Der Schut. Karl May

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Der Schut - Karl May


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Propheten. Der Verstorbene hat die heiligen Orte besucht und vom Wasser des Zemzem getrunken. Seine sündige Seele wird vielleicht Gnade finden, wenn Allah aus deinem Mund den Dialekt vernimmt, in welchem der Erzengel Tschebrail (* Gabriel.) mit dem Propheten redete. Ich verstehe nicht so wie du, ihn zu sprechen. Laßt uns also niederknien und beten!«

      Sie ließen sich am offenen Grab auf ihre Knie nieder, die Gesichter nach Mekka gerichtet. Ich allein blieb stehen. Ich war diesen Leuten gern zu Willen, doch widerstrebte es mir, die Fatha kniend zu sprechen. Nachdem sie sich dreimal verneigt hatten, rief Halef die sieben vornehmsten Eigenschaften Gottes aus, und dann begann ich in der eigenartigen Rhythmik und der Koreisch-Mundart des Originales:

      »El Hamdu lillahi, rabbi 'l 'alamina. Er rahmani 'r 'rahimi, Maliki yaumi 'd dini! Iyyake nabodu, we iyyake nestaïnu, Ibdinah 'ss ssirata 'l mustakina. Ssirata 'l ladsina enamta alaihim, Ghairi 'l maghdhubi alaihim, We la 'dh dhalina!«

      Das ist auf deutsch:

      »Preis sei Allah, dem Herrn der Welten, dem Barmherzigen und Gnädigen, dem Herrscher am Tage des Gerichtes! Dich beten wir an; dich flehen wir um Hilfe; führe uns auf den geraden Weg. Auf den Weg derer, denen du Huld bewiesen, nicht derer, denen du zürnest, noch derer, die in der Irre wandeln!«

      Und nun betete Halef mit lauter Stimme und indem er die gefalteten Hände erhob:

      »Im Namen des allbarmherzigen Gottes! Höret, ihr Sterblichen, die Stunde des Gerichtes nahet heran. In dieser Stunde werden die Augen der Menschen gräßlich vor sich hinstarren; kein Augenlid wird zucken, und ihre Herzen werden ohne Blut sein.

      Die Erde wird beben und ihre Lasten abschütteln, und der Mensch wird schreien: »Wehe, was ist ihr zugestoßen!« Dann wird sie den Auftrag verkündigen, der ihr von Allah geworden ist.

      Die Sonnen werden zittern, die Sterne erbleichen und die Berge schwanken. Die Kamelstute wird ihre Jungen vergessen, und die Raubtiere werden sich angstvoll zusammendrängen. Das Meer wallt auf und die Himmel werden hinweggenommen. Die Hölle wird angefacht und das Paradies der Erde nahegerückt werden. Der Mond wird sich spalten, und die Menschen werden vergeblich nach einem Zufluchtsort schreien.

      Darum wehe dir, wehe dir! Und abermals wehe dir und wehe dir! Hast du deine Seele nicht bereitet, vor dem Richter zu bestehen, so wäre es dir besser, du wärest nie geboren. Die Verdammnis wird dich umfangen und dich nicht wieder ausspeien in alle Ewigkeit.

      Und wohl aber dir, wohl dir! Und abermals wohl dir! Hast du deine Sünden im Wasser der Reue gewaschen und sie hier zurückgelassen, so hast du es nicht zu fürchten, daß an jenem Tage die Hölle herangebracht wird, denn Allah wird kommen mit einer Engelsschar und dich einführen in sein Paradies.«

      Der Hadschi verneigte sich dreimal und stand dann auf. Sein Gebet war zu Ende. Wir überließen es dem Konakdschi, dem Kohlenhändler und seinem Weib, die Grube mit Erde zu füllen, und kehrten nach dem Hause zurück, wo wir uns beim Feuer niederließen.

      Jetzt konnten wir die Pferde wieder aus dem Schuppen holen, damit sie weideten. Der Bär war nicht mehr zu fürchten.

      Wir selbst bedurften der Ruhe. Es gab für uns nichts mehr zu tun, und so nahmen wir die Sättel unter die Köpfe, um zu schlafen. Aus Vorsicht aber mußte einer wachen. Die Ablösung sollte alle Stunden erfolgen. Wir durften den dreien, welche sich dort beim Grab befanden, nicht trauen.

      Zuvor untersuchte ich meinen Fuß. So sorgfältig und fest ich ihn betastete, ich empfand keine Schmerzen. Die Büchse hatte ich natürlich gesucht und gefunden. Die Waffen befanden sich zum augenblicklichen Gebrauch neben uns, und so lagen wir da und schlossen die Augen.

      Aber wir wurden noch einmal gestört. Die zwei Männer kamen mit der Frau, um den Bären in das Haus zu schaffen. Dabei kam mir ein Gedanke. Ich stand wieder auf und schnitt mir ein tüchtiges Stück von der dicken Fettlage ab, welche der amerikanische Jäger Bearfat, Bärenspeck, nennt. Die Drei standen dabei, ohne mich zu fragen, wozu ich das nehmen wolle. Dabei bemerkte ich, daß an dem linken Fuß des Kohlenhändlers, welcher weder Schuhe noch Stiefel trug, die kleine Zehe fehlte.

      »Du hast nur vier Zehen am linken Fuß. Wie hast du sie verloren?«

      »Das Rad meines schwer beladenen Wagens ging darüber und hat sie mir zerquetscht. Sie hing so locker am Fuß, daß ich sie mir abschneiden mußte. Warum fragst du?«

      »Ohne alle Absicht. Ich erblickte soeben den Fuß.«

      »Nimmst du noch von dem Fleisch oder können wir es nun forttragen?«

      »Schafft es hinein; es ist euer.«

      Sie schleppten die schwere Last fort. Meine Gefährten hatten mein Tun beobachtet, und Halef erkundigte sich:

      »Wozu hast du das Fett genommen, Sihdi? Wir brauchen es doch nicht.«

      »Wir werden es vielleicht sehr nötig haben. Wenn wir in die Höhle der Juwelen kommen, wird es finster in derselben sein.«

      »Willst du sie denn wirklich betreten?«

      »Das weiß ich noch nicht. Es ist zu vermuten, daß ich es tue, und da kann ich mir mittels des Fettes eine Lampe machen.«

      »So mußt du doch auch einen Docht haben. Da liegt noch der Fetzen, in welchen die Wurst gewickelt war. Der Wirt hat ihn liegen lassen. Wir können das Fett einwickeln und ihn dann als Docht benutzen.«

      »Tue das! Ich möchte das Zeug nicht wieder anfassen.«

      »Aber ich soll es tun?«

      »Ja, du wirst dich nicht scheuen, denn du hast ja alles, was hineingewickelt war, mit großem Appetit — — «

      »Schweig, Sihdi!« rief er hastig. »Ich mag nichts hören und will dir deinen Willen tun.«

      Er stand auf, wickelte das Fett ein und steckte es in die Tasche seines Sattels.

      Von nun an wurden wir nicht wieder gestört; doch mußte ich schon nach einer Stunde aufstehen, weil das Los der zweiten Wache auf mich gefallen war.

      Im Hause brannte noch Licht. Ich war müde, und um mich wach zu halten, ging ich auf und ab. Dabei kam ich zu der Türe. Ich probierte und fand, daß sie verriegelt war. Ein beißender Rauch kam aus den Fenstern, und es roch nach gebratenem Fleisch. Ich sah hinein, und richtig, die Drei hatten in der Stube ein Feuer angezündet und brieten Bärenfleisch, obgleich sie bereits am Abend große Portionen Pferdefleisch verschlungen hatten. Ich konnte sie leicht sehen. Sie sprachen sehr eifrig, indem sie sich Stück um Stück von dem Fleisch schnitten. Verstehen konnte ich nichts, weil ich an dem Frontfenster stand; sie aber saßen an der Giebelseite.

      Doch grad über ihnen war auch ein Fenster, ohne Glas natürlich. Ich begab mich dorthin und horchte. Der Rauch drang heraus. Ich nahm mein Taschentuch, hielt es vor Mund und Nase, schloß die Augen und schob den Kopf so weit wie möglich in die Fensteröffnung. Sehen konnten sie mich nicht, denn die Mauer war dick und das Fenster befand sich hoch über ihren Köpfen.

      »Ja, man muß mit diesen Halunken sehr klug und vorsichtig verfahren,« sagte der Konakdschi. »Ihr habt es gehört, daß der Deutsche mich und auch euch im Verdacht hat, es mit unsern Freunden zu halten. Diese Giaurs haben den Teufel im Leib und ganz besonders in den Augen. Sie sehen alles. Aber es ist heute ihre letzte Nacht.«

      »Meinst du das wirklich?« fragte der Wirt.

      »Ja, es ist sicher!«

      »Wollen es wünschen! Ich habe es auch gedacht, denn ich kenne meinen Schwager, den Köhler; er fürchtet sich vor der Hölle nicht. Aber seit ich die Männer gesehen, bin ich zweifelhaft geworden. Sie sind vorsichtig und kühn zugleich.«

      »Pah! Das soll ihnen nichts nützen.«

      »Nun denn, wer mit dem Messer einem Bären zu Leibe geht und ihn niedersticht, ohne selbst nur im geringsten verwundet zu werden, der fährt auch meinem Schwager an den Hals.«

      »Dazu darf es gar nicht kommen. Sie werden mit List in die Falle gelockt und darin umgebracht.«

      »Sie sollen doch kugelfest sein.«

      »Glaube das


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