Winnetou 2. Karl May

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Winnetou 2 - Karl May


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Darum rät uns die einfachste Klugheit, diesen Kerlen ein Schnippchen zu schlagen, indem wir uns heimlich durch das Fenster aus dem Staube machen. Sie werden sich mehr darüber ärgern, als wenn wir uns stellen und einigen von ihnen die Schädel einschlagen, uns aber selbst dabei blutige Nasen oder gar etwas noch Schlimmeres holen.«

      Ich gab dem verständigen Manne im stillen recht, und auch Old Death sagte nach einer Pause:

      »So ganz unklug ist Eure Meinung freilich nicht. Ich will auf Euren Vorschlag eingehen und meine Beine mit allem, was daran hängt, zum Fenster hinausschieben. Hört doch einmal, wie sie brüllen! Ich glaube, sie sprechen von dem Abenteuer auf dem Steamer.«

      Er hatte recht. Die Neuangekommenen erzählten, wie es ihnen auf dem Dampfer ergangen war, dann von Old Death, dem Indianer und mir, sowie von der Hinterlist des Kapitäns. Über die Ausübung ihrer Rache waren sie nicht einig gewesen. Die sechs Rowdies und deren Anhang hatten den Dampfer erwarten wollen, die Andern aber nicht Lust oder Zeit dazu gehabt.

      »Wir konnten uns natürlich nicht eine ganze Ewigkeit lang an das Ufer setzen,« sagte der Erzähler, »denn wir mußten hierher, wo wir erwartet wurden. Darum war es ein Glück, daß wir eine naheliegende Farm fanden, auf welcher wir uns Pferde borgten.«

      »Borgten?« fragte einer lachend.

      »Ja, borgten, aber freilich nach unserer Weise. Sie reichten indessen nicht für uns, und wir mußten zu zweien auf einem Tiere sitzen. Später machte sich die Sache besser. Wir fanden noch andere Farmen, so daß schließlich auf jeden Mann ein Pferd kam.« Ein unbändiges Gelächter folgte dieser Diebstahlsgeschichte. Dann fuhr der Erzähler fort: »Ist hier alles in Ordnung? Und sind die Betreffenden gefunden?«

      »Ja, wir haben sie.«

      »Und die Anzüge?«

      »Haben zwei Kisten mitgebracht; das wird ausreichen.«

      »So gibt es ein Vergnügen. Aber auch die Spione und der Kapitän sollen ihr Teil haben. Der Steamer hält ja heute nacht hier in La Grange, und so wird der Kapitän zu finden Sein, und den Indianer und die beiden Spione werden wir auch nicht lange vergeblich zu suchen brauchen. Sie sind sehr leicht zu erkennen. Der Eine trug einen neuen Trapperanzug, und beide hatten Sättel mit, ohne aber Pferde bei sich zu haben.«

      »Sättel?« ertönte es jetzt in fast freudigem Tone. »Hatten nicht die Zwei, welche vorhin kamen und da draußen sitzen, ihre – —«

      Er sagte das übrige leiser, das galt natürlich uns.

      »Mesch‘schurs,« meinte der Schmied, »es ist Zeit, daß wir uns von dannen machen, denn in einigen Minuten kommen sie heraus. Steigt Ihr schnell voran! Eure Sättel reichen wir Euch hinaus.«

      Er hatte sehr recht, drum fuhr ich, ohne mich zu genieren, schleunigst zum Fenster hinaus; Old Death folgte, worauf die Schmiede uns unsere Sachen, auch die Gewehre, nachreichten und dann auch hinaussprangen.

      Wir befanden uns an der Giebelseite des Hauses auf einem kleinen, eingezäunten Platz, welcher wohl ein Grasgärtchen sein sollte. Als wir über den Zaun sprangen, bemerkten wir, daß auch die andern Gäste, welche sich mit uns in der kleinen Stube befunden hatten, durch das Fenster gestiegen kamen. Auch sie durften nicht hoffen, von Sezessionisten freundlich behandelt zu werden, und hielten es für das beste, unserm Beispiele zu folgen.

      »Nun,« lachte Lange, »sie werden Augen machen, die Kerle, wenn sie die Vögel ausgeflogen finden. Ist aber wirklich am besten so.«

      »Aber eine verteufelte Blamage für den Augenblick!« schimpfte Old Death. »Es ist mir ganz so, als ob ich ihr höhnisches Gelächter hörte.«

      »Laßt sie lachen! Wir lachen später, und das ist bekanntlich besser. Ich werde Euch schon beweisen, daß ich mich nicht vor ihnen fürchte, aber auf eine Wirtshausbalgerei lasse ich mich nicht ein.«

      Die beiden Schmiede nahmen uns unsere Sättel ab und versicherten, sie könnten es nicht zugeben, daß ihre Gäste eine solche Last selbst schleppen müßten. Bald standen wir zwischen zwei Gebäuden. Das eine, links von uns, lag in tiefes Dunkel gehüllt, in dem andern, rechts, schimmerte ein Licht durch die Ladenritze.

      »Sennor Cortesio ist zu Hause,« sagte Lange. »Dort, wo der Lichtstreifen durchdringt, wohnt er. Ihr braucht nur an die Türe zu klopfen, so wird er Euch öffnen. Seid Ihr mit ihm fertig, so kommt da links herüber, wo wir wohnen. Klopft an den Laden, welcher sich neben der Türe befindet! Wir werden indessen einen Imbiß fertig machen.«

      Sie begaben sich nach ihrem Hause, und wir beide wendeten uns nach rechts. Auf unser Klopfen wurde die Türe um eine schmale Lücke geöffnet, und eine Stimme fragte:

      »Wer sein da?«

      »Zwei Freunde,« antwortete Old Death. »Ist Sennor Cortesio daheim?«

      »Was wollen von Sennor?«

      Der Ausdrucksweise nach war es ein Neger, welcher diese Fragen stellte.

      »Ein Geschäft wollen wir mit ihm machen.«

      »Was, ein Geschäft? Es sagen, sonst nicht herein dürfen.«

      »Sage nur, daß Master Lange uns schickt!«

      »Massa Lange? Der sein gut. Dann wohl herein dürfen. Einen Augenblick warten!«

      Er machte die Türe zu, öffnete sie aber bereits nach kurzer Zeit wieder und brachte Bescheid:

      »Kommen herein! Sennor haben sagen, daß mit Fremden reden wollen.«

      Wir traten durch einen engen Hausflur in eine kleine Stube, welche als Kontor benutzt zu werden schien, denn ein Schreibpult, ein Tisch und einige Holzstühle waren das ganze, einfache Meublement. An dem Pulte stand ein langer, hagerer Mann, mit dem Gesicht nach der Türe gekehrt. Der erste Blick in sein Gesicht brachte das Ergebnis, daß er ein Spanier sei.

      »Buenas tardes!« beantwortete er unsern höflichen Gruß. »Sennor Lange sendet Euch? Darf ich erfahren, was Euch zu mir führt, Sennores?«

      Ich war neugierig, was Old Death antworten werde. Er hatte mir vorher gesagt, daß ich ihn sprechen lassen solle.

      »Vielleicht ist‘s ein Geschäft, vielleicht auch nur eine Erkundigung, Sennor. Wir wissen es selbst noch nicht genau,« sagte der Alte.

      »Wir werden ja sehen. Setzt Euch, und nehmt einen Zigarillo.«

      Er hielt uns das Zigarrenetui und Feuerzeug entgegen, welches wir nicht abschlagen durften. Der Mexikaner kann sich nichts, am allerwenigsten aber ein Gespräch, eine Unterhandlung ohne Zigaretten denken. Old Death, welchem ein Primchen zehnmal lieber war als die feinste Zigarre, nahm sich so ein kleines, dünnes Ding, brannte es an, tat einige gewaltige Züge, und – die Zigarette hatte ausgeraucht. Ich verfuhr mit der meinigen sparsamer.

      »Was uns zu Euch führt,« begann Old Death, »ist nicht von großer Bedeutung. Wir kommen nur deshalb so spät, weil Ihr nicht früher zu treffen waret. Und wir wollen mit diesem Besuche nicht bis morgen warten, weil uns die hiesigen Zustände gar nicht zu einem langen Bleiben hier einladen. Wir haben die Absicht, nach Mexiko zu gehen und Juarez unsere Dienste anzubieten. So etwas tut man natürlich nicht gern aufs Geratewohl. Man möchte eine gewisse Sicherheit haben, willkommen zu sein und angenommen zu werden. Darum haben wir uns unter der Hand erkundigt und dabei in Erfahrung gebracht, daß man hier in La Grange angeworben werden kann. Euer Name wurde uns dabei genannt, Sennor, und so sind wir zu Euch gekommen, und nun habt Ihr vielleicht die Gewogenheit, uns zu sagen, ob wir uns bei dem richtigen Manne befinden.«

      Der Mexikaner antwortete nicht sogleich, sondern betrachtete uns mit forschenden Blicken. Sein Auge schien mit Befriedigung auf mir zu haften; ich war jung und sah rüstig aus. Old Death gefiel ihm wohl weniger. Die hagere, nach vorn gebeugte Gestalt des Alten schien nicht geeignet zu sein, große Strapazen auszuhalten. Dann fragte er:

      »Wer war es, der Euch meinen Namen nannte, Sennor?«

      »Ein Mann, den wir auf dem Steamer trafen,« log Old Death. »Zufällig begegneten wir dann auch Master Lange und erfuhren von ihm, daß Ihr vor zehn Uhr nicht zu Hause sein würdet. Wir sind Nordländer deutscher Abstammung und haben gegen die Südstaaten gekämpft. Wir besitzen also militärische Erfahrung, sodaß


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