Waldröschen III. Matavese, der Fürst des Felsens. Teil 1. Karl May

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Waldröschen III. Matavese, der Fürst des Felsens. Teil 1 - Karl May


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du dies übernehmen? Es wird gut bezahlt!« – »Ich tue es dennoch nicht, da es verboten ist. Es kommen oft Spitzbuben nach falschen Haaren, wenn ich ihnen den Willen täte, käme ich nicht aus dem Gefängnis heraus.« – »Aber hier handelt es sich doch nicht um einen Spitzbuben!« – »Weiß ich es?«

      Da nahm auch der Herr das Wort:

      »Papa Terbillon, wollt Ihr oder wollt Ihr nicht? Ich bin nicht gewohnt so lange Zeit gute Worte zu geben!«

      Erst jetzt erhob sich der Alte und machte eine Art Verbeugung.

      »Ah, das klingt wirklich, als ob Sie ein echter Edelmann seien. Werden Sie gut zahlen, wenn ich Ihnen diene?« – »Was verlangst du?« – »Das richtet sich ganz nach der Arbeit. Was wünschen Sie also?« – »Ich wünsche, vollständig unkenntlich gemacht zu werden. Wie du das anfängst und wie du es fertigbringst das ist deine Sache.« – »Unkenntlich für welche Zeit?« – »Hm«, sagte der Fremde nachdenklich. »Wenn ich es für längere Zeit sein will, und ich hätte Veranlassung, mein echtes Gesicht wieder zu zeigen, ehe diese Zeit verflossen ist, kann man dann die Imitation entfernen?« – »Sofort.« – »Und welches ist die längste Zeit?« – »Fünf bis sechs Wochen. Später wird der Bart zum Verräter.« – »So wollen wir es für diese Zeit versuchen. Was verlangst du?« – »Zweihundert Franken.« – »Alle Teufel, das ist viel«, meinte der Fremde. – »So gehen Sie zu einem anderen.« – »Pah, ich bleibe! Ich werde sie zahlen, aber nach beendigter Arbeit.« – »Und ich beginne die Arbeit nicht vorher. Es kommt mancher zu mir, der mich betrügt.«

      Der Fremde machte eine verächtliche Handbewegung und entgegnete:

      »Es handelt sich nur darum, ob deine Arbeit zweihundert Franken wert ist.« – »Tausend Franken ist sie wert«, beteuerte der Alte. – »Nun gut, so zahle ich dir jetzt die Hälfte und die andere Hälfte dann, wenn ich mit dir zufrieden bin.« – »Ich will es gelten lassen, Monsieur.« – »So nimm, hier.«

      Der Fremde zog ein Portefeuille hervor, öffnete es und nahm eine der darin liegenden Hundertfrankennoten hervor, die er dem Alten gab.

      Dieser tat gar nicht, als ob er das Portefeuille beachte, aber es war doch ein blitzschneller, scharfer Blick gewesen, den er darauf geworfen hatte.

      »Ich danke«, sagte er, indem er die Note in die Tasche seines Schlafrocks schob. »Setzen Sie sich gefälligst auf diesen Stuhl.«

      Während der Fremde Platz nahm, verschwand der Alte hinter einer dritten Tür und kehrte bald mit einem großen Kasten zurück, der Messer, Scheren, Kämme, Haare, Bartwolle, Farben und Beizen und verschiedene Flaschen, Schachteln und Büchsen enthielt.

      »Sie sind dunkelblond«, sagte er. »Soll ich Sie brünett oder schwarz machen?« – »So, daß man mich nicht erkennt, weiter verlange ich nichts.« – »Also schwarz.« – »Aber daß keine nachträglichen Spuren bleiben.« – »Keine Sorge, Monsieur.«

      Papa Terbillon begann sein Werk. Es ging höchst langsam vorwärts, aber es gelang ihm ausgezeichnet, er mußte eine ganz besondere Übung besitzen. Endlich trat er auf einen Augenblick in den Raum, in dem der Schmied saß.

      »Hast du dir ihn genau angesehen?« flüsterte er ihm zu. – »Ja«, antwortete Gerard ebenso leise. – »Er hat Geld, viel Geld.« – »Ich habe es gesehen.« – »Ich muß es haben, und zwar durch die Garotte. Wenn du es mir bringst, erhältst du zweihundert Franken Gratifikation.« – »Ich werde es versuchen und ehrlich sein.« – »Du hast deinen Tagelohn, du hast den Mann bei mir kennengelernt, folglich gehört sein Geld nun nur mir allein.« – »Mache dir keine Sorge, Papa Terbillon.« – »Gut, so verlasse jetzt das Haus und warte draußen auf ihn. Dann folgst du ihm und läßt ihn heute nicht wieder aus den Augen.« – »Wie kann ich das Haus verlassen, ohne daß er mich sieht?« – »Komm!«

      Terbillon zog Gerard weiter in das Dunkel hinein, bis an eine Treppe, die nach oben ging. Diese stieß an eine Tür, und als der Alte diese öffnete, stand Gerard auf dem Flur des Hinterhauses.

      »So, nun gehe! Ich werde heute warten, bis du kommst«, sagte Terbillon. – »Und wenn er mir nun erst spät in die Hände gerät?« – »So kommst du morgen früh.« – »Und wenn er heute vorsichtig ist?« – »So wird er morgen unvorsichtig sein. Adieu.«

      Terbillon schloß hinter dem jungen Mann wieder zu und kehrte dann nach seinem Atelier zurück. Hier tat er, als habe er noch einiges hinzuzufügen, und endlich sagte er:

      »Fertig! Das war eine tüchtige Geduldprobe.« – »Allerdings«, entgegnete der Fremde. »Ich hoffe, daß dein Werk desto besser geraten ist« – »Ich bin zufrieden«, sagte der alte Terbillon wohlgefällig. – »Wie steht es?« fragte der Fremde seinen Diener. – »Ausgezeichnet«, meinte dieser. »Der gnädige Herr sind unmöglich zu erkennen.« – »So wollen wir sehen!«

      Er trat an den Spiegel und fuhr um einen Schritt zurück.

      »Verdammt«, rief er. »Es ist wahr. Ich kenne mich selbst nicht.« – »Und welch noble Maske«, rief der Diener. – »Alter, du bist ein Virtous!« sagte der Fremde zu Terbillon. »Hier hast du die zweiten hundert Franken. Wie lange wird das Zeug halten?« – »Sechs Wochen.« – »Und wie habe ich mich zu verhalten?«

      Terbillon belehrte ihn, und die beiden Fremden gingen fort. Draußen auf der Straße blieb der Herr stehen und sagte zu seinem Diener:

      »Jetzt gehst du nach dem Bahnhof und holst die Effekten nach dem Hotel d‘Aigle. Ich komme nach.« – »Als was soll ich Sie ankündigen, gnädiger Herr?« – »Als das, was ich bin, als den Marchese Acrozza.«

      Der Diener eilte die Rue Racine hinab, um zum Bahnhof von Orleans zu gelangen, während der Herr langsam die Rue Mazarin hinaufschlenderte und sein Bild in den großen Ladenfenstern spiegelte.

      An einem derselben blieb er stehen. Er sah sich in Lebensgröße und erkannte erst jetzt, welch ein Meisterwerk Papa Terbillon geliefert hatte.

      Bei Gott, es kann mich kein Mensch erkennen, dachte er. Nicht einmal dieser scharfsinnige Vater, dieser Gasparino Cortejo, würde in mir seinen unehelichen Sohn, den Grafen Alfonzo de Rodriganda vermuten.

      Er ging weiter und setzte dabei seinen Gedankengang folgendermaßen fort: Wie gut ist es, daß auch dieser französische Diener meinen eigentlichen Namen nicht weiß! Er hält mich für den Marchese Acrozza. Man kann nicht vorsichtig genug sein.

      Damit trat er in ein Café und blieb darin, bis er glaubte, daß sein Diener sich bereits eingerichtet habe. Dann bestieg er eine Droschke und fuhr ebenfalls nach der Rue de la Barillerie.

      Vor dem Hotel d‘Aigle angekommen, wurde er mit Auszeichnung empfangen und von dem Wirt selbst auf seine Zimmer begleitet. Dort fragte der letztere nach den Wünschen des Gastes.

      »Diese Wünsche wird Ihnen mein Diener melden«, erwiderte Alfonzo de Rodriganda. »Für jetzt habe ich nur eine Frage: Wohnt hier vielleicht in der Nähe ein tüchtiger Arzt?« – »Mein Hausarzt, der der tüchtigste des ganzen Arrondissements ist, wohnt nicht weit von hier, in der Rue de la Calaudel.« – »Weiter gibt es keinen? Auch in Ihrem Haus zufällig nicht?« – »Nein.« – »So bin ich falsch berichtet. Ich hörte, daß ein Doktor Sternau bei Ihnen wohne.« – »Ah, das war bis gestern richtig.« – »So ist er gestern ausgezogen?« fragte Alfonzo enttäuscht. – »Ausgezogen nicht, sondern abgereist nach Deutschland.« – »Wo ist er abgefahren?« – »Vom Nordbahnhof. Er ließ sich sein Gepäck nach dem Bahnhof an der Barre St. Denis schaffen.« – »Welche Stadt war das Ziel seiner Reise?« – »Ich glaube, daß er von Mainz gesprochen hat, er stammte ja wohl aus jener Gegend. Er erzählte beiläufig, daß er dort Mutter und Schwester hat, und zwar auf einem Dorf oder Schloß der Umgegend.« – »Haben Sie den Namen desselben nicht gehört?« – »Ich glaube er nannte Rheinswalden.« – »Ich danke Ihnen. Wohnte er allein hier?« – »Nein. Er hatte einen Herrn und zwei Damen bei sich, die Spanier waren.« – »In welchem Verhältnis standen sie zu ihm?« – »Die jüngere Dame war krank. Er behandelte sie mit außerordentlicher Aufmerksamkeit, so daß man vermuten konnte, daß sie seine Gemahlin sei. Die beiden anderen Personen waren Diener.« – »Wurden sie nicht eingetragen?« – »Nein.«


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