Homchen. Kurd Laßwitz

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Homchen - Kurd Laßwitz


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wird —«

      »Aber dafür ist‘s für uns zu spät, was das Fliegen anbetrifft«, rief der Igel. »Jetzt müssen wir auf unserm Wege weiter —«

      »Na, na, Igel! Das mit den Jungen, die schon alt auf die Welt kommen, ist doch Unsinn. Da war‘s schon besser, wenn wir Eier legen könnten —«

      »Das ist mir zu arg!« quiekte der Igel entrüstet. »Da würden wir ja auf den Echsenstandpunkt zurücksinken. Gerade darin liegt der Fortschritt, daß wir uns um unsre Jungen kümmern, daß wir sie erziehen und das Gesetz der roten Schlange lehren, daß wir für sie sorgen und sie uns kennen, damit sie uns nicht auffressen, wie der junge Hohlschwanz den alten.«

      Der Taguan machte ein schlaues Gesicht.

      »Hik, hik!« sagte er. »Das müßten wir auch beibehalten. Wir müssen nur die Eier nicht in den Sand graben, wir müssen sie hübsch bewachen und selbst ausbrüten. Dann können wir unsere Jungen richtig erziehen. Denn allerdings, auf Familie muß man halten.«

      »Und wenn nun der Winter kommt?« fragte Hörnchen.

      »Ja, mein lieber Neffe, das ist eben das Feine. Da brauchen wir nicht zu frieren und zu darben wir ihr. Dafür haben wir unsre Flügel. Da fliegen wir fort, weit fort, immer nach Süden, wo die Sonne höher steht. Da ist es noch warm, da hört der Sommer nicht auf. Und wenn es uns zu heiß wird, fliegen wir wieder zurück. Ist das nicht ein feiner Gedanke?«

      Homchen dachte nach, aber der Igel entschied unwillig.

      »Nein, nein, nein! Wenn ihr es so machen wollt, so wird es euch gehen wie uns Igeln, nur auf anderm Wege. Ein Stückchen kommt ihr wohl weiter, aber dann bleibt ihr stehen. Das seht ihr ja an unserm Winterschlaf. Wir dürfen den Schwierigkeiten nicht ausweichen, wir müssen sie bekämpfen, wir müssen uns ihnen gewachsen zeigen. Denn sonst wird es nichts mit dem Gehirn. Denken! Denken! Denken! Das hat die rote Schlange gesprochen, bevor es Echsen, Beutler und Vögel gab. Und was nutzt uns alles andre, wenn wir die Sicherheit auf Kosten des Denkens erreichen? Laß dich vom Taguan nicht irre machen, Homchen! Nicht in die Luft und nicht ins Wasser, sondern ein Oberbeutler, aber ein Säuger mit starken Armen und Beinen auf der festen Erde!«

      »Ich weiß nicht«, sagte Hörnchen, »wer von euch recht hat; aber ich habe einmal eine Sage gehört, es werde dereinst ein Tier kommen, das weder schwimmt noch fliegt, weder läuft noch klettert, sondern das rollt; Und das werde schneller und stärker sein als alle Tiere. Was wißt ihr wohl davon?«

      »Das ist dummes Zeug«, sagte der Taguan. »Es ist einmal ein runder Stern vom Himmel herunter gefallen auf einen Berg und ist den Berg hinabgerollt in eine Schlucht, wo die heiße Wolke wohnt. Da hat man gemeint, es sei ein Tier, ein ganz mächtiges, das die rote Schlange zu besuchen käme. Denn hinter der heißen Wolke soll ja die rote Schlange wohnen.«

      »Wo ist das?« fragte Homchen eifrig.

      »Ich war noch nicht dort«, sagte der Taguan.

      »Wie kann man über das Moor kommen?« erkundigte sich Homchen weiter.

      »Über das Moor kannst du nicht. Aber zwischen dem Moor und dem Wald ziehen sich die Hügel hin, auf denen wir sind; und wenn du auf diesen hinwanderst immer weiter und weiter nach Süden, so breiten sie sich mehr und mehr aus. Das ist die Steppe. Man muß sich aber immer am Walde halten, und wenn der Wald aufhört, so gehe man immer direkt nach Süden, dann fängt er wieder an. Du aber gehe nicht so weit, denn du würdest zu müde werden.«

      Homchen schwieg.

      Da sprach der Igel: »Schlag dir die Geschichte mit dem rollenden Tier aus dem Kopfe. Es ist Unsinn, das Rollen ist zwar gut, aber nur zum Schlafen. Und dazu ist auch jetzt Zeit. Ich kann dir, lieber Taguan, leider keinen Ast zum Aufhängen anbieten, aber für Homchen hab‘ ich dort ein weiches Grashäufchen. Und jetzt werde ich schlafen.« Damit rollte sich der Igel zusammen.

      »Ich fliege nach Hause. Gute Nacht!« sagte der Taguan.

      Homchen wollte noch etwas fragen, aber der Taguan war schon fort, und der Igel rührte sich nicht.

      Da duckte es sich ermüdet auf dem Grase zusammen. Alles, was es gehört hatte, ging ihm nun durch den Kopf. Und immer wieder drängte sich die Frage hervor: Wo find‘ ich die rote Schlange?

      Im Drachenmoor

      Die Sonne brütet über dem Drachenmoor. Schwül und heiß liegt die Luft über der Lagune, und Modergeruch steigt von den austrocknenden Schlammbänken auf.

      Im flachen Wasser wälzen sich häßliche, spindelförmige Ungeheuer von riesiger Länge. Von dem dicken Höcker in der Mitte mit den an den Leib gezogenen Füßen streckt es sich nach beiden Seiten fast zehn Meter lang in Gestalt einer Spitze — die eine stellt den Schwanz, die andre den Hals mit dem Kopfe des Tieres vor; und der Kopf ist so klein, daß man ihn vom Halse gar nicht unterscheiden kann. Diese Riesenspindeln fassen mit der Schnauze ein Bündel der üppig wuchernden Wasserpflanzen, und während sie daran schlingen, wälzen sie sich langsam über einander weg. Das sind ihre Liebesspiele. Und weiter tun sie überhaupt ihr Leben läng nichts, die dummen Bronto.

      Im hohen Grase der Uferwiese weidet ein Paar Stego. Diese riesigen Schildechsen watscheln auf ihren Hinterbeinen einander entgegen. Ihre Panzer schillern und funkeln im Sonnenlicht. Der furchtbare Rückenkamm starrt von Stacheln. Jetzt sitzen sie hochaufgerichtet vor einander und schlagen sich mit den Vorderpfoten gegenseitig auf die Brust, daß die festen Knochenplatten dröhnen. Aber das ist nur Zärtlichkeit. Bald umschlingen sie sich mit den Armen und pressen ihre haushohen Leiber aneinander. Es knarrt und rasselt weit über das Ufer hin bis an die einzelnen zerstreuten Büsche riesiger Sumpfweiden.

      Da stürzt es hervor mit schnellem, elastischem Schritt, auf den Zehen sich wiegend wie die anschleichende Katze, und doch hoch emporragend, schimmernd im Panzerschutz, der furchtbarste Drache der Welt. Das weit aufgerissene Maul starrt von scharfen, sichelförmigen Raubtierzähnen, die Augen funkeln in Mordlust. So stürmt die Großechse heran. Auf ihren Hinterbeinen hebt sie sich jetzt mehr als doppelt so hoch wie das Paar der Schildechsen, das in seiner Liebeswut nichts von der drohenden Gefahr merkt. Und über die eng Verschlungenen stürzt die Großechse von oben herab, beide zugleich mit ihren gewaltigen Armen zusammenpressend, daß die starken Knochenplatten unter der Riesenkraft krachen. Nichts hilft den Stego der Rückenkamm und die scharfen Stacheln. Die Raubechse hat ihre Körper zusammengezwängt und zermalmt mit dem furchtbaren Gebiß die Köpfe der Liebenden —

      Ein wandelnder Berg drängt sich der Atlanto durch den Urwald — zehn Meter hoch und vierzig lang — die Stämme brechen unter seinen Tritten, und das Laub ganzer Bäume verschwindet im Maule des Tieres. Hinter ihm her trottet eine Raubechse mit einem Horn auf dem Kopfe und weit hervorragenden Zähnen. Gegen jenen Atlanto, den sie verfolgt, ist die Nashornechse, obwohl immer noch größer als ein Elefant, fast nur ein Zwerg. Aber sie unterläuft den riesigen Pflanzenfresser und reißt ihm mit ihrem furchtbaren Horn den Leib auf — und andre scheußliche kleinere Drachen stürzen sich über die Eingeweide —

      Und die Bronto wälzen sich im Wasser —

      Und die Hohlschwänze jagen umher. Sie heulen und klappern ärger als je; denn Wut ist in sie gefahren, weil sie von allen Echsen verspottet werden. Einer ihrer Stärksten ist besiegt und getötet worden von einem verachteten Beutler, von dem kleinen Nachttier, das sich an den Tag gewagt hat.

      Die Hohlschwänze wüten und schreien Rache, aber weiter tun sie nichts und die andern Echsen auch nicht. Die Raubdrachen fressen, wen sie bezwingen können, und die Pflanzenfresser stopfen sich voll Gras und Laub. Die Bronto wälzen sich im Wasser, und draußen im Meere jagen die Schwimm- Echsen.

      Langsam neigt sich der Tag.

      Schon suchen die Echsen nach ihren Lagerstätten, da kommt eine ungewohnte Bewegung in die Bewohner des Moors. Die kleinen und schwachen Echsen, die sich sonst scheu verbergen, kommen furchtlos hervor, und alle Blicke richten sich neugierig nach Süden.

      Von Süden her naht sich schnell heranhüpfend eine Schar seltsamer kleiner Geschöpfe.

      Auf langem, schwanenhaftem Halse wiegen sie einen Vogelkopf


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