Der schweizerische Robinson. Johann David Wyss

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Der schweizerische Robinson - Johann David Wyss


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Mutter eilig dazwischentrat und vorstellte, daß man einerseits das Schießzeug nicht so vergeuden sollte und daß andrerseits schon Vögel genug da seien, um heute gerupft und auf die Zukunft eingemacht zu werden.

      Ich pflichtete der verständigen Frau vollkommen bei und ermahnte die Jugend, in der Tat mit Pulver und Blei nicht so verschwenderisch zu sein, weil auf diesem Schatze so ganz unsre Verteidigung und großenteils selbst unsre Nahrung beruhe. Wenigstens riet ich zur möglichsten Sparsamkeit, bis uns gelungen wäre, vom Wrack des Schiffes unsre Vorräte beträchtlich zu vermehren. Dafür hieß ich die Jungen sich Schlingen machen und diese droben in den Baumästen aufhängen, um die Drosseln und Tauben künftig mit List zu fangen. Zu den Schlingen aber mahnte ich, die Fäden unsrer neuentdeckten Karatten zu benutzen, die mir zu diesem Gebrauche sehr geeignet schienen, da sie fast steif waren wie Roßhaar.

      Mein Rat war nicht in den Wind geredet. Ich mußte sogleich den Knaben Anweisung geben, wie die Schlingen zu machen seien, und als sie es begriffen hatten, erlaubte ich Fränzchen und Jack, sich mit dieser Arbeit zu beschäftigen, während Fritz und Ernst mir in der Verfertigung einer Schleife tüchtig an die Hand gehen sollten.

      Indem wir sämtlich an unser Werk gingen, erhob sich unter unserm Hühnervolk ein ganz abscheulicher Lärm. Der Hahn krähte laut auf, und der übrige Troß gackerte und flatterte herum, als wäre der Fuchs darunter. Wir sahen alle hin, und die Mutter stand auf, um nachzusehen, ob etwa eine der Hennen ein Ei gelegt habe. Ernst, der zufällig den Affen im Auge hatte, bemerkte jetzt, daß dieser unverrückt auf die Hühner blickte und plötzlich, als diese vor der Mutter zerstoben, unter eine der Baumwurzeln fuhr. Er lief dem Aufpasser nach und war so glücklich, ihn eben zu erwischen, als er ein frischgelegtes Hühnerei hervorholte und es an den Boden schlug, um sich‘s auf der Stelle schmecken zu lassen. Der Affe war nach dieser Speise sehr lüstern und fuhr bald unter eine andere Wurzel und dann hinaus in das Gras; aber Ernst, der ihm wachsam auf dem Fuße folgte, brachte bald vier Eier daher, die von der Mutter mit herzlichster Freude betrachtet wurden.

      Dem Affen trug die Freibeuterei nichts als den Übernahmen Knips ein und die Beraubung seiner Freiheit, sooft es uns schien, daß unsere Hühner gelegt hätten oder doch zu legen geneigt seien. Hatte man dann Zeit, so band man den Gefangenen wieder los und ließ sich von ihm zeigen, wo die Eier verborgen lagen. Die Mutter legte sich denn bald eine Sammlung an und wartete mit Ungeduld, bis unsre Hühner brütig würden, um so schnell als möglich ein junges Völklein zu ziehen, von dessen Benutzung sie schon Herrliches träumte.

      Mittlerweile war Jack auf unsern Baum gestiegen und hatte bereits ein paar Schlingen für die gefiederten Feigenfresser in den Ästen aufgehängt. Er kam wieder herab und brachte uns die willkommene Nachricht, daß auch droben unser Hausgeflügel, und zwar unsre Tauben, Anstalten zu Brut und Zucht getroffen habe. Ich verbot nun desto mehr alles Schießen auf dem Baume, damit unsre freundlichen Tiere nicht verwundet oder weggeschreckt würden, und ich ermahnte auch die Jungen, fleißig nach den aufgestellten Schlingen zu sehen, damit sich nicht unsre Tauben selbst darin fingen und sich durch Zappeln erdrosselten. Ja, ich hätte gern die Schlingen wieder aberkannt, wenn ich sie nicht selber zuvor empfohlen hätte und weil ich es für unrätlich hielt, mir so schnell zu widersprechen.

      Unterdessen bearbeitete ich meine Bughölzer zu einem Schlitten oder einer Schleife, die ganz einfach war und also schnell zustande kam. Zwei Bughölzer, vorn, in der Mitte und hinten mit einem Querholz verbunden und so gestellt, daß die Krümmung vorn in die Höhe stand, waren das ganze Kunstwerk, und es brauchten nur noch die Zugstricke des Esels an die emporstehenden zwei Spitzen festgemacht zu werden, so war mein Gespann vollendet.

      Ich hatte von meiner Arbeit nicht aufgeblickt, bis ich fertig war; und als ich mich jetzt umsah, gewahrte ich, daß die Mutter mit den Knaben inzwischen Vögel gerupft hatte und im Begriff stand, zwei volle Dutzend an die lange spanische Degenklinge eines Schiffsoffiziers wie an einen Bratspieß anzustecken. Der Degen schien mir gut angewendet, aber die Menge der Vögel kam mir vor wie Vergeudung, und ich machte darüber meine Glosse. Allein die Mutter wies mich zurecht, indem sie bemerkte, daß es nicht darum zu tun sei, ein verschwenderisches Gastmahl zu halten, sondern in Erwartung der abzuholenden Buttertonne die Vögel bereit zu machen, um sie dann halbgebraten und mit Butter übergossen nach meiner eigenen Angabe zum Aufbewahren zweckmäßig zuzurichten.

      Es ließ sich dagegen nichts einwenden, und ich verabredete sofort den Marsch nach Zeltheim, der gleich nach dem beschleunigten Mittagessen begonnen werden sollte. Die Mutter beschloß, während meiner Abwesenheit mit den Jungen ein Reinigungsfest zu halten und sowohl Kleider als Leiber einer tüchtigen Wäsche zu unterwerfen; ein Gedanke, der mir so beifallswert schien, daß ich mir vornahm, ihn auch an mir und Ernst auszuführen; denn Ernst sollte wieder allein mich begleiten und Fritz zur Verteidigung abermals zu Hause bleiben.

      Sobald wir denn gegessen hatten, machten wir uns zum Abmarsche fertig, und nach gehöriger Bewaffnung erhielt jeder an seinen Hirschfängergurt zum Geschenke von Fritz ein schönes vollendetes Besteck, das nebst Gabel, Messer und Löffel auch ein Handbeil zu tragen erfinderisch eingerichtet war und mir in der Tat nützlich schien. – Wir spannten hierauf sowohl den Esel als die Kuh mit ihren Zugstricken an unsre Schleife, nahmen jeder ein Stück Bambusrohr als Geißel zur Hand, kommandierten den Bill zum Mitgehen, den Türk zum Zurückbleiben, nahmen Abschied und trieben unser saumseliges Zugvieh ganz eifrig vor uns her.

      Da wir leicht denken konnten, daß unsre Schleife sich besser über den festen Sand am Ufer als durch hohes und dichtes Gras ziehen lassen würde, so schlugen wir den gewöhnlichen Weg am Strande nach der Brücke des Schakalbachs ein und gelangten bald ohne Abenteuer nach Zeltheim, wo wir unser Vieh sogleich ausspannten und weiden ließen, während wir selbst mit Anstrengung nicht nur die Buttertonne, sondern auch ein Pulverfäßchen, die angestochene Kästonne, verschiedenes Werkzeug, Kugeln und Schrot auf unsere Schleife luden.

      Dieses Geschäft fesselte uns dermaßen, daß wir spät erst bemerkten, unser Zugvieh habe sich, lüstern nach dem bessern Futter von jenseits, über die Brücke des Schakalbachs fortgeschlichen und sei ganz aus unserm Gesichtskreise verschwunden. Ich trug Ernst auf, es mit Bills Hilfe zu suchen, indes ich selbst auf der andern Seite von Zeltheim einen Ort zum Baden und zur Wäscherei erkundschaften wollte.

      Bald hatte ich das Ende der Rettungsbucht erreicht und fand, daß sie sich mit einem Moraste voll der prächtigsten spanischen Rohre schloß und hinter diesem durch eine Reihe unersteiglicher Felsen, die selbst etwas in das Meer hinausliefen, ganz ummauert und zugemacht war. Hier zeigte sich eine Stelle, die mir zum Baden recht eingerichtet schien. Ich rief nun Ernst mit freudiger Stimme zu, und indes ich seiner Ankunft entgegensah, hieb ich mir zur Kurzweil einige Rohre, von deren nützlichem Gebrauch ich schon vorläufig mir einen lebhaften Begriff machte.

      Da sich Ernst noch immer nicht blicken ließ, so ging ich endlich in Unruhe zurück, um ihn aufzusuchen, und siehe, da lag der Junge in Lebensgröße gemächlich auf der Schattenseite unseres Zeltes und schlief wie eine Haselmaus, indes sich unser Vieh unbewacht in der Nähe herumtrieb und nach Bequemlichkeit graste.

      »Auf, auf, du Faulpelz!« rief ich den Schläfer jetzt an. – »Warum hütest du nicht die Tiere, daß sie nicht über die Brücke schleichen?«

      »Oh, sie lassen es wohl bleiben«, erwiderte er gelassen, »ich habe gleich ein paar Laden aufgehoben; da ist nun eine Lücke, und ich denke, die furchtsamen Burschen springen nicht darüber.«

      »Nun, das laß ich mir gefallen!« sagte ich. »Deine Trägheit hat dich erfinderisch gemacht. Aber nun solltest du nicht den kostbaren Tag verschlafen, sondern hübsch etwas Nützliches begonnen und zum Beispiel Salz geholt haben. Untätigkeit, solange man Kraft hat und mitten in den Arbeitsstunden, gehört sich nicht. – Aber weil du da müßig gelegen hast, so magst du nun das Versäumte nachholen und in dieses Säckchen Salz auflesen; doch sauber und reinlich, daß man es wenigstens unsern Tieren unbesorgt vorlegen kann. Wird das Säckchen voll, so leere es in den großen Bastsack des Esels, bis auch dieser gefüllt ist. Inzwischen will ich dort hinter dem Felsvorsprung baden.«

      Mit diesen Worten ging ich hin, mich auszuziehen, und um den Jungen nicht gar zu lange zu quälen, fuhr ich hurtig zu und kühlte und wusch mich, so schnell es nur möglich war. – Endlich zog ich mich wieder an und ging nach der Salzstelle, um zu sehen, wie weit es der Knabe wohl gebracht habe.


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