Lebens-Ansichten des Katers Murr. Эрнст Гофман

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Lebens-Ansichten des Katers Murr - Эрнст Гофман


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Kater Murr verschwiegen bleiben soll.»

      «Sagt mir», begann der Professor sehr ernst und nachdenklich, «sagt mir zuvörderst, lieber Meister, was haltet Ihr von dem Grundsatz, daß, nur körperliche Gesundheit vorausgesetzt, sonst ohne Rücksicht auf angeborne geistige Fähigkeit, auf Talent, auf Genie, vermöge einer besonders geregelten Erziehung aus jedem Kinde in kurzer Zeit, mithin noch in den Knabenjahren, ein Heros in Wissenschaft und Kunst geschaffen werden kann?»

      «Ei», erwiderte der Meister, «was kann ich von diesem Grundsatz anders halten, als daß er albern und abgeschmackt ist? Möglich, ja sogar leicht mag es sein, daß man einem Kinde, das die Auffassungsgabe, wie sie ungefähr bei den Affen anzutreffen, und ein gutes Gedächtnis besitzt, eine Menge Dinge systematisch eintrichtern kann, die es dann vor den Leuten auskramt; nur muß es diesem Kinde durchaus an allem natürlichen Ingenium fehlen, da sonst der innere bessere Geist der heillosen Prozedur widerstrebt. Wer wird aber jemals solch einen einfältigen, mit allerlei verschluckbaren Brocken des Wissens dick gemästeten Jungen einen Gelehrten im echten Sinne des Worts nennen?»

      «Die Welt», rief der Professor heftig, «die ganze Welt! – O, es ist entsetzlich! -

      Aller Glaube an die innere, höhere, angeborne Geisteskraft, die allein nur den Gelehrten, den Künstler schafft, geht ja über jenen heillosen, tollen Grundsatz zum Teufel!» -

      «Ereifert Euch nicht», sprach der Meister lächelnd, «soviel wie ich weiß, ist bis jetzt in unserm guten Teutschland nur ein einziges Produkt jener Erziehungsmethode aufgestellt worden, von dem die Welt eine Zeitlang sprach und zu sprechen aufhörte, als sie einsah, daß das Produkt eben nicht sonderlich geraten. Zudem fi el die Blütezeit jenes Präparats in die Periode, als gerade die Wunderkinder in die Mode gekommen, die, wie sonst mühsam abgerichtete Hunde und Affen, gegen ein billiges Entree ihre Künste zeigten.

      «So sprecht Ihr nun», nahm der Professor das Wort, «so sprecht Ihr nun, Meister Abraham, und man würde Euch glauben, kennte man nicht den verborgenen Schalk in Euch, wüßte man nicht, daß Euer ganzes Leben eine Reihe der wunderlichsten Experimente darbietet. Gesteht es nur, Meister Abraham, gesteht es nur, Ihr habt ganz im stillen, im geheimsten Geheim, experimentiert nach jenem Grundsatz, aber überbieten wolltet Ihr den Mann, den Verfertiger jenes Präparats, von dem wir sprachen. – Ihr wolltet, wart Ihr ganz fertig, hervortreten mit Eurem Zögling und alle Professoren in der ganzen Welt in Erstaunen versetzen und Verzweifl ung, Ihr wolltet den schönen Grundsatz “ non ex quovis ligno fi t Mercurius” ganz und gar zuschanden machen! – Nun! kurz, der quovis ist da, aber kein Mercurius, sondern ein Kater!» – «Was sagt Ihr», rief der Meister, indem er laut aufl achte, «was sagt Ihr, ein Kater?»

      «Leugnet es nur nicht», fuhr der Professor fort, «leugnet es nur nicht, an dem Kleinen dort in der Kammer habt Ihr jene abstrakte Erziehungsmethode versucht, Ihr habt ihn lesen, schreiben gelehrt, Ihr habt ihm die Wissenschaften beigebracht, so daß er sich schon jetzt unterfängt, den Autor zu spielen, ja sogar Verse zu machen.»

      «Nun, sprach der Meister, «das ist doch in der Tat das Tollste, was mir jemals vorgekommen! – Ich meinen Kater erziehen, ich ihm die Wissenschaften beibringen! – Sagt, was für Träume rumoren in Eurem Sinn Professor? – Ich versichere Euch, daß ich von meines Katers Bildung nicht das mindeste weiß, dieselbe auch für ganz unmöglich halte.»

      «So?» fragte der Professor mit gedehntem Ton, zog ein Heft aus der Tasche, das ich augenblicklich für das mir von dem jungen Ponto geraubte Manuskript erkannte, und las:

      «Sehnsucht nach dem Höheren

      Ha, welch Gefühl, das meine Brust beweget?

      Was sagt dies Unruh – Ahnungsvolle Beben,

      Will sich zum kühnen Sprung der Geist erheben,

      Vom Sporn des mächt’gen Genius erreget?

      Was ist es, was der Sinn im Sinne träget,

      Was will dem Liebesdrang-erfüllten Leben

      Dies rastlos brennend feurig süße Streben,

      Was ist es, das im bangen Herzen schläget?

      Entrückt werd’ ich nach fernen Zauberlanden,

      Kein Wort, kein Laut, die Zunge ist gebunden,

      Ein sehnlich Hoffen weht mit Frühlingsfrische,

      Befreit mich bald von drückend schweren Banden.

      Erträumt, erspürt, im grünsten Laub gefunden!

      Hinauf mein Herz! beim Fittich ihn erwische!»

      Ich hoffe, daß jeder meiner gütigen Leser die Musterhaftigkeit dieses herrlichen Sonetts, das aus der tiefsten Tiefe meines Gemüts hervorfl oß, einsehen und mich um so mehr bewundern wird, wenn ich versichere, daß es zu den ersten gehört, die ich überhaupt verfertigt habe. Der Professor las es aber in seiner Bosheit, so ohne allen Nachdruck, so abscheulich vor, daß ich mich kaum selbst erkannte, und daß ich, von plötzlichem Jähzorn, wie er jungen Dichtern wohl eigen, übermannt, im Begriff war, aus meinem Schlupfwinkel hervor dem Professor ins Gesicht zu springen und ihn die Schärfe meiner Krallen fühlen zu lassen. Der kluge Gedanke, daß ich doch, wenn beide, der Meister und der Professor, sich über mich hermachten, notwendig den kürzern ziehen müsse ließ mich meinen Zorn mit Gewalt niederkämpfen, jedoch entfuhr mir unwillkürlich ein knurrendes Miau, das mich unfehlbar verraten haben würde, hätte der Meister nicht, da der Professor mit dem Sonett fertig, aufs neue eine dröhnende Lache aufgeschlagen, die mich beinahe noch mehr kränkte als des Professors Ungeschick.

      «Hoho», rief der Meister, «wahrhaftig, das Sonett ist eines Katers vollkommen würdig, aber noch immer verstehe ich nicht Euern Spaß, Professor, sagt mir nur lieber geradezu, wo Ihr hinauswollt.»

      Der Professor, ohne dem Meister zu antworten, blätterte im Manuskript, und las weiter:

      «Glosse

      Liebe schwärmt auf allen Wegen,

      Freundschaft bleibt für sich allein,

      Liebe kommt uns rasch entgegen,

      Aufgesucht will Freundschaft sein.

      Schmachtend wehe, bange Klagen,

      Hör’ ich überall ertönen,

      Ob den Sinn zum Schmerz gewöhnen,

      Ob zur Lust, ich kann’s nicht sagen,

      Möchte oft mich selber fragen,

      Ob ich träume, ob ich wache.

      Diesem Fühlen, diesem Regen,

      Leih ihm, Herz die rechte Sprache;

      Ja, im Keller, auf dem Dache,

      Liebe schwärmt auf allen Wegen!

      Doch es heilen alle Wunden,

      Die der Liebesschmerz geschlagen,

      Und in einsam stillen Tagen

      Mag, von aller Qual entbunden,

      Geist und Herz wohl bald gesunden;

      Art’ger Kätzchen los Gehudel,

      Darf es auf die Dauer sein?

      Nein! – fort aus dem bösen Strudel, Unterm Ofen mit dem Pudel, Freundschaft bleibt für sich allein! Wohl ich weiß es – »

      «Nein», unterbrach hier der Meister den lesenden Professor, «nein, mein Freund, Ihr macht mich in der Tat ungeduldig, Ihr oder ein anderer Schalk hat sich den Spaß gemacht, im Geist eines Katers, der nun gerade mein guter Murr sein soll, Verse zu machen, und nun foppt Ihr mich den ganzen Morgen damit herum. Der Spaß ist übrigens nicht übel und wird vorzüglich dem Kreisler sehr wohl gefallen, der wohl nicht unterlassen dürfte, damit eine kleine Parforcejagd anzustellen, in der Ihr am Ende selbst ein gehetztes Wild sein könntet. Aber nun laßt Eure sinnreiche Einkleidung fahren und sagt mir ganz ehrlich und trocken, was es mit Eurem seltsamen Spaß eigentlich für eine Bewandtnis hat.»

      Der Professor schlug das Manuskript zusammen, sah dem Meister ernst ins Auge und sprach dann: «Diese Blätter


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