Winnetou 1. Karl May

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Winnetou 1 - Karl May


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einen Garten daran?«

      »Ja.«

      »Wenn nun der Nachbar einen Weg durch diesen Garten bauen wollte, würde das mein Bruder dulden?«

      »Nein.«

      »Die Länder jenseits der Felsenberge und im Osten des Mississippi gehören den Bleichgesichtern. Was würden diese dazu sagen, wenn die Indianer kämen und dort eiserne Pfade bauen wollten?«

      »Sie würden sie fortjagen.«

      »Mein Bruder hat die Wahrheit gesprochen. Nun aber kommen die Bleichgesichter hierher in dieses Land, welches uns gehört; sie fangen uns die Mustangs fort, sie töten unsre Büffel; sie suchen bei uns Gold und edle Steine. Nun wollen sie gar einen langen, langen Weg bauen, auf dem ihr Feuerroß laufen soll. Auf diesem Wege kommen dann immer mehr Bleichgesichter, welche über uns herfallen und uns auch noch das Wenige nehmen, was man uns gelassen hat. Was werden wir dazu sagen?«

      Bancroft schwieg.

      »Haben wir etwa weniger Recht als ihr? Ihr nennt euch Christen und sprecht immerfort von Liebe. Dabei aber sagt ihr: ihr könnt uns bestehlen und berauben; wir aber müssen ehrlich gegen euch sein. Ist das Liebe? Ihr sagt, euer Gott sei der gute Vater aller roten und aller weißen Menschen. Ist er nun unser Stiefvater, dagegen euer richtiger Vater? Gehörte nicht das ganze Land den roten Männern? Man hat es uns genommen. Was haben wir dafür bekommen? Elend, Elend und Elend! Ihr jagt uns immer weiter zurück und drängt uns immer weiter zusammen, so daß wir in kurzer Zeit elendiglich ersticken werden. Warum tut ihr das? Etwa aus Not, weil ihr keinen Raum mehr habt? Nein, sondern aus Habgier, denn in euern Ländern ist noch Platz für viele, viele Millionen. Jeder von euch möchte einen ganzen Staat, ein ganzes Land besitzen; der Rote aber, der wirkliche Eigentümer, darf nicht haben, wohin er sein Haupt zur Ruhe legt. Klekih-petra, welcher hier neben mir sitzt, hat mir von euerm heiligen Buche erzählt. Da ist zu lesen, daß der erste Mensch zwei Söhne hatte, von denen der eine den andern erschlug, so daß das Blut zum Himmel schrie. Wie ist es nun mit den zwei Brüdern, dem roten und dem weißen Bruder? Seid ihr nicht der Kain, und wir sind der Abel, dessen Blut zum Himmel schreit? Und dazu verlangt ihr noch, daß wir uns umbringen lassen sollen, ohne uns zu wehren! Nein, wir wehren uns! Wir sind von Ort zu Ort verjagt worden, weiter, immer weiter fort. Jetzt wohnen wir hier. Wir glaubten, einmal ausruhen und ruhig atmen zu können; aber da kommt ihr jetzt schon wieder, um einen Eisenweg abzustecken. Besitzen wir denn nicht dasselbe Recht, welches du in deinem Hause, in deinem Garten besitzest? Wollten wir unsere Gesetze anwenden, so müßten wir euch alle töten. Aber wir wünschen nur, daß eure Gesetze auch für uns gelten sollen. Tun sie das? Nein! Eure Gesetze haben zwei Gesichter, und diese dreht ihr uns zu, wie es zu euerm Vorteile ist. Du willst hier einen Weg bauen. Hast du uns um die Erlaubnis gefragt?«

      »Nein, denn das habe ich nicht nötig.«

      »Warum nicht? Ist dieses Land euer?«

      »Ich denke es.«

      »Nein. Es gehört uns. Hast du es uns abgekauft?«

      »Nein.«

      »Haben wir es dir geschenkt?«

      »Nein, mir nicht.«

      »Und auch keinem Andern. Bist du ein ehrlicher Mann und wirst hierher gesandt, um einen Weg für das Feuerroß zu bauen, so mußt du erst den Mann, der dich sendet, fragen, ob er das Recht dazu hat, und wenn er ja sagt, dir dies beweisen lassen. Das hast du aber nicht getan. Ich verbiete euch, hier weiter zu messen!«

      Dieses letztere sagte er mit einem Nachdrucke, dem man den bittersten Ernst anhörte. Ich war erstaunt über diesen Indianer. Ich hatte viele Bücher über die rote Rasse und viele Reden gelesen, welche von Indianern gehalten worden waren, so eine aber nicht. Intschu tschuna sprach ein klares, deutliches Englisch; seine Logik war ebenso wie seine Ausdrucksweise diejenige eines gebildeten Mannes. Sollte er diese Vorzüge Klekih-petra, dem »Schulmeister«, zu verdanken haben?

      Der Oberingenieur befand sich in großer Verlegenheit. Wenn er wahr und ehrlich sein wollte, so konnte er auf die vorgebrachten Beschuldigungen fast gar nichts entgegnen. Er brachte zwar einiges vor, aber das waren Spitzfindigkeiten, Verkehrungen und Trugschlüsse. Als ihm der Häuptling wieder antwortete und ihn in die Enge trieb, wendete er sich an mich:

      »Aber, Sir, hört Ihr denn nicht, wovon gesprochen wird? Nehmt Euch doch der Sache an, und redet auch ein Wort!«

      »Danke, Mr. Bancroft; ich bin als Surveyor hier, nicht aber als Advokat. Macht mit und aus der Sache, was Ihr wollt. Ich habe zu messen, nicht aber Reden zu halten.«

      Da bemerkte der Häuptling im entscheidenden Tone:

      »Es ist nicht nötig, daß fernere Reden gehalten werden. Ich habe gesagt, daß ich euch nicht dulde. Ich will, daß ihr noch heut von hier fortgeht, dahin, woher ihr gekommen seid. Entscheidet euch, ob ihr gehorchen wollt oder nicht. Ich gehe jetzt mit Winnetou, meinem Sohne, fort und werde wiederkommen nach der Zeit, welche die Bleichgesichter eine Stunde nennen. Dann sollt ihr mir Antwort geben. Geht ihr dann, so sind wir Brüder; geht ihr nicht, so wird das Kriegsbeil ausgegraben zwischen uns und euch. Ich bin Intschu tschuna, der Häuptling aller Apachen. Ich habe gesprochen. Howgh!«

      Howgh ist ein indianisches Bekräftigungswort und heißt so viel wie Amen, basta, dabei bleibt‘s, so geschieht‘s und nicht anders! Er stand auf und Winnetou auch. Sie gingen fort und schritten langsam das Tal hinab, bis sie um eine Biegung verschwanden. Klekih-petra war sitzen geblieben. Der Oberingenieur wendete sich an ihn und bat ihn um guten Rat. Er antwortete:

      »Macht was Ihr wollt, Sir! Ich bin ganz der Ansicht des Häuptlings. Es geschieht ein großes, fortgesetztes Verbrechen an der roten Rasse. Aber als Weißer weiß ich auch, daß der Indsman sich vergeblich wehrt. Wenn ihr heut von hier fortgeht, werden morgen Andere kommen, die euer Werk zu Ende führen. Aber warnen will ich euch. Der Häuptling meint es ernstlich.«

      »Wohin ist er?«

      »Er wird unsere Pferde holen.«

      »Habt ihr denn welche mit?«

      »Natürlich. Wir haben sie versteckt, als wir merkten, daß wir dem Bären nahe seien. Einen Grizzly sucht man doch nicht zu Pferde in seinem Verstecke auf.«

      Er stand auch auf und schlenderte fort, jedenfalls um sich weiterem Fragen und Drängen zu entziehen. Ich ging ihm nach und fragte trotzdem:

      »Sir, erlaubt Ihr mir, mit Euch zu gehen? Ich verspreche Euch, nichts zu sagen oder zu tun, was Euch inkommodiert. Es ist nur, weil ich mich so außerordentlich für Intschu tschuna interessiere und natürlich ebenso für Winnetou.«

      Daß auch er selbst mir große Teilnahme einflößte, wollte ich ihm nicht sagen.

      »Ja, kommt ein wenig mit, Sir,« antwortete er. »Ich habe mich von den Weißen und ihrem Treiben zurückgezogen; ich mag nichts mehr von ihnen wissen; aber Ihr habt mir gefallen, und so wollen wir einen Spaziergang miteinander machen. Ihr scheint mir der verständigste von allen diesen Menschen zu sein. Habe ich recht?«

      »Ich bin der jüngste und noch gar nicht smart; werde dies wohl auch nie werden. Das mag mir wohl das Aussehen eines leidlich gutherzigen Menschen geben.«

      »Nicht smart? Dies ist doch jeder Amerikaner mehr oder weniger.«

      »Ich bin kein Amerikaner.«

      »Was denn, wenn Euch die Frage nicht belästigt?«

      »Gar nicht. Ich habe keine Ursache, mein Vaterland, welches ich sehr liebe, zu verheimlichen. Ich bin ein Deutscher.«

      »Ein Deutscher?« fuhr er mit dem Kopfe schnell empor. »Dann heiße ich Sie willkommen, Landsmann! Das war es wohl, was mich gleich zu Ihnen zog. Wir Deutschen sind eigentümliche Menschen. Unsere Herzen erkennen einander als verwandt, noch ehe wir es uns sagen, daß wir Angehörige eines Volkes sind wenn es doch nun endlich einmal ein einiges Volk werden wollte! Ein Deutscher, der ein vollständiger Apache geworden ist! Kommt Ihnen das nicht außerordentlich vor?«

      »Außerordentlich nicht. Gottes Wege erscheinen oft wunderbar, sind aber stets sehr natürliche.«

      »Gottes Wege! Warum sprechen


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