Durch die Wuste. Karl May

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Durch die Wuste - Karl May


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habe diesen Mann gebunden, weil er ein Mörder ist; deine Soldaten flohen vor mir, weil sie merkten, daß ich sie alle besiegen würde, und den Wekil habe ich gebunden, weil er mich schlagen und dann vielleicht sogar zum Tode verurteilen wollte, ohne mir Gerechtigkeit zu geben.«

      »Du sollst Gerechtigkeit haben!«

      Da wollte sich mir die Ueberzeugung aufdrängen, daß der Pantoffel im Oriente dieselbe zauberische Kraft besitzt, wie im Abendlande. Der Wekil sah seine Autorität bedroht und machte einen Versuch, sie wieder herzustellen:

      »Ich bin ein gerechter Richter und werde – — —«

      »Sus-olmar-sen – du wirst schweigen!« gebot sie ihm. »Du weißt, daß ich diesen Menschen kenne, der sich Abu en Nassr, Vater der Sieger, nennt; er sollte sich aber Abu el Jalani, Vater der Lügner, nennen. Er war schuld, daß man dich nach Algier schickte, grad als du Mülasim werden konntest; er war schuld, daß du dann nach Tunis kamst und hier in dieser Einsamkeit vergraben wurdest, und so oft er hier bei dir war, mußtest du etwas tun, was dir Schaden brachte. Ich hasse ihn, ich hasse ihn und habe nichts dagegen, daß dieser Fremdling hier ihn tötet. Er hat es verdient!«

      »Er kann nicht getötet werden; er ist ein Giölgeda padischahnün!«

      »Tut aghyzi, halte den Mund! Er ist ein Giölgeda padischanün, das heißt, er steht im Schatten des Padischah; dieser Fremdling aber ist ein Giölgeda wekilanün, das heißt, er steht im Schatten der Statthalterin, in meinem Schatten, hörst du? Und wer in meinem Schatten steht, den soll deine Hitze nicht verderben. Steh auf und folge mir!«

      Er erhob sich; sie wandte sich zum Gehen, und er machte Miene, sich ihr anzuschließen. Das war natürlich ganz gegen meine Absicht.

      »Halt!« gebot ich, indem ich ihn nochmals beim Genick faßte. »Du bleibst da!«

      Da wandte sie sich um.

      »Hast du nicht gesagt, daß du ihn freigeben willst?« fragte sie.

      »Ja, doch nur unter der Bedingung, daß er an seinem Platze bleibt.«

      »Er kann doch nicht in alle Ewigkeit hier sitzen bleiben!«

      »Du hast recht, o Perle von Kbilli; aber er kann jedenfalls so lange hier bleiben, bis meine Angelegenheit erledigt ist.«

      »Die ist bereits erledigt.«

      »Inwiefern?«

      »Habe ich dir nicht gesagt, daß du uns willkommen bist?«

      »Das ist richtig.«

      »Du bist also unser Gast und sollst mit den Deinen so lange bei uns wohnen, bis es dir gefällig ist, uns wieder zu verlassen.«

      »Und Abu en Nassr, den du Abu el Jalani genannt hast?«

      »Er bleibt dein, und du kannst mit ihm machen, was du willst.«

      »Ist das wahr, Wekil?«

      Er zögerte, eine Antwort zu geben, doch ein strenger Blick aus den Augen seiner Herrin zwang ihn, zu sprechen:

      »Ja.«

      »Du schwörst es mir?«

      »Ich schwöre es.«

      »Bei Allah und seinem Propheten!«

      »Muß ich?« fragte er Madame, die Rose von Kbilli.

      »Du mußt!« antwortete sie sehr entschieden.

      »So schwöre ich es bei Allah und dem Propheten.«

      »Nun darf er mit mir gehen?« fragte sie mich.

      »Er darf,« antwortete ich.

      »Du wirst nachkommen und mit uns einen Hammel mit Kuskussu speisen.«

      »Hast du einen Ort, an dem ich Abu en Nassr sicher aufbewahren kann?«

      »Nein. Binde ihn an den Stamm der Palme dort an der Mauer. Er wird dir nicht entfliehen, denn ich werde ihn durch unsere Truppen bewachen lassen.«

      »Ich werde ihn selbst bewachen,« antwortete Omar an meiner Stelle. »Er wird mir nicht entfliehen, sondern mit seinem Tode das Leben meines Vaters bezahlen. Mein Messer wird so scharf sein, wie mein Auge.«

      Der Mörder hatte von dem Augenblick seiner Fesselung an nicht das kleinste Wort gesprochen; aber sein Auge glühte tückisch und unheimlich auf uns, als er uns nach der Palme folgen mußte, an welcher wir ihn festbanden. Es lag wahrhaftig nicht in meiner Absicht, ihm das Leben zu nehmen; aber er war der Blutrache verfallen, und ich wußte, daß keine Bitte meinerseits Omar vermocht hätte, ihn zu begnadigen. Ed d‘em b‘ed d‘em, oder wie der Türke sagt, kan kanü ödemar, das Blut bezahlt das Blut. Am liebsten wäre es mir trotz allem gewesen, wenn es ihm gelingen konnte, ohne meine Mitwissenschaft zu entwischen; aber so lange ich mich auf seiner Fährte befunden hatte und so lange er sich in meiner Gewalt befand, mußte ich ihn als Feind und Mörder betrachten und also auch als solchen behandeln. Gewiß war es auf alle Fälle, daß er mich nicht schonen würde, falls ich das Unglück haben sollte, in seine Hand zu fallen.

      Ich ließ ihn also in der Obhut Omars und begab mich mit Halef nach dem Selamlük. Unterwegs fragte mich der kleine Diener:

      »Du sagtest, dieser Mensch sei kein Moslem. Ist dies wahr?«

      »Ja. Er ist ein armenischer Christ und gibt sich da, wo er es für geboten hält, für einen Mohammedaner aus.«

      »Und du hältst ihn für einen schlechten Menschen?«

      »Für einen sehr schlechten.«

      »Siehst du, Effendi, daß die Christen schlechte Menschen sind! Du mußt dich zum wahren Glauben bekennen, wenn du nicht in alle Ewigkeit in der Dschehenna braten willst!«

      »Und du wirst selbst so lange darin braten!«

      »Weshalb?«

      »Hast du mir nicht erzählt, daß im Derk Asfal, in der siebenten und tiefsten Hölle, alle Lügner und Heuchler braten und die Teufelsköpfe vom Baume Zakum essen müssen?«

      »Ja, aber was habe ich damit zu schaffen?«

      »Du bist ein Lügner und Heuchler!«

      »Ich, Sihdi? Meine Zunge redet die Wahrheit, und in meinem Herzen ist kein Falsch. Wer mich so nennt, wie du mich nanntest, den wird meine Kugel treffen!«

      »Du lügst, Mekka gesehen zu haben, und heuchelst, ein Hadschi zu sein. Soll ich das dem Wekil erzählen?«

      »Aman, aman, verzeihe! Das wirst du nicht tun an Hadschi Halef Omar, dem treuesten Diener, den du finden kannst!«

      »Nein, ich werde es nicht tun; aber du kennst auch die Bedingung, unter welcher ich schweige.«

      »Ich kenne sie und werde mich in acht nehmen, doch wirst du dennoch ein wahrer Gläubiger werden, du magst nun wollen oder nicht, Sihdi!«

      Wir traten ein und wurden bereits von dem Wekil erwartet. Es war keineswegs die freundlichste Miene, mit welcher er mich empfing.

      »Setze dich!« lud er mich ein.

      Ich folgte seiner Aufforderung und nahm hart neben ihm Platz, während Halef sich mit den Pfeifen zu tun machte, welche man mittlerweile in einer Ecke des Raumes bereitgestellt hatte.

      »Warum wolltest du das Angesicht meines Weibes sehen?« begann die Unterhaltung.

      »Weil ich ein Franke bin, der gewohnt ist, stets das Angesicht dessen zu sehen, mit dem er spricht.«

      »Ihr habt schlechte Sitten! Unsere Frauen verbergen sich, die eurigen aber lassen sich sehen. Unsere Frauen tragen Kleider, die oben lang und unten kurz sind; die eurigen aber haben Gewänder, welche oben kurz und unten lang, oft auch oben und unten zugleich kurz sind. Habt ihr jemals eine unserer Frauen bei euch gesehen? Eure Mädchen aber kommen zu uns, und weshalb? O jazik, o wehe!«

      »Wekil, ist das die Gastfreundschaft, welche mir von euch geboten wurde? Seit wann ist es Sitte geworden, den Gastfreund mit einer Beleidigung zu empfangen? Ich brauche weder deinen Hammel noch dein Kuskussu und werde wieder hinuntergehen in den Hof. Folge mir!«

      »Effendi, verzeihe mir! Ich wollte dir nur sagen, was ich dachte,


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