Soldat, Bruder, Zauberer . Морган Райс
Читать онлайн книгу.erwischte Lucious so schwer im Magen, dass er sich von seinen Knien auf den Rücken abrollte. Der zweite Tritt traf nur seinen Kopf, doch er war heftig genug, dass Sterne vor seinen Augen zu tanzen begannen. Doch das brachte die Stimme seines Vaters immer noch nicht zum Schweigen.
Nenn dich nur einen Krieger. Ich weiß, dass du es besser weißt.
Das war leicht gesagt, wenn man nicht derjenige war, der gerade auf einem Schiffsdeck zu Tode gedroschen wurde.
„Du glaubst wohl, dass du mich erstechen kannst, Junge?“ fragte Kapitän Arvan. „Ich würde deine Knochen verkaufen, wenn ich überzeugt wäre, dass sie etwas einbringen würden. Doch so werden wir dich einfach ins Wasser werfen und sehen, ob vielleicht die Haie an dir Interesse zeigen!“ Er machte eine Pause und verdeutlichte das Gesagte mit einem weiteren Tritt. „Ihr zwei, greift ihn. Wir werden sehen, wie gut der Adel auf dem Wasser treibt.“
„Ich bin ein König!“ protestierte Lucious, als raue Hände nach ihm griffen. „Ein König!“
Und schon bald bist du kein König mehr, antwortete die Stimme seines Vaters.
Lucious hatte das Gefühl, schwerelos zu sein, als die Männer ihn so hoch in die Luft hoben, dass er das endlose Wasser um ihn sehen konnte. Dort hinein würden sie ihn werfen, um ihn zu ertränken. Doch so endlos war das Meer gar nicht, oder? Konnte er nicht –
„Land in Sicht!“ rief ihr Späher.
Die Spannung hielt noch einen Moment lang an und Lucious war sich sicher, dass er trotzdem im Wasser landen würde.
Dann donnerte Kapitän Arvans Stimme über das Schiff.
„Lasst diesen königlichen Lump wieder runter! Wir haben jetzt alle unsere Aufgaben, und wir werden uns später um ihn kümmern.“
Die Matrosen stellten keine weiteren Fragen. Sie ließen Lucious vielmehr auf das Deck fallen und machten sich mit dem Rest der Mannschaft daran, die Taue einzuholen.
Du solltest dankbar sein, flüsterte die Stimme seines Vaters.
Lucious war jedoch alles andere als dankbar. Im Geiste setzte er das Schiff und seine Mannschaft auf die Liste derjenigen, die für ihre Taten bezahlen würden, wenn er erst seinen Thron zurück hatte. Er würde sehen, wie sie in Flammen aufgingen.
Er würde sehen, wie sie alle in Flammen aufgingen.
KAPITEL FÜNF
Thanos saß in seinem Käfig und erwartete seinen Tod. Wie er sich auch drehte und wendete, die Sonne über dem Hof schien ihn langsam zu rösten, während die Wachen den Galgen errichteten, an dem er seinen Tod finden würde. Thanos hatte sich noch nie so hilflos gefühlt.
Oder so durstig. Sie schenkten ihm keine Beachtung, gaben ihm weder Essen noch Trinken und beschäftigten sich nur dann mit ihm, wenn sie ihre Schwerter an den Stangen seines Käfigs entlangrasseln ließen, um ihn zu verspotten.
Bedienstete eilten Besorgungen machend über den Hof, und ließen vermuten, dass im Schloss etwas vor sich ging, von dem Thanos nichts wusste. Vielleicht war dies nach dem Tod eines Königs auch schlicht der Lauf der Dinge. Vielleicht war diese Geschäftigkeit auch nur Königin Athenas Art über Delos so zu herrschen, wie sie es wollte.
Thanos konnte sich vorstellen, dass die Königin es so wollte. Während andere sich in ihrer Trauer zurückgezogen hätten und kaum in der Lage gewesen wären, zu funktionieren, konnte Thanos sich vorstellen, dass sie den Tod ihres Mannes als eine Gelegenheit verstand, die genutzt werden musste.
Thanos umklammerte die Gitterstäbe seines Käfigs. Es war recht wahrscheinlich, dass er hier der einzige war, der wirklich um seinen Vater trauerte. Die Bediensteten und Menschen von Delos hatten jeden Grund ihren König zu hassen. Athena war so sehr in ihre Pläne vertieft, um sich ernsthaft damit zu beschäftigen. Und was Lucious anbelangte...
„Ich werde dich finden“, versprach Thanos. „Es wird Gerechtigkeit geben. Für alles.“
„Oh, es wird Gerechtigkeit geben“, sagte einer der Wachen. „Sobald wir dich für das, was du getan hast, ausweiden.“
Er schlug gegen die Stangen und erwischte Thanos’ Finger so, dass er vor Schmerzen fauchte. Thanos wollte nach ihm greifen, doch der Wächter lachte nur, tänzelte rückwärts und gesellte sich wieder zu den anderen, die damit beschäftigt waren, die Bühne zu errichten, auf der Thanos letztendlich getötet würde.
Es war eine Bühne. Das Ganze diente vor allem dem Zweck der Unterhaltung. In einem einzigen Akt der Gewalt würde Athena die Kontrolle über das Reich übernehmen, indem sie die größte Gefahr für ihre Macht auslöschte und gleichzeitig zeigte, dass sie trotz der Thronbesteigung ihres Sohns weiterhin über die Schalthebel der Macht waltete.
Vielleicht glaubte sie wirklich, dass es so funktionieren würde. Wenn dann wünschte Thanos ihr viel Glück dabei. Athena war bösartig und herrschsüchtig, doch ihr Sohn war ein uneingeschränkter Verrückter. Er hatte bereits seinen Vater auf dem Gewissen, und wenn seine Mutter glaubte, ihn kontrollieren zu können, dann würde sie alle Hilfe brauchen, die sie kriegen konnte.
So wie jeder einzelne in Delos, beim kleinsten Bauern angefangen bis hin zu Stephania, in einer Falle sitzen würde, von der willkürlichen Gnade eines gnadenlosen Adligen abhängig.
Der Gedanke an seine Frau, ließ Thanos stöhnen. Er war hergekommen, um sie zu retten und jetzt saß er hier. Wenn er gar nicht erst gekommen wäre, dann wären die Dinge vielleicht besser ausgegangen. Vielleicht hätten die Wachen erkannt, dass Lucious der eigentliche Mörder des Königs war. Vielleicht hätten sie eingegriffen und nicht versucht, alles unter den Teppich zu kehren.
„Vielleicht hätten sie es auch der Rebellion angehängt“, sagte Thanos, „und Lucious wieder fein rausgehalten.“
Das konnte er sich gut vorstellen. Wie schlimm es auch würde, Lucious würde immer einen Weg finden, anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben. Letztlich hätte er nie gehört, wie sein Vater anerkannte, wer er war, wenn er nicht an dessen Lebensende bei ihm gewesen wäre. Er hätte nicht erfahren, dass es in Felldust Belege dafür gab.
Er hätte sich von seinem Vater nicht verabschieden und ihn in seinen letzten Momenten in den Armen halten können. Sein Bedauern drehte sich nun darum, dass er Stephania vor seiner Hinrichtung weder noch einmal würde sehen können, noch sicherstellen konnte, dass es ihr gut ging. Ungeachtet dessen was sie getan hatte, hätte er sie im Hafen nicht zurücklassen dürfen. Es war selbstsüchtig gewesen, nur an die eigene Wut und den eigenen Ekel zu denken. Dieses Verhalten hatte ihm seine Frau und sein Kind gekostet.
Es war ein Verhalten, das Thanos wahrscheinlich sein eigenes Leben kosten würde, wenn man davon ausging, dass er nur hier war, weil Stephania gefangen gehalten wurde. Wenn er sie mitgenommen hätte, sie in Sicherheit nach Haylon gebracht hätte, dann wäre nichts von all dem geschehen.
Thanos wusste, dass es eine Sache gab, die er tun musste, bevor sie ihn hinrichteten. Er konnte dem nicht entkommen, durfte nicht darauf hoffen, das zu vermeiden, was ihn erwartete, aber er konnte immer noch die Dinge klarstellen.
Er wartete bis der nächste über den Hof eilende Bedienstete an seinem Käfig vorbeikam. Der erste dem er ein Zeichen machte, lief weiter.
„Bitte“, rief er dem zweiten zu, der sich umblickte bevor er den Kopf schüttelte und weitereilte.
Die dritte war eine junge Frau, die stehen blieb.
„Wir dürfen nicht mit Euch sprechen“, sagte sie. „Wir dürfen Euch auch kein Essen oder Trinken bringen. Die Königin will, dass Ihr für den Mord am König leidet.“
„Ich habe ihn nicht getötet“, sagte Thanos. Er streckte die Hand aus, als sie sich wegdrehen wollte. „Ich erwarte nicht, dass du mir glaubst und ich werde dich auch nicht um Wasser bitten. Kannst du mir Kohle und Papier bringen? Das wird die Königin doch sicherlich nicht verboten haben.“