Auf zwei Planeten. Kurd Laßwitz

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Auf zwei Planeten - Kurd Laßwitz


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wir in unsrer Bahn weiter, so kamen wir nach einem halben Erdenjahr wieder der Erde so nahe, daß wir sie hätten erreichen können. Aber dann hatte der Südpol Winter, und wir wären dort verloren gewesen. Der gewöhnliche Weg nach dem Mars war uns zum Unglück durch einen großen Kometen versperrt, dessen Anziehungsbereich wir berücksichtigen mußten. Ein zweiter Weg – Sie müssen bedenken, daß wir unsre Richtung und Geschwindigkeit nicht so oft und beliebig ändern konnten wie heutzutage –, ein zweiter Weg hätte uns bis in die Nähe der Asteroidenbahnen geführt, und das ist so, als wenn Sie auf dem Meer zwischen unbekannten Klippen segeln wollten. Denn wenn wir auch damals schon gegen 2.000 dieser kleinen Planeten kannten, so gibt es doch noch unzählige, die so klein sind, daß wir sie noch nie gesehen haben, kleiner als unsre Kugel, aber genügend, um uns in Grund und Boden zu bohren, wenn wir auf einen treffen. Außerdem hätte auch dieser Weg so lange Zeit in Anspruch genommen, daß es fraglich wurde, ob unser Proviant dazu ausreichte. Alle übrigen Wege waren noch weiter und mußten deshalb verworfen werden. Der Mars stand, wie ich bemerken will, hinter der Sonne, denn seit unsrer Abreise von ihm war ein halbes Erdenjahr vergangen.

      Mitt hatte uns das Resultat seiner Berechnungen mitgeteilt und sich dann zu neuen Prüfungen in seine Kajüte zurückgezogen. Wir saßen in uns gekehrt da, jeder machte sich mit dem Gedanken vertraut, unsren lieben Nu nicht wieder zu betreten. Einer der Gefährten äußerte sich endlich dahin, man solle die jetzige Bahn einhalten, nach einem halben Jahr die Erde zu treffen suchen, diese aber am Nordpol anlaufen. Da alsdann dort Sommer wäre so würden wir wahrscheinlich eins unsrer Schiffe antreffen, von dem wir genügende Vorräte bekommen könnten, um im nächsten Südsommer nach dem Südpol zurückzukehren. Die Hoffnung freilich, unsre Gefährten noch zu retten, mußten wir wohl aufgeben, immerhin aber konnten wir auf diese Weise unsre Rückkehr nach dem Mars sichern, selbst für den Fall, daß wir kein Schiff daselbst antrafen. Wir konnten ja dann die günstigste Stellung zur Reise abwarten und fanden auf alle Fälle einige Vorräte in den Depots. Dieser Plan fand allseitigen Beifall, und wir schickten uns eben an, den Kapitän zu rufen, um ihm unsre Vorschläge zu machen, als dieser mit glänzenden Augen unter uns trat und rief: ›Freunde, wollen wir in sechzig Tagen auf dem Mars sein?‹

      Wir sprangen auf und umringten ihn. Alle wollten wir näheres hören. Nun –«

      Jo unterbrach sich und warf einen Blick auf die Uhr.

      »Pik und Spe!« rief er. »ist das schon spät geworden! Nun, ich will schnell ein Ende machen!«

      »O bitte, bitte, es ist noch Zeit.«

      »Kurz und gut! Mitt hatte den kühnen Plan erdacht, in einer rückläufigen Hyperbel mit kurzer Periheldistanz quer über die Erdbahn weg auf den Mars zu stoßen. Er setzte uns das kurz auseinander. Allerdings mußten wir unsre Richtschüsse bis auf einen letzten, zum Landen bestimmten Notvorrat daran wagen. Nur eine Gefahr war dabei, und deshalb wollte Mitt nicht ohne unsere Einwilligung handeln – wir kamen der Sonne in einer Weise nahe, wie es noch kein Raumschiffer gewagt hatte, und es fragte sich, ob wir die Strahlung würden aushalten können.

      Auch der Plan, auf der Erde am Nordpol anzulegen, schien Mitt sehr erwägenswert, und lange wurde hin und her überlegt, was zu tun sei.

      Aber Sie wissen ja, in jedem rechten Raumschifferherzen steckt die Lust, das Ungewohnte zu wagen, wenn es einigermaßen aussichtsvoll ist. Den Gefährten konnten wir in diesem Südpol-Sommer doch nicht mehr helfen, und so wurde beschlossen, die kühne Hyperbelfahrt zu versuchen.

      Nun, Gott war gnädig, wir sind heimgekommen. Aber die zwei Tage, die wir um die Sonnennähe jagten, die möchte ich nicht wieder erleben. Ich habe manches durchgemacht – solche Glut noch nicht. Wir konnten unsre äußere Stellitkugel nur dadurch vor dem Schmelzen bewahren, daß wir sie schnell rotieren ließen; so strahlte sie die auf der einen Seite empfangene Hitze auf der andern wieder aus – weiß nicht, bekomme sogleich einen wahren Merkursdurst, wenn ich daran denke!«

      Damit tat Jo einen tiefen Zug aus seinem Mundstück und erhob sich.

      »Schade, schade, daß Sie morgen schon fortgehen!« sagte La zu Jo. »Von der Sonnennähe müssen Sie uns noch einmal erzählen!«

      »Wenn’s einmal recht kalt ist!«

      »Und All? Hat man nichts mehr von ihm gehört?« fragte Grunthe.

      »Nichts! Auch bei wiederholten Besuchen des Südpols hat man keine Spuren mehr gefunden, keine Aufzeichnungen. Und nun, Gott befohlen! Auf Wiedersehen morgen vormittags!«

      Jo schüttelte den Deutschen die Hände, und alle Martier wiederholten die Begrüßung. Dann zogen sie sich zurück. Nur La und Se blieben noch einige Minuten und redeten ihren Gästen zu, ihre Reise nicht im Winter zu wagen, sondern mit ihnen nach dem Mars zu gehen.

      »Lassen Sie sich durch Jos Erzählung nicht bange machen«, sagte La lächelnd. »Wir nehmen jetzt soviel Richtschüsse mit, daß wir allen Hindernissen schleunigst ausweichen können. Die Gefahr lag ja früher darin, daß man auf der Erdoberfläche landen und von dort abreisen mußte; jetzt aber haben wir auf beiden Planeten Stationen außerhalb der Atmosphäre.«

      »Solche Besorgnisse würden uns nicht abhalten«, sagte Grunthe ernst. »Wir hoffen ja später mit der Hilfe Ihrer Landsleute auf den Mars zu reisen.«

      »Und was hält Sie denn ab, schon jetzt mit uns zu kommen?« fragte Se.

      »Die Pflicht«, erwiderte Grunthe.

      La und Se schwiegen einen Augenblick. Dann sagte Se mit einem Blick auf Saltner:

      »Es gibt auch eine Pflicht gegen die Freunde.«

      »Die Pflicht der Dankbarkeit gegen unsre Retter wird mir stets heilig bleiben«, sagte Grunthe, »aber im Falle des Widerstreits entscheidet die ältere –«

      »Oder die höhere«, fiel La ein, »und das werden wir schon noch untersuchen.«

      »Das wissen Sie ja«, sagte Saltner herzlich, »daß ich nichts lieber täte, als mit Ihnen zu gehen, wohin’s auch immer wäre.«

      »Mit wem denn?« scherzte La. »Wir wohnen leider auf dem Mars dreitausend Kilometer voneinander.«

      »Das ist nicht so schlimm«, erwiderte Saltner. »Sie haben dort gewiß so schnelle Beförderungsmittel, daß man einen Tag hier und einen da sein kann. Und das hat auch seine guten Seiten.«

      »Das ist reizend«, rief Se. »Sie passen ausgezeichnet auf den Mars. Wenn wir Sie nun beim Wort nehmen?«

      Se und La warfen sich einen Blick des Einverständnisses zu. Dann faßten sie jede einen seiner Finger und sagten gleichzeitig:

      »Gebunden.«

      Saltner machte ein etwas verdutztes Gesicht, da er nicht recht wußte, was das bedeuten sollte.

      »Wieso?« fragte er. »Was soll das sein?«

      »Ein Spiel!« rief La, und beide sahen ihn so sonderbar und freundlich an, daß ihm ganz seltsam ums Herz wurde.

      »Gehen’s«, sagte er etwas verlegen, »Sie wollen mich gewiß zum besten haben. Was muß ich denn jetzt tun?«

      »Das wird sich schon finden. Recht liebenswürdig sein müssen Sie!« sagte Se. »Und jetzt gute Nacht! Sie müssen morgen zeitig aufstehen, eigentlich schon heute, der Flugwagen nach der Außenstation geht um ein Uhr.«

      »Auf Wiedersehen morgen am abarischen Feld!« rief La.

      Und beide nickten ihm freundlich zu, grüßten Grunthe und schwebten mit ihrem leichten, gleitenden Schritt nach der Tür. Die Wolke glühender Funken wogte um Se, und über den schlanken Formen ihres Halses schimmerte der zarte Regenbogen ihres Haars. Über Las Haupt glänzte es wie ein Heiligenschein, und aus ihren tiefen Augen fiel ein langer Blick auf Saltner zurück. Dann schloß sich die Tür. Die Feen der Insel waren verschwunden.

      Saltner stand noch lange stumm und blickte nach der geschlossenen Tür. Was meinten sie wohl? Wie sollte er sie verstehen? Und welche von beiden –

      Dann drehte er sich auf dem Absatz herum und pfiff leise vor sich hin.

      »Das


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