Waldröschen I. Die Tochter des Granden. Karl May

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Waldröschen I. Die Tochter des Granden - Karl May


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gebeten habe, um sein Gutachten über die Krankheit des Vaters zu vernehmen. Ich erwarte, daß seine Anwesenheit auch dir willkommen sein wird!«

      Der mit eingetretene Arzt zog die Stirn in halb mißmutige und halb verächtliche Falten. Der Graf aber brauste auf:

      »Ein Arzt? Wer hat dir das erlaubt? Dies ist eine Eigenmächtigkeit sondergleichen! Ich hoffe, meinen Willen respektiert zu sehen! Du hast dich augenblicklich zurückzuziehen und diesen Menschen zu entlassen!«

      Bei dieser beleidigenden Rücksichtslosigkeit nahm das Angesicht der Gräfin die Blässe des Todes an, und sie mußte sich einige Augenblicke der Sammlung gönnen, ehe sie antworten konnte. Dann aber schien ihre herrliche Gestalt zu wachsen, sie streckte ihren Arm gebieterisch aus, und ihre Stimme klang hoheitsvoll, wie diejenige einer Königin, als sie entgegnete:

      »Vergiß nicht, mit wem du sprichst! Hier hat nur der Graf de Rodriganda zu gebieten, und wenn er daran verhindert sein sollte, so besitze ich ganz dasselbe Recht wie du, an seiner Stelle zu befehlen. Die Operation wird nicht stattfinden, bevor dieser Señor den Kranken nicht genau untersucht hat; ich will es so und werde verstehen, diesem Willen Nachdruck zu verschaffen!«

      Die Züge des jungen Grafen wurden schärfer; seine Stirnadern schwollen noch mehr, und seine Stimme erhielt einen geradezu heiseren Klang, als er, die Hand drohend erhoben, hart an die Schwester herantrat und ihr antwortete:

      »Du, du willst hier befehlen? Du, ein Mädchen? Pah! Die Operation findet statt, und dich werde ich durch die Dienerschaft entfernen lassen, wenn du nicht freiwillig gehst, und zwar augenblicklich. Ich bin gewohnt, nur das zu tun, was mir beliebt, das merke dir!«

      Dann wandte er sich an Sternau und fuhr diesen an:

      »Wer hat diese Tür eingetreten?« – »Ich«, antwortete der Gefragte ruhig. – »Mit welchem Recht? Unverschämter!« – »Mit dem Recht, das mir die verehrte Condesa Rodriganda gab. Mein Gehorsam ist also nicht im mindesten eine Unverschämtheit gewesen, vielmehr erkläre ich sehr gern, sehr aufrichtig und zugleich auch sehr ernst, daß ich noch hundert Türen eintreten würde, wenn die Gräfin es wünschen sollte!« Sternaus hohe, breite Gestalt schien sich bei diesen Worten noch zu vergrößern, und seine großen, ehrlichen Augen maßen den Grafen mit einem so milden, nachsichtigen Blick, als habe es der riesige Deutsche mit einem Schulknaben zu tun, mit dem man lind verfahren müsse. Das aber brachte diesen nur in einen noch höheren Grimm, er wandte sich von der Schwester ab, trat auf Sternau zu und drohte:

      »Fort, sage ich! Oder soll ich Sie vom Schloß hetzen lassen?«

      Sternau lächelte überlegen.

      »Ich bin auf den Ruf der Gräfin Rodriganda hier erschienen«, erwiderte er sehr gelassen, »um den Grafen, Ihren Herrn Vater, zu sehen. Das werde ich tun, trotz allen Widerspruchs und trotz aller Hunde, die man auf mich hetzen möchte. Ich verstehe ebenso gut mit Hunden, wie mit Menschen umzugehen, und lasse es darauf ankommen, ob man mich zwingen wird, mich gegen beide mit ganz der nämlichen Waffe zu verteidigen!« – »Elender!« brüllte Alfonzo, indem er seine Faust wie zum Schlag erhob. – »Señor de Rodriganda, sind Sie ein Graf, sind Sie ein Edelmann?«

      Diese Frage des Deutschen klang plötzlich so voll und scharf aus seiner mächtigen Brust hervor, und seine Augen schossen dabei einen so unwiderstehlichen Blick auf seinen Gegner, daß dieser unwillkürlich zurückwich, als Sternau sich an die Gräfin wandte und sagte: »Señorita, ich bitte, mich diesem Herrn vorzustellen, der jedenfalls ein Kollege von mir ist.«

      Er deutete dabei mit einem unverbindlichen Lächeln auf den spanischen Arzt, der sich während des heftiger werdenden Wortwechsels vorsichtig in eine Fensternische zurückgezogen hatte. Die Condesa nickte zustimmend mit dem Kopf and folgte seinem Wunsch mit den Worten:

      »Señor Doktor Carlos Sternau, Oberarzt in der berühmten Klinik des Professors Letourbier in Paris – Doktor Francas aus Madrid – ah, da treten auch die anderen Herren herbei. Doktor Milanos aus Cordova – Cordoba – und Doktor Cielli aus Manresa.«

      Wirklich traten jetzt die beiden anderen Ärzte langsam aus dem Nebenzimmer, herbeigerufen durch den überlauten Wortwechsel und die so ungewöhnliche Störung ihrer Vorbereitungen. Sie verbeugten sich mit großer Kälte vor dem Deutschen, und der zuerst anwesende Arzt, Doktor Francas aus Madrid, wechselte sogar die Farbe. Er war wohl der Begabteste und Unterrichtetste der drei und kannte jedenfalls den Namen des Professors Letourbier in Paris zu gut, um nicht zu wissen, daß er jetzt so ganz unerwartet und plötzlich einen Fachmann vor sich habe, dem vielleicht keiner von ihnen gewachsen sei. Er sah augenscheinlich ein, daß hierin eine ebenso große Gefahr für sie selbst, wie für ihr finsteres Unternehmen liege, der man nur durch die strenge und stolzeste Abwehr des Fremden begegnen konnte; darum erklärte er mit seiner harten, schnarrenden Stimme:

      »Dieser Señor ist mir unbekannt. Unsere Vorbereitungen sind bereits beendet, wir bedürfen keiner anderen Beihilfe. Wir sind von unserem hohen Patienten beauftragt worden, die Operation an ihm vorzunehmen, und wenn ich zu derselben nicht sofort und ohne weitere unberufene Einmischung schreiten kann, so stehe ich für nichts.« – »Hörst du?« sagte Graf Alfonzo zu seiner Schwester. »Entferne dich augenblicklich und befreie uns zugleich von dem Anblick eines Menschen, dem ich nicht erlauben werde, auch nur eine Minute länger auf Rodriganda zu verweilen!«

      Sie wollte antworten, aber Sternau winkte ihr zu schweigen.

      »Bitte, verehrteste Condesa«, sagte er, »gestatten Sie mir das Wort! Es ist meine Gegenwart, um die es sich handelt und darum will ich auch derjenige sein, der die Antwort gibt. Ich bin Arzt und zugleich Ihr Gast Condesa, und darum würde es von seiten Ihres Herrn Bruders die einfachste Höflichkeit und Rücksicht von seiten der anderen Herren aber die gewöhnlichste Kollegialität gebieten, Ihren Wünschen Folge zu leisten. Man tut das aber nicht. So stehe ich also hier nicht als ein höflich Bittender, sondern als der Beauftragte und ärztlich Bevollmächtigte der Gräfin Rosa de Rodriganda-Sevilla und erkläre folgendes: Da man eine so hochgefährliche Operation unter so verdächtigen Umständen vorzunehmen beabsichtigt, so habe ich den triftigsten Grund, zu glauben, daß man damit eine Absicht verfolgt, die das Licht des Tages und das Auge ehrlicher Zeugen zu scheuen hat. Darum erhebe ich mein Veto dagegen. Ich erkläre einen jeden, der den Schnitt unternehmen sollte, ehe ich den Patienten gesehen und gesprochen habe, für einen leichtsinnigen oder gar vorbedachten Mörder und werde, falls man darauf besteht, mich mit Gewalt zu entfernen, sofort polizeiliche Unterstützung herbeirufen, die den Wünschen der Gräfin sicher den nötigen Nachdruck geben wird.«

      Wie ein Fürst, wie ein König stand Sternau vor den Ärzten, mit hocherhobenem, stolzem Nacken und einem solchen machtvollen Blick in seinen Augen, als sei er nicht ein unbekannter Fremder, sondern der Besitzer des Schlosses.

      Doktor Francas entfärbte sich zum zweiten Mal, und zwar noch tiefer als bisher, und seine beiden Kollegen senkten ihren Blick unter verlegenem Erröten zur Erde nieder. Auch der Graf fühlte sich wie von einem Keulenhieb getroffen, aber er war nicht der Mann, ein bereits begonnenes Spiel wieder aufzugeben. Er versuchte sich zu beherrschen, zuckte wie mitleidig mit der Schulter und meinte:

      »Ein Wahnsinniger! Bei Gott, er ist nicht unverschämt, sondern nur wahnsinnig! Ich werde ihn den Dienern übergeben, damit sie ihn in das Irrenhaus bringen.«

      Schnell trat er zum Glockenzug und klingelte.

      »Das wirst du nicht tun!« rief die Gräfin, seine Hand erfassend.

      Aber schon erschallte der laute Klang des Signals durch den Korridor, und da das ungewöhnliche Ereignis die Dienerschaft bereits vorher bis an die Tür des Vorzimmers herbeigezogen hatte, so stand diese jetzt sofort und zahlreich zur Verfügung.

      »Schafft den Menschen fort!« gebot der Graf. »Er ist verrückt.«

      Statt aller Antwort drehte sich Sternau nach den Domestiken um und schritt auf dieselben zu. Sie konnten nicht einmal dem bloßen Eindruck seiner Gestalt und seiner Augen widerstehen, sie wichen vor ihm zurück bis hinaus auf den Korridor, worauf er hinter ihnen die Tür verschloß, den Schlüssel zu sich steckte und lächelnd zu den Gegnern zurückkehrte.

      »Graf, Ihre Leute versagen Ihnen den Gehorsam«, bemerkte er sehr gleichmütig. »Verlangen Sie es nicht anders von einem Fremden, den Sie ohne


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