Der blaurote Methusalem. Karl May

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Der blaurote Methusalem - Karl May


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will bezahling!«

      Der Wirt schüttelte verlegen den Kopf. Da sprang der Kapitän vom Stuhle auf und schrie erbost:

      »Habing Sie keine Ohreng? Ich will bezahlang, bezahleng, bezahling, bezahlong und bezahlung!«

      Der Wirt fuhr erschrocken zurück. Sein Gesicht verriet, daß er ratlos sei; darum belehrte ihn der Methusalem in halblautem Tone:

      »He will to pay.«

      »Ja, to pay, to payeng will ich, payeng, verstandung?« rief Turnerstick . »Aber Li, lauter Li will ich geben.«

      Bei diesen Worten zeigte er auf die Geldschnuren, welche um seinen Hals hingen. Im Gesichte des Methusalem war der Ausdruck lustiger Spannung zu bemerken. Der Wirt verstand den Kapitän jetzt; er gab sich Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken, und sagte sehr höflich:

      »Thirty bottles, Sir? I beg, ten thousand Li!«

      Turnerstick prallte zurück, als ob er einen Hieb in das Gesicht erhalten habe.

      »Wa-a-a-a-as?« fragte er. »Zehntausend Li?«

      »Jawohl, zehntausend Li!« bestätigte der Methusalem.

      »Das ist doch nur ein dummer Witz!«

      »O nein, Kapitän, es ist Ernst.«

      »Unmöglich! Bedenken Sie, zehntausend Li! Das ist ja unbegreiflich!«

      »Es ist im Gegenteile leicht erklärlich. Zehntausend Li sind nach deutschem Gelde ungefähr sechzig Mark.«

      »Also die Flasche zwei Mark?«

      »Ja.«

      »Die daheim fünfzehn Pfennige kostet!«

      »Wir sind nicht daheim. Wir haben deutsches Bier getrunken, irre ich mich nicht, aus der Waldschlößchenbrauerei zu Dresden. Dieses Bier muß den Aequator zweimal passieren. Haben Sie denn noch nie so fern von der Heimat unser Bier gekostet?«

      »Nein.«

      »Nun, dann ist es eben kein großes Wunder, daß Sie sich um die betreffenden Preise nicht bekümmert haben.«

      »Wußten Sie es denn?«

      »Ja.«

      »Und da verlangen Sie vierundzwanzig Flaschen! Das sind achtundvierzig Mark, die in noch nicht fünf Minuten durch die Gurgel gelaufen sind! Ihr Hund allein hat acht Mark vertrunken; das sind zwei Thaler zwanzig Groschen. Welche Verschwendung, da Sie den Preis gekannt haben!«

      Der gute Turnerstick war eigentlich ein sparsamer Mann, wenn auch kein Filz. Sechzig Mark, sage zehntausend Li für Bier, das war ihm doch zu viel; darüber hatte ihn der Zorn ergriffen. Der Methusalem berücksichtigte das, indem er in ruhigem Tone meinte:

      »Meine Mittel erlauben mir das. Uebrigens war es ein Willkommentrunk, den ich nicht zu wiederholen beabsichtige, und ich konnte nicht wissen, daß Sie diese Zeche auf sich nehmen wollten. Jetzt denke ich, daß Sie die Absicht, zu bezahlen, aufgeben werden?«

      Der Kapitän antwortete nicht. Er hatte behauptet, nicht zurücktreten zu wollen, aber die Summe war ihm doch zu hoch. Mijnheer van Aardappelenbosch war der Szene mit großem Interesse gefolgt. Seine Kenntnis der deutschen Sprache ermöglichte es ihm, jedes Wort zu verstehen. Um dem Kapitän, welcher vorher den großen Mund gehabt hatte und nun mit der Bezahlung zögerte, einen kleinen Hieb zu geben, sagte er zu dem Kellner, welcher ihn bedient hatte:

      »Oppasser, ik zull mijn gelag betalen, maar in Li – Kellner, ich will meine Zeche bezahlen, aber in Li!«

      »Drie duizend en vijf hondert Li,« antwortete der Markeur.

      »Zijn vijf Dollars, twintig Mark en tachtig feningen – sind fünf Dollars, zwanzig Mark und achtzig Pfennige.«

      Er griff in die Tasche, zog die fünf Dollars und noch ein Trinkgeld heraus und gab es ihm. Turnerstick hatte alles verstanden, da die holländischen Zahlwörter den deutschen und englischen ähnlich klingen.

      »Fast einundzwanzig Mark!« sagte er. »Das nenne ich Preise!«

      »lk heb goed ontbeten en goed gedronken; ik heb mij goed vermaakt en will dus ook gaarne goed betalen – ich habe gut gefrühstückt und gut getrunken; ich habe mich gut amüsiert und will also auch gern gut bezahlen,« antwortete der Dicke.

      Turnerstick merkte den Stich. Er fühlte sich an der Ehre gepackt, zog seinen Beutel und sagte in spitzem Tone:

      »Das will ich auch, obgleich ich gar nicht gegessen und nur einige Schlucke Lagerbier getrunken habe. Hier sind fünfzehn Dollars! Das macht sogar noch mehr als die Zeche. Der Ueberschuß mag Trinkgeld sein. Ein chinesischer Mandarin läßt sich nicht lumpen.«

      »Ganz recht!« lachte der Methusalem. »Wie lange haben wir uns noch als Ihre Gäste zu betrachten?«

      »Bis zu diesem Augenblick; nun aber ist es aus.«

      »Also treten Sie doch zurück?«

      »Ja. Ich habe keine Lust, in China bankerott zu werden. Ich wollte für Sie bezahlen, so lange wir uns in Hongkong befinden; aber wir bleiben bis morgen hier, und wer weiß, wie hoch da die Pension zu stehen kommt.«

      »Hier an der Wand ist es angeschlagen, pro Mann fünf Dollars ohne die Getränke.«

      »Das wären zwanzig Dollars, und wenn Sie so forttrinken, wie Sie angefangen haben und sich dabei sogar von dem Neufundländer unterstützen lassen, so müßte ich, Wein und anderes gar nicht gerechnet, nur für Bier dreihundert Mark bezahlen. Danke bestens! Unsereiner hat doch auch eine gute Gurgel, aber bei Euch läuft‘s ja wie durch Kellerlöcher. Eure Kehle ist das größte Leck, das es nur geben kann. Es zieht die ganze See ein und kann nie verstopft und kalfatert werden.«

      »Und anstatt am Lecke pumpen wir unmoralischerweise an den Manichäern herum!« stimmte der Blaurote lustig ein.

      »So ist es; geht mich aber nichts an. Uebrigens werden Sie am wenigsten an derartigen Pumpen gestanden haben.«

      »Habens auch nicht nötig,« bemerkte Gottfried von Bouillon. »Unsere finanzielle Konstitution hat kein Jebrechen aufzuweisen. In dieser Beziehung sind wir anderen stets über jewesen, wat ich mit aller Fourore hiermit konstatieren muß. Also Ihre Leib- und Lieblings-Jäste sind wir nun nicht mehr. Dat ist jut, denn nun können wir uns nach unserem individuellen Jelüste und müssen uns nicht mehr nach Ihrem Jeldbeutel richten. Wie steht es mit das Fäßchen, oller Methusalem? Von wejen dem Salamander ist es freilich nichts; aberst wir könnten zur Abwechslung doch mal versuchsweise einen Turnerstick reiben.«

      »Danke!« rief der Kapitän. »Ich mag nicht noch mehr gerieben werden. Ich habe auch ohnedies, wohin ich sehe, meinen grünen Aerger. Habe ich nicht das herrlichste Chinesisch gesprochen, ohne daß der Wirt mich verstehen wollte? Das war die strafwürdigste Auflehnung gegen meine Mandarinenwürde. Aber das Holländische des Mijnheer hat der Kellner gleich verstanden!«

      »Weil dieser Mann des Niederländischen mächtig ist, wie leicht zu hören war,« erklärte Degenfeld. »Ich rate Ihnen, Ihren Groll schwinden zu lassen, aber – —«

      »Aberst dat Fäßchen lassen wir nicht schwinden,« fiel ihm Gottfried, um Turnerstick zu ärgern, in die Rede. »Dat muß anjeschwommen kommen!«

      »Bier gibt es hier nur in Flaschen; von einem Faß kann also überhaupt nicht die Rede sein!«

      »So soll ich wohl vor Durst zu meinen Ahnen hinüber schmachten? So pflanze mir eine einsame Ranke Hopfen auf mein frühes Jrab, und denk dabei, an dich sei alles Malz verloren!«

      Während dieser Wortfechterei hatte der Mijnheer dem Wirte heimlich einige Worte gesagt. Infolgedessen brachten die Kellner dreißig Bierflaschen herbei, welche sie in Reih und Glied auf den Tisch pflanzten.

      »Wat ist dat?« rief Gottfried elektrisiert. »So einen halben Zug Garde du Korps lasse ich mich jefallen! Welcher ingeniale Stratege hat diese Helden ins Vordertreffen jeschickt?«

      »Ik ben deze veldheer,« antwortete der Dicke. »Hier is her slagveld en de belegering, en wij zijn dappere krijgslieden. jagen wij alzoo onze vyanden buiten veld – ich bin dieser Feldherr. Hier ist das Schlachtfeld und die Belagerung. Wir sind tapfere


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