Ein Gericht für Diebe . Морган Райс
Читать онлайн книгу.Sophia, denn sie konnte aus den Gedanken der maskierten Nonne sehen, dass sie zu den schlimmsten Menschen geschickt wurde, an die sie je gedacht hatte. Es war eine Qual das zu sehen. Sie sah sich erneut um, sah sich jede maskierte Nonne an, versuchte durch den Schleier zusehen, um die Frauen darunter zu erreichen.
“Ich gehe nur zu solchen Menschen, weil Sie das wollen. Sie wählen die Leibeigenschaft für uns. Sie verkaufen uns, als wenn wir Nichts wären!”
“Ihr seid nichts”, erwiderte Schwester O’Venn und schob den Dübel wieder in Sophias Mund.
Sophia starrte sie an, versuchte ein wenig Menschlichkeit irgendwo da drin zu finden. Aber sie konnte nichts finden, nur Grausamkeit, versteckt als notwendige Strenge und das Böse, das als Pflicht vorgeschoben wurde, ohne einen wirklichen Glauben dahinter. Schwester O’Venn mochte es einfach den Schwachen wehzutun.
Und sie tat Sophia weh und Sophia konnte nichts anderes tun, als zu schreien.
Sie warf sich selbst gegen das Seil, versuchte sich freizureißen oder zumindest irgendeinen Raum zu finden, in dem sie der Peitsche entkommen konnte, die ihr die Busse austreiben sollte. Sie konnte nichts tun, außer Schreien, und still ins Holz zu beißen, während ihre Kraft ihre Schreie in die Stadt hinaus schickte, hoffend, dass ihre Schwester sie irgendwo in Ashton hören würde.
Es gab keine Antwort außer das beständige Pfeifen des geflochtenen Leders in der Luft und die Schläge davon gegen ihren blutigen Rücken. Die maskierte Nonne schlug sie jetzt mit einer scheinbar unbestimmten Kraft, lange über den Punkt hinaus, wo Sophias Beine sie tragen konnten und über den Punkt hinaus, wo sie keine Kraft mehr hatte zu schreien.
Irgendwann danach musste sie ohnmächtig geworden sein, aber das war auch egal. An dem Punkt waren Sophias Albträume Dinge der Gewalt, die den alten Traum eines brennenden Hauses und von Männern zurückbrachte, vor denen sie weglaufen musste. Als sie wieder zu sich kam, waren sie fertig und die anderen längst gegangen.
Immer noch angebunden weinte Sophia, während der Regen ihr Blut von den Schlägen wegwischte. Es wäre einfach zu glauben, dass es nicht noch schlimmer werden könnte, außer wenn es das würde.
Es könnte so viel schlimmer werden.
Und morgen würde es das.
KAPITEL ZWEI
Kate stand über Ashton und sah zu, wie es verbrannte. Sie hatte gedacht, dass sie froh wäre, zuzusehen, wie es verschwand, aber das war nicht nur das Haus der Herrenlosen oder die Plätze, wo die Hafenarbeiter ihre Lastkähne aufbewahrten.
Das war alles.
Holz und Stroh fingen Feuer und Kate konnte die Angst der Menschen innerhalb des Umkreises der Häuser spüren. Kannnonen krachten über den Schreien der Sterbenden und Kate sah, wie Schwaden von Gebäuden einfach wie Papier zusammenfielen. Blitze waren zu hören, während Pfeile die Luft füllten, so dick, dass es schwer war, den Himmel dahinter zu sehen. Sie fielen und Kate ging durch den Regen davon mit einer merkwürdigen, abgeklärten Ruhe, die nur davon kommen konnte, dass sie träumte.
Nein, kein Traum. Das war mehr als das.
Was immer auch die Macht von Siobhans Quelle war, sie lief jetzt durch Kate und sie sah überall Tote um sich herum. Pferde rannten durch die Straßen, Reiter, die mit Säbeln und Schwertern nach unten schnitten. Schreie kamen von überall um ihr herum, bis sie die Stadt zu füllen schienen, genauso wie das Feuer. Sogar der Fluss schien jetzt in Flammen zu stehen, obwohl als Kate hinsah, sah sie, dass es die Lastkähne waren, die die weite Weite davon fühlten. Feuer sprang von einem zum anderen über, während Männer versuchten sich freizukämpfen. Kate war auf einem Lastkahn gewesen und sie konnte sich vorstellen, wie beängstigend diese Flammen sein mussten.
Menschen rannten durch die Straßen und es war einfach den Unterschied zwischen den panikerfüllten Bewohnern der Stadt und den Personen in den ockerfarbenen Uniformen zu erkennen, die ihnen mit Messern folgten, und nach ihnen hackten, während sie liefen. Kate hatte noch nie die Plünderung einer Stadt gesehen, aber das hier war schrecklich. Es war Gewalt um ihretwillen, ohne aufzuhören.
Hinter der Stadt gab es jetzt Schlangen von Flüchtlingen, die mit so viel Besitz wie sie nur tragen konnten, in langen Reihen in den Rest des Landes flohen. Würden sie Zuflucht in den Wahlbezirken finden oder weiter gehen in Städte wie Treford oder Barriston?
Dann sah Kate die Reiter sich auf sie stürzen und sie wusste, dass sie nicht so weit kommen würden. Hintern ihnen war Feuer und sie konnten nirgendwo hinlaufen. Wie war es wohl so gefangen zu sein?
Sie wusste es, nicht wahr?
Dann änderte sich die Szene und jetzt wusste Kate, dass sie nichts sah, was vielleicht einmal so sein würde, sondern etwas, was so gewesen war. Sie kannte diesen Traum, denn es war einer, den sie viel zu oft hatte. Sie war in einem alten Haus, einem großen Haus und da war Gefahr im Verzug.
Etwas war aber dieses Mal anders. Dort waren Menschen und Kate schaute von so weit unten hoch, dass sie wusste, sie musste winzig sein. Ein Mann war da, der besorgt aber stark aussah, in einem edlen Samtmantel, den er sich schnell angezogen hatte und eine gelockte schwarze Perücke, die in der Eile abgelegt worden war, um mit der Situation umgehen zu können und die jetzt sein graues Haar darunter zeigte. Die Frau bei ihm war schön aber zerzaust, als wenn sie sonst Stunden brauchte, um sich mit der Hilfe von Bediensteten anzuziehen und jetzt hatte sie es innerhalb von Minuten geschafft. Sie hatte eine freundliche Ausstrahlung und Kate streckte die Arme nach ihr aus und verstand nicht, warum die Frau sie nicht hochhob, wenn sie das doch normalerweise tat.
“Wir haben keine Zeit”, sagte der Mann. “Und wenn wir alle versuchen uns zu befreien, dann werden sie uns einfach folgen. Wir müssen getrennt gehen.”
“Aber die Kinder –“, begann die Frau. Kate wusste, ohne das man es ihr sagte, dass dies ihre Mutter war.
“Sie werden sicherer sein, wenn sie nicht bei uns sind”, sagte ihr Vater. Er drehte sich zu einer Bediensteten um und Kate erkannte ihr Kindermädchen. “Bring sie raus, Anora. Bring sie irgendwohin, wo sie sicher sind, wo niemand sie kennt. Wir werden sie finden, wenn dieser Wahnsinn vorbei ist.”
Dann sah Kate Sophia, die viel zu jung aussah, aber schon bereit zum Widersprechen schien. Kate kannte den Blick nur zu gut.
“Nein”, sagte ihre Mutter. “Ihr müsste gehen, ihr beide. Es ist keine Zeit. Rennt meine Schätze.” Irgendwo war ein Krachen im Haus zu hören. “Lauft.”
Kate rannte, ihre Hand hielt Sophias fest. Es gab ein Krachen, aber sie schaute nicht zurück. Sie rannte einfach weiter, rannte Korridore entlang und machte nur Pause um sich zu verstecken, wenn schattige Figuren vorbeikamen. Sie rannten, bis sie eine offene Fensterreihe fanden, wo sie aus dem Haus und in die Dunkelheit kletterten…
Kate blinzelte, als sie wieder zu sich kam. Das Sonnenlicht über ihr schien zu hell, der Glanz davon blendete. Sie versuchte nach dem Traum zu greifen, als sie wach wurde, versuchte zu sehen, was als Nächstes passiert war, aber er verschwand schneller, als sie daran festhalten konnte. Kate stöhnte, weil sie wusste, dass der letzte Teil kein Traum gewesen war. Es war ihre Erinnerung gewesen und es war eine Erinnerung, die Kate mehr als all die anderen sehen wollte.
Dennoch hatte sie die Gesichter ihrer Eltern jetzt in ihren Gedanken. Sie hielt sie dort, zwang sich, sie nicht zu vergessen. Sie setzte sich langsam auf, ihr Kopf schwamm von den Nachwirkungen, die sie gesehen hatte.
“Du solltest es langsam angehen”, sagte Siobhan. “Das Brunnenwasser kann Nachwirkungen haben.”
Sie saß auf der Kante des Brunnes, der jetzt wieder kaputt aussah, nicht hell und frisch, wie er gewesen war, als Siobhan Wasser davon herausgeholt hatte, damit Kate es trinken konnte. Sie sah genauso aus, wie vor einer Nacht, sogar die Blumen in ihrem Haar sahen unberührt aus, als wenn sie sich die ganze Zeit nicht bewegt hätte. Sie schaute Kate mit einem Ausdruck an, der nichts darüber verriet, was sie dachte und die Mauern, die sie um ihren Kopf bewahrte, bedeuteten, dass sie komplett weiß gegenüber Kates Fähigkeit waren.