Waldröschen IX. Erkämpftes Glück. Teil 2. Karl May

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Waldröschen IX. Erkämpftes Glück. Teil 2 - Karl May


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unseren Briefen. Er hat sie auf einer einsamen Insel ausgesetzt, von der sie nun entkommen sind. Sie befinden sich in Fort Guadeloupe bei unserem Feind Juarez. Ich nenne Dir Sternau, Mariano, zwei Helmers, Büffelstirn, Bärenherz, Emma Arbellez und Karja. Auch Don Ferdinando ist bei ihnen; er ist nicht tot, sondern er lebt. Vater ist nicht da, und ich bin krank. Ich sandte ihm diese Nachricht nach, damit er Maßregeln ergreifen könne. Gelingt es uns nicht, die Genannten abermals in unsere Hände zu bringen, so sind wir unbedingt verloren. In größter Sorge Deine Nichte

      Josefa.«

      Der frommen Schwester sank die Hand mit dem Brief nieder. Zarba aber hustete herausfordernd und sagte:

      »Nicht wahr, meine Nachricht bestätigt sich? Ich sehe es euch an!«

      Da fuhr Cortejo empor.

      »Schweig, Weib, sonst stopfe ich dir den Mund. Setze dir noch so viele Unwahrheiten zusammen, aber niemals wirst du deine Behauptung beweisen können, daß Graf Alfonzo ein falscher Rodriganda sei.« – »Meinst du?« lachte sie höhnisch. »Du irrst gewaltig, Gasparino Cortejo! Zunächst kann man dir beweisen, daß Mariano der echte Rodriganda ist. Der Räuber hat ihn nicht getötet. Und frage doch einmal deinen Sohn, den falschen Grafen, was ihm in Paris von einem Garotteur abgenommen wurde.« – »In Paris? Von einem Garotteur? Davon weiß ich nichts. Was sollte das gewesen sein?« – »Ich will es dir sagen. Es gibt Leute, die aus Gedächtnisschwäche oder anderen Ursachen alles aufschreiben, was sie tun oder was mit ihnen passiert. Diese Unvorsichtigen denken nie daran, daß ihre Aufzeichnungen in falsche Hände kommen können; ein solcher Schwachkopf ist dein Sohn. Er hat alle eure Geheimnisse notiert, und dieses Notizbuch wurde ihm von einem Garotteur abgenommen. Ich kenne den Inhalt Wort für Wort.« – »Himmel und Hölle, wer hat dieses Buch?« rief Cortejo, von dem Sofa auffahrend und auf die Zigeunerin zutretend. – »Das brauchst du nicht zu wissen.« – »Ah, du wirst es mir dennoch sagen! Ich lasse dich nicht eher fort, als bis du es gestanden hast.« – »Warte, ob es mir beliebt.« – »Nein, ich warte keinen Augenblick. Heraus damit.«

      Cortejo faßte die Zigeunerin am Arm, stieß aber im nächsten Augenblick einen Schmerzensschrei aus. Zarba hatte ihren kleinen Dolch gezogen und ihm in die Hand gestoßen. Zugleich hatte sie mit der Geschwindigkeit eines Wiesels das Zimmer verlassen. Ehe Cortejo sie erreichen konnte, hatte sie hinter den Bäumen des Parks Schutz gefunden.

      »Verdammte Schlange! Sticht wie eine Natter!« zürnte Cortejo, die Hand betrachtend. – »Bist du schwer verwundet, mein Lieber?« fragte Clarissa. – »Nein, der Stich ging zwischen zwei Fingern hindurch. Nicht der Rede wert. Aber desto mehr Stiche hat sie uns mit ihrer Zunge versetzt.« – »Es gilt uns vorzusehen, lieber Gasparino. Laß uns die einzelnen Punkte überlegen. Vorher aber sage einmal aufrichtig, ob es wirklich wahr ist von dem – Sohn.«

      Der Gefragte zögerte mit der Antwort, endlich erwiderte er, sich ein Herz fassend:

      »Hm, mag sein. Warum aber jetzt an solche Kleinigkeiten denken? Wir haben jetzt ganz andere Sachen zu überlegen. Zunächst Graf Ferdinando; er ist nicht gestorben.« – »Er wurde also nicht vergiftet, nicht getötet.« – »Hm. Wer trägt die Schuld?« – »Dein unvorsichtiger Bruder Pablo. Ich bin nicht klug oder schlecht genug, den Grund zu finden.« – »Ich glaube, ihn zu wissen.« – »Nun?« – »Er hat eine Tochter, und ich habe einen Sohn. Mein Sohn ist Erbe der Grafschaft; er sollte Josefa heiraten, damit das Mädchen teilnehmen könne an unserem Gewinn. Alfonzo mochte nicht. Jetzt fühlten sie sich zurückgesetzt und beschlossen, mir die Daumenschrauben anzulegen. Das war aber nur dann möglich, wenn sie Don Ferdinando nicht töteten, sondern zwar leben ließen, dabei aber unschädlich machten.« – »Das ist allerdings einleuchtend. Man wird sich zu revanchieren wissen. Was denkst du vom Wiedererscheinen der Verschwundenen?« – »Ich glaube es.« – »Ich halte es für einen Kunstgriff der Josefa.« – »Nein. Woher hätte Zarba denselben Gedanken?« – »Können die beiden nicht in Übereinstimmung handeln?« – »Nein. Ich bin überzeugt, daß Landola die ganze Sippschaft hat leben lassen.« – »Aber wozu? Doch zu seinem eigenen Schaden.« – Jetzt, ja, nicht aber sobald es ihnen nicht gelang, zu entkommen. Ich habe ihm seine Dienste reichlich bezahlt; er aber ist ein Mensch und nimmt also so viel wie möglich. Er hatte es in der Hand, die Gefangenen freizugeben; dies war das Rohr, mit dessen Hilfe er mich auspumpen konnte. Ich begreife nur nicht recht, warum er noch nicht damit begonnen hat.« – »Was aber nun tun? Die Wiedererschienenen müssen unbedingt so bald wie möglich verschwinden.« – »Das überlasse ich meinem Bruder. Für mich gibt es zwei Personen, die mir wichtiger sind als alle Sternaus und Marianos.« – »Wer?« – »Zarba und Landola. Ohne das Zeugnis dieser beiden kann uns kein Mensch etwas beweisen.« – »So mußt du diese beiden töten.« – »Die Zigeunerin jedenfalls.« – »Wann?« – »Noch heute. Sie weiß zu viel.« – »Und Landola?« – »Mit ihm müßte ich vorher Rücksprache nehmen. Vielleicht ist es besser, ihn noch so lange leben zu lassen, bis man ihn ausgenützt hat.« – »Befindet er sich noch in Barcelona?« – »Ja, er muß damals in Deutschland eine Unvorsichtigkeit begangen haben, da er sich sogar vor den spanischen Agenten verstecken muß. Dieser Bismarck beginnt den anderen Mächten zu imponieren. Schreiben wir übrigens Alfonzo, daß er uns von Madrid aus besuche. Auch er muß wissen, was geschehen ist und mit darüber verhandeln. Jetzt will ich mich vorbereiten.« – »Wegen Zarba?« – »Ja, und auch wegen Landola. Ich fahre noch in dieser Nacht nach Barcelona. In solchen Dingen kann man nicht schnell genug sein.« – »Aber auch nicht vorsichtig genug. Ich hoffe nicht, daß du dich in irgendeine Gefahr begibst.« – »Fällt mir gar nicht ein. Habe keine Angst.« – »Aber es liegt Schnee. Man wird deine Spur entdecken.« – »Man wird vielleicht eine Spur entdecken, aber die meinige nicht.« Sie trennten sich.

      2. Kapitel

      Eine Stunde später verließ Cortejo aus einer Seitentür das Schloß. Er hatte sich von einem der Bediensteten eine Flinte heimlich weggenommen und ebenso von zwei anderen die Stiefel. Wechselte er die letzteren, so entstanden zweierlei Fährten. Auf jeden Fall aber paßten später seine eigenen Stiefel nicht in die Spuren.

      Er machte einen Umweg und gelangte an den Platz, wo sich das Lager befand. Das Gewehr schußfertig, schlich er zwischen den Büschen heran. Er kannte das Leben in Zarbas Lager genau und wußte, daß man jetzt noch wach sei. Um die jetzige Zeit pflegte die Alte, eine Pfeife rauchend, noch vor ihrem Zelt zu sitzen, um den Erzählungen ihrer Horde zu lauschen.

      Er nahte sich von der Seite, von der aus ihm Zarba gerade gegenübersitzen mußte. Ein Druck seines Fingers, und sie war für immer unschädlich gemacht.

      So kroch er weiter und weiter, bis er die Randbüsche der Lichtung erreichte. Er blickte hindurch und stieß einen leisen Ruf der Überraschung aus. Das Lager war verschwunden.

      Weshalb sind sie fort? Warum hatte die Alte nichts davon gesagt? Hatte sie etwa Angst ihres Dolchstiches wegen? Diese Fragen legte sich Cortejo vor. Aber sollte er zwecklos nach Hause zurückkehren? Nein. Die Gitanos konnten den Platz erst vor kurzer Zeit verlassen haben. Er konnte sie sehr bald erreichen und dann die Alte erschießen.

      Er untersuchte also den Platz, um aus den Spuren zu ersehen, wohin sie sich gewandt hatten. Es wurde Cortejo sehr leicht, dies zu finden, und eben schickte er sich an, der breiten Fährte zu folgen, als er auf ein unvorhergesehenes Hindernis stieß.

      »Halt!« rief es ihm entgegen.

      Als er aufblickte, sah er vier Zigeunerburschen vor sich stehen.

      »Was wollt ihr?« fragte er. – »Ah, Ihr seid es, Señor Cortejo. Was sucht Ihr hier?« – »Was geht euch das an?« – »Sehr viel. Wir hatten Euch hier erwartet.« – »Mich? Weshalb? Wozu?« fragte er erstaunt. – »Unsere Königin hat es uns befohlen.« – »Ah! Unglaublich! Wie konnte sie wissen, daß ich in den Forst mußte?« – »Als sie vom Schloß kam, befahl sie den schnellsten Aufbruch …« – »Weshalb?« – »Wir wissen es nicht. Uns gebot sie, hier zurückzubleiben. Sie sagte uns, daß Señor Cortejo leise durch die Büsche komme und daß er die Spuren suchen werde, um uns zu folgen; das sollten wir nicht dulden.«

      Cortejo begann zu ahnen, daß sein gegenwärtiges Unternehmen vollständig mißglückt sei.

      »Warum solltet ihr das nicht dulden?« fragte


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