Winnetou 2. Karl May

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Winnetou 2 - Karl May


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hatten, dadurch ausgleichen, daß sie ihn fühlen ließen, wie sehr sie einen rothäutigen Menschen verachteten. Dabei mochten sie der Ansicht sein, daß es mir und Old Death nicht einfallen werde, uns seiner anzunehmen, denn wenn nicht wir es waren, welche beleidigt wurden, so hatten wir uns nach den herrschenden Regeln ruhig zu verhalten und zuzuschauen, wie ein harmloser Mensch moralisch mißhandelt wurde. Also stand einer von ihnen auf, derselbe, welcher vorher mit mir angebunden hatte, und schritt langsam und in herausfordernder Haltung auf den Indsman zu. Ich zog meinen Revolver aus der Tasche, um ihn so vor mich auf den Tisch zu legen, daß ich ihn bequem erreichen konnte.

      »Ist nicht notwendig,« flüsterte Old Death mir zu. »Ein Kerl wie Winnetou nimmt es mit der doppelten Anzahl dieser Buben auf.«

      Der Rowdy pflanzte sich breitspurig vor den Apachen hin, stemmte die Hände in die Hüften und sagte:

      »Was hast du hier in Matagorda zu suchen, Rothaut? Wir dulden keine Wilden in unserer Gesellschaft.«

      Winnetou würdigte den Mann keines Blickes, führte sein Glas an den Mund, tat einen Schluck und setzte es dann, behaglich mit der Zunge schnalzend, wieder auf den Tisch.

      »Hast du nicht gehört, was ich sagte, verwünschte Rothaut?« fragte der Rowdy. »Ich will wissen, was du hier treibst. Du schleichst umher, um uns auszuhorchen, den Spion zu spielen. Die Rothäute halten es mit dem Halunken Juarez, dessen Fell ja auch ein rotes ist; aber wir sind auf seiten des Imperators Max und werden jeden Indianer aufknüpfen, welcher uns in den Weg kommt. Wenn du nicht sofort in den Ruf einstimmst: »Es lebe Kaiser Max«, legen wir dir den Strick um den Hals!«

      Auch jetzt sagte der Apache kein Wort. Kein Zug seines Gesichtes bewegte sich.

      »Hund, verstehst du mich? Antwort will ich haben!« schrie ihn der Andere jetzt in offenbarer Wut an, indem er ihm die Faust auf die Achsel legte.

      Da richtete sich die geschmeidige Gestalt des Indianers blitzschnell in die Höhe.

      »Zurück!« rief er in befehlendem Tone. »Ich dulde nicht, daß ein Cojote mich anheult.«

      Cojote wird der feige Prairiewolf genannt, der allgemein als ein verächtliches Tier angesehen wird. Die Indianer bedienen sich dieses Schimpfwortes, sobald sie jemandem ihre höchste Geringschätzung ausdrücken wollen.

      »Ein Cojote?« rief der Rowdy. »Das ist eine Beleidigung, für welche ich dir zur Ader lassen werde, und zwar augenblicklich!«

      Er zog seinen Revolver. Da aber geschah etwas, was er nicht erwartet hatte: Der Apache schlug ihm die Waffe aus der Hand, faßte ihn an den Hüften, hob ihn empor und schleuderte ihn gegen das Fenster, welches natürlich in Stücke und Scherben ging und mit ihm hinaus auf die Straße flog.

      Das war viel schneller geschehen, als man es erzählen kann. Das Klirren des Fensters, das Heulen der Hunde, das zornige Aufbrüllen der Genossen des auf diese Weise an die Luft Beförderten, das alles verursachte einen Heidenskandal, welcher aber von Winnetous Stimme übertönt wurde. Er trat auf die Burschen zu, deutete mit der Hand nach dem Fenster und rief:

      »Will noch einer von euch dort hinaus? Er mag es sagen!«

      Er war einem der Hunde zu nahe gekommen. Dieser fuhr nach ihm, erhielt aber von dem Apachen einen Fußtritt, daß er sich winselnd unter den Tisch verkroch. Die Sklavenaufseher wichen scheu zurück und schwiegen. Winnetou hielt keine Waffe in der Hand. Seine Persönlichkeit allein war es, welche allen imponierte. Keiner der Angegriffenen antwortete. Der Indianer glich einem Tierbändiger, wenn er in den Käfig tritt und die Wildheit der Katzen mit dem Blick seines Auges niederhält.

      Da wurde die Türe aufgerissen, und der durch das Fenster Geworfene, dessen Gesicht durch die Scherben des Glases leicht beschädigt worden war, trat herein. Er hatte das Messer gezogen und sprang unter einem wütenden Schrei auf Winnetou los. Dieser machte nur eine kleine Seitenbewegung und packte mit schnellem Griffe die Hand, welche das Messer hielt. Dann faßte er ihn grad so wie vorhin bei den Hüften, hob ihn empor und schmetterte ihn auf den Boden, wo der Rowdy besinnungs- und bewegungslos liegen blieb. Keiner der Gefährten des letzteren machte Miene, sich an dem Sieger zu vergreifen. Dieser griff so ruhig, als ob gar nichts geschehen sei, nach seinem Biere und trank es aus. Dann winkte er dem Wirt, welcher sich angstvoll nach der in sein Kabinett führenden Türe zurückgezogen hatte, zu sich, nahm einen Lederbeutel aus dem Gürtel und legte ihm aus demselben einen kleinen gelben Gegenstand in die Hand, dabei sagend:

      »Nehmt das für das Bier und für das Fenster, Master Landlord! Ihr seht, daß der »Wilde« seine Schuld bezahlt. Hoffentlich erhaltet Ihr auch von den Zivilisierten Euer Geld. Sie wollen keine »Rothaut« bei sich dulden. Winnetou, der Häuptling der Apachen, aber geht nicht, weil er sich vor ihnen fürchtet, sondern weil er erkannt hat, daß nur die Haut, nicht aber die Seele dieser Bleichgesichter von heller Farbe ist. Es gefällt ihm nicht bei ihnen.«

      Er verließ das Lokal, nachdem er seine Silberbüchse ergriffen hatte, ohne noch irgend wem auch nur einen Blick zuzuwerfen; auch mich sah er nicht an.

      Jetzt kam wieder Leben in die Rowdies. Ihre Neugierde aber schien größer zu sein als ihr Zorn, ihre Beschämung und auch ihre Sorge um den bewußtlosen Gefährten. Sie fragten vor allen Dingen den Wirt, was er erhalten habe.

      »Ein Nugget,« antwortete er, indem er ihnen das über haselnußgroße Stück gediegenen Goldes zeigte. »Ein Nugget, welches wenigstens zwölf Dollars wert ist. Da ist das Fenster reichlich bezahlt; es war alt und morsch und hatte mehrere Sprünge in den Scheiben. Er schien den ganzen Beutel voll solcher Nuggets zu haben.«

      Die Rowdies äußerten ihren Ärger darüber, daß eine Rothaut sich im Besitze einer solchen Menge Goldes befinde. Das Goldstück ging von Hand zu Hand und wurde nach seinem Werte abgeschätzt. Wir benutzten die Gelegenheit, um unsere Zeche zu bezahlen und uns zu entfernen.

      »Nun, was sagt Ihr zu dem Apachen, Master?« fragte mich Old Death, als wir uns glücklich draußen befanden. »Kann es einen zweiten solchen Indsman geben? Die Schurken wichen vor ihm zurück, wie die Sperlinge beim Anblicke eines Falken. Wie schade, daß ich ihn nicht mehr sehe! Wir hätten ihm ein wenig nachgehen können, denn ich möchte gar zu gern wissen, was er hier treibt, ob er außerhalb der Stadt lagert oder in einem Gasthause sich niedergelassen hat. Er muß sein Pferd irgendwo eingestellt haben, denn ohne Roß ist nie ein Apache und auch Winnetou nicht zu denken. Übrigens, Sir, habt auch Ihr Eure Sache gar nicht übel gemacht. Beinahe wäre mir Angst geworden, denn es ist immer gefährlich, mit solchen Leuten anzubinden; aber die kühne und gewandte Art, mit welcher Ihr die Hundebestie bedientet, läßt vermuten, daß Ihr nicht allzu lange Zeit ein Greenhorn bleiben werdet. Aber nun sind wir in der Nähe unseres Logementes angekommen. Gehen wir hinein? Ich denke nicht. Ein alter Trapper wie ich klemmt sich nicht gern zwischen Mauern ein, und ich habe am liebsten den freien Himmel über mir. Laufen wir also noch ein wenig in diesem schönen Matagorda umher. Ich wüßte nicht, wie wir die Zeit anders totschlagen wollten. Oder liebt Ihr es vielleicht, ein Spielchen zu machen?«

      »Nein. Ich bin kein Spieler und habe auch nicht die Absicht, einer zu werden.«

      »Recht so, junger Mann! Hier aber spielt fast jedermann, und nach Mexiko hinein wird es noch viel schlimmer; da spielt Mann und Weib, Katze und Maus, und die Messer sitzen nicht sehr fest. Erfreuen wir uns an einem Spaziergange! Dann essen wir und legen uns beizeiten auf das Ohr. In diesem gesegneten Lande weiß man ja niemals, ob, wie oder wo man sich des andern Abends zur Ruhe legen kann.«

      »So schlimm wird es doch wohl nicht sein!«

      »Ihr dürft nicht vergessen, Sir, daß Ihr Euch in Texas befindet, dessen Verhältnisse noch bei weitem nicht geordnet sind. Wir haben zum Beispiel vor, nach Austin zu gehen. Es ist aber sehr fraglich, ob wir dorthin kommen. Die Ereignisse in Mexiko haben ihre Wogen auch über den Rio grande herübergewälzt. Da geschieht manches, was sich sonst nicht zu ereignen pflegt, und überdies haben wir mit den Einfällen dieses Gibson zu rechnen. Wenn es ihm in den Sinn gekommen ist, die Fahrt nach Austin zu unterbrechen und irgendwo auszusteigen, sind wir natürlich gezwungen, dasselbe zu tun.«

      »Aber wie erfahren wir, ob er von Bord gegangen ist?«

      »Durch Nachfrage. Der Dampfer nimmt sich hier auf dem Colorado Zeit. Man hastet noch nicht so wie auf dem Mississippi


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