Deutsche Humoristen, Zweiter Band. Heinrich Zschokke

Читать онлайн книгу.

Deutsche Humoristen, Zweiter Band - Heinrich Zschokke


Скачать книгу
mein Feuerwerk an, ein wenig zu frösteln. Es platzte und zischte manches zu früh und zu spät ab, eine gute Partie einzelne Sonnen und Räder brannten mir in einer Scheune nieder, die dabei das Dach verlor. Das Schauspiel war so grandios angelegt, daß man diesen ganzen kunstlosen Scheunenbrand für seinen Triumph hielt, man klatschte und paukte und trompetete; schnell ließ ich alle meine übrigen Stücke in die Lücken stellen und von neuem losfigurieren. Aber der Satan fuhr mir mit dem Schwanze drüber, und die ganze Pastete flog auf einmal in die Luft. Die Menschen fuhren gräßlich auseinander, Gerüste brachen ein, alle Einzäunungen wurden niedergerissen, die Menge stürzte nach den Gondeln, die Gondelführer wehrten ab, die Bürger prügelten sich mit den französischen Soldaten, meine Kasse wurde geplündert; es war eine Verwirrung, als sei der Teufel in die Schweine gefahren, und diese stürzten dem Meere zu.

      Unsereins kennt sein Handwerk, man ist auf dergleichen gefaßt, mein persönlicher Rückzug war gedeckt. Ich ließ nichts zurück als alle meine Schulden, meine Reputation und meinen halben Daumen. Meine selige Frau, welcher der Rock am Leibe brannte, riß mich in die Gondel ihres Bruders, eines Schiffers, und der brachte mich an einen Zufluchtsort, worauf wir am folgenden Morgen die Stadt verließen. Als wir das Gebirge erreichten, nahten wir uns auf Abwegen einer Kapelle, bei welcher ich mit meinem liebsten Gesellen Martino verabredet hatte wieder zusammenzutreffen, wenn wir durch irgend ein Unglück auseinandergesprengt werden sollten. Mein gutes Weib hatte ein Stück von einer Wachsfackel, die bei der Leiche unseres seligen Töchterleins gebrannt hatte, in der Tasche, und pflegte, wenn sie nähte, ihren Zwirn damit zu wichsen. Aus diesem Wachs hatte sie während unseres Weges die Figur eines Daumens geknetet, und hängte dieselbe, nebst einem Rosenkranz von roten und schwarzen Beeren, den sie auch sehr artig eingefädelt hatte, dem kleinen Jesulein auf dem Schoß der Mutter Gottes in der Kapelle, als ein Opfer, an das Händchen, und wir beteten beide von Herzen, daß mein Daumen heilen und wir glücklich über die Grenze in das Österreichische kommen möchten. Wir lagen noch auf den Knieen, als ich die Stimme Martinos rufen hörte: »Sia benedetto il San Marco!« Da schrie ich wieder: »E la Santissima vergine Maria!« wie wir verabredet hatten, und lief mit meinem Weibe vor die Kapelle. Da trat uns Martino in einem tollen Aufzug entgegen. Er hatte bei dem Feuerwerke den Meergott Neptun vorgestellt und in seinem vollen Kostüm Reißaus genommen. Er hatte den Schilfgürtel noch um den Leib, einen Wams von Seemuscheln an und eine Binsenperücke auf; sein langer Bart war von Seegras; auf der Schulter trug er den Dreizack, auf welchem er ein tüchtiges Bauernbrot und drei fette Schnepfen, die er mitsamt dem Neste erwischte, gespießt hatte. Nach herzlicher Umarmung erzählte er uns, wie ihn seine Kleidung glücklich gerettet habe. Die Strickreiter seien ihm auf der Spur gewesen, da habe er sich in das Schilf eines Sumpfes versteckt, und sein Schilfgürtel machte ihn da nicht bemerkbar. Als er stilleliegend sie vorbeireiten lassen, hätten sich die drei Schnepfen sorglos neben ihm in ihr Nest niedergelassen, und er habe sie mit der Hand alle drei ergriffen. Das Brot hatte er von einem Kontrebandier um einige Pfennige gekauft, der ihm zugleich die nächste Herberge auf der Höhe des Gebirges beschrieben, aber nicht eben allzu vorteilhaft; denn der ganze Wald sei nicht recht geheuer, der wilde Jäger ziehe darin um und pflege gerade in dieser Herberge sein Nachtquartier zu halten.

      »Wohlauf denn!« sagte ich, »so haben wir heute Nacht gute Gesellschaft. Ich hätte den Kerl lange gern einmal gesehen, um seinen Jagdzug recht natürlich in einem Feuerwerke darstellen zu können.« Mein Weib Marinina aber, welche, um ja nichts zu versäumen, alles miteinander glaubte, machte ein saures Gesicht zu der Herberge. Das konnte aber nichts helfen, wir mußten den Weg wählen; er war ganz entlegen und sicher und ein Schleichweg der Kontrebandiers, mit welchen Martino einige Bekanntschaft hatte.

      Die Nacht brach herein, es nahte ein Gewitter, und wir mußten uns auf den Weg machen. Martino machte unsere Wanderschaft etwas lustiger, er übergab meiner Marinina die Schnepfen und sagte: »Rupft sie unterwegs, damit wir in der Herberge dem wilden Jäger bald einen Braten vorsetzen können.« Und nun marschierte er mit tausend Späßen in seinem tollen Habit wie ein vazierender Waldteufel voraus. Ich folgte ihm auf dem schmalen Waldpfad und hatte meinen halben Daumen, der mich nicht wenig schmerzte, meistens in dem Mund, und hinter mir zog – daß Gott erbarm! – meine selige Marinina und rupfte die Schnepfen unter Singen und Beten. Über der rechten Hüfte war ihr ein ziemliches Loch in den Rock gebrannt, und sie schämte sich vorauszugehen, daß Martino, der seinen Witz in allen Nestern auszubrüten pflegte, an ihrer Blöße nicht Ärgernis nehmen möchte. Der Weg war steil, unheimlich und beschwerlich; der Sturm sauste durch den Wald, es blitzte in der Ferne, Marinina schlug ein Kreuz über das andere. Aber die Müdigkeit vertrieb ihre Furcht vor dem wilden Jäger immer mehr, von welchem Martino die tollsten Geschichten vorbrachte. »Es ist gut,« sagte er, »daß wir selbst Proviant bei uns haben; denn, wenn wir mit ihm essen müßten, dürften wir leicht mit dem Schenkel eines Gehängten oder mit einem unmarinierten Pferdekopf bewirtet werden. Fasset Mut, Frau Marinina, schaut mich nur an, ärger kann er nicht aussehen!« Unter solchen Gesprächen hatten wir die Gebirgshöhe erstiegen und waren ein ziemliches Stück Wegs in den wilden finsteren Wald geschritten, da hörten wir ein abscheuliches Katzengeheul, und kamen bald an eine Hütte mit Stroh und Reisern gedeckt; alte Lumpen hingen auf dem Zaun, und an einer Stange war ein großes Stachelschwein über der Tür herausgesteckt als Schild. »Da sind wir,« sagte Martino, »wie glaubt Ihr, daß dies vornehme Gasthaus heiße?« »Zum Stachelschwein!« sagte ich. »Nein!« erwiderte Martino, »es hat mehrere Namen. Einige nennen es des Teufels Zahnbürste, andere des Teufels Pelzmütze, andere gar seinen Hosenknopf.« Wir lachten über die närrischen Namen. Die Katze saß vor der Tür auf einem zerbrochenen Hühnerkorb, machte einen Buckel gegen uns und ein Paar feurige Augen und hörte nicht auf zu solfeggieren. In dem Hause aber rumpelte es wie in einem Raspelhause und leeren Magen. Nun schlug Martino mit der Faust gegen die Tür und schrie: »Holla, Frau Susanne, für Geld und gute Worte Einlaß und Herberge; Eure Katze will auch hinein.« Da krähte eine Stimme heraus: »Wer seid Ihr Schalksknechte zu nachtschlafender Zeit?« und Martino, der in Reimen wie ein Improvisator schwatzen konnte, schrie: »Ich bin ja der Rechte und komme von weit!« Nun keifte die Stimme wieder: »Wenn die Katze nicht draußen wär', ich ließ Euch nimmermehr ein!« Und Martino sagte: »Ihr denket so zärtlich ungefähr wie Euer Schild, das Stachelschwein.« Marinina war in tausend Ängsten; sie bat immer den Martino, die alte Wirtin nicht zu schelten, sie sei gewiß eine Hexe und werde uns nichts Gutes antun. Da ging die Tür auf, ein schwarzbraunes, zerlumptes, sonst glattes und hübsches Mägdlein, glänzend und schlank wie ein brauner Aal, leuchtete uns aus der Küche mit einer Kienfackel ins Gesicht, und war nicht wenig erschrocken, als Martino in seinem wilden Aufzug ihr rasch entgegenschritt und, indem er drängend sie verhinderte, die Tür wieder zuzuschlagen, ihr sagte: »Brauner Schatz, mach' uns Platz! Menschen sind wir, schönes Kind; hier hast zum Zeichen diesen Schmatz!« und somit küßte er sie herzlich; wir drangen indessen hinein. Die kleine Braune aber sagte: »Und wenn Du auch nicht der Satan selbst bist, so könnt Ihr heute hier doch nicht bleiben; meine Großmutter ist sehr brummig, sie fürchtet, das Waldgespenst komme heute Nacht, und da nimmt sie keine Gäste, um die Herberge nicht in bösen Ruf zu bringen; unsere Kammer, wo wir schlafen, ist eng, und sie rückt schon alten Hausrat vor ihr Bett, um das Gespenst nicht zu sehen, welches oft quer durch unsere Hütte zieht.« Martino aber erwiderte: »Eben in dieser Kammer wollen wir schlafen, und eben dieses Waldgespenst wollen wir mit gebratenen Schnepfen bewirten; wir sind des wilden Jägers Küchengesinde!« Und somit packte er ein Bund Stroh auf, das in der Ecke lag, und marschierte in die Kammer; wir kamen nach, trotz aller Zeremonien, welche die nußbraune Jungfer machen wollte.

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.

      Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала,


Скачать книгу