. Lucan folgte jeder meiner Bewegungen. Mein Kinn hob sich wie von selbst ein paar Zentimeter und verstört, aber auch ein wenig gereizt, wandte ich den Blick von ihm ab und sah zu Nick und Alina. Die junge Frau betrachtete mich regungslos, aber wenigstens war keine Ablehnung in ihrem Blick. Lediglich eine milde Neugier, gepaart mit einer offensichtlichen Schüchternheit. Eine Schüchternheit, die Nick offenbar nicht empfand. Er lächelte mir aufmunternd entgegen und streckte seine Hand einladend nach mir aus. Nicht gerade das, was man von einem irren Entführer erwartete.
»Du brauchst dich wirklich nicht zu fürchten«, wiederholte er sanft.
Am Fuße der Treppe angekommen, ignorierte ich seine ausgestreckte Hand und verschränkte meine leicht zitternden Hände ineinander. Von hier unten wurde mir schmerzlich bewusst, wie groß die beiden Männer waren. Nick maß locker über 1,90 m und Lucan? Es hätte mich nicht gewundert, wenn er an die zwei Meter herankam. Das und die muskelbepackte Statur des Mannes ließen mich innerlich erschaudern.
»Wo bin ich?«, fragte ich direkt und wandte mich an Nick. Ganz offensichtlich würde ich von ihm am ehesten Antworten bekommen.
»Im Hause der Callahans, in der Welt der Menschen.«
Ah ja. Okay. Möglichst neutral versuchte ich es erneut. »Wo bin ich?«
Irritiert sah Nick mich an. »Im Hause der Callahans …«
»Okay«, unterbrach ich ihn und hob eine Hand, »wenn das hier so eine Art Rollenspiel ist, dann ist es nicht mehr lustig.«
»Rollenspiel?«
»Wer auch immer ihr Typen seid, ich will nach Hause. Sofort.«
»Du bist zu Hause«, erwiderte er ernst.
Zugegeben, das war nicht die Antwort, mit der ich gerechnet hatte. Der volle Kleiderschrank und die luxuriöse Suite kamen mir in den Sinn und ich begann leicht zu schwitzen.
»Ihr wollt mich hier festhalten?«, fragte ich aufgebracht. »Gegen meinen Willen?«
»Ich verstehe nicht …«
»Heilige Balance, Nickolas«, mischte die hübsche Brünette sich ein. »Kein Wunder, dass sie dir nicht zugehört hat. Eure Hoheit«, wandte sie sich zaghaft lächelnd an mich. »Ich bin Alina. Eure Kammerzofe.«
»Meine was?« Benommen starrte ich sie an.
»Eure Kammerzofe«, wiederholte sie ruhig. »Ihr seid Lillianna Callahan, die Thronerbin Alliandoans und der sieben Welten. Wir haben lange nach Euch gesucht.« Sie schenkte mir ein kleines Lächeln. »Willkommen zu Hause, Eure Hoheit.«
Alles klar. Für was oder wen auch immer diese Leute mich hielten, ich erkannte an ihren Gesichtern, dass sie wirklich daran glaubten. Sogar dieser Lucan starrte mich weiterhin stoisch an. Sein Gesicht gab nichts weiter preis als eine allgemeine Gereiztheit. Irgendetwas