Die Elixiere des Teufels. E. T. A. Hoffmann

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Die Elixiere des Teufels - E. T. A. Hoffmann


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mir selbst unerklärlichen Scheu verschwieg ich Hermogens Hinzutreten und seine entsetzlichen, mich durchbohrenden Worte.

      Euphemie hatte einige Minuten geschwiegen und schien, mich seltsamlich anstarrend, in tiefes Nachdenken versunken. "Solltest du nicht, Viktorin!" sprach sie endlich, "erraten, welche herrliche Gedanken, meines Geistes würdig, mich durchströmen? – Aber du kannst es nicht, doch rüttle frisch die Schwingen, um dem kühnen Fluge zu folgen, den ich zu beginnen bereit bin. Daß du, der du mit voller Herrschaft über alle Erscheinungen des Lebens schweben solltest, nicht neben einem leidlich schönen Mädchen knien kannst, ohne sie zu umarmen und zu küssen, nimmt mich wunder, so wenig ich dir das Verlangen verarge, das in dir aufstieg. So wie ich Aurelien kenne, wird sie voller Scham über die Begebenheit schweigen und sich höchstens nur unter irgendeinem Verwände deinem zu leidenschaftlichen Unterrichte entziehen. Ich befürchte daher nicht im mindesten die verdrießlichen Folgen, die dein Leichtsinn, deine ungezähmte Begierde hätte herbeiführen können. – Ich hasse sie nicht, diese Aurelie, aber ihre Anspruchlosigkeit, ihr stilles Frommtun, hinter dem sich ein unleidlicher Stolz versteckt, ärgert mich. Nie habe ich, unerachtet ich es nicht verschmähte, mit ihr zu spielen, ihr Zutrauen gewinnen können, sie blieb scheu und verschlossen. Diese Abgeneigtheit, sich mir zu schmiegen, ja diese stolze Art, mir auszuweichen, erregt in mir die widrigsten Gefühle. – Es ist ein sublimer Gedanke, die Blume, die auf den Prunk ihrer glänzenden Farben so stolz tut, gebrochen und dahinwelken zu sehen! – Ich gönne es dir, diesen sublimen Gedanken auszuführen, und es soll nicht an Mitteln fehlen, den Zweck leicht und sicher zu erreichen. – Auf Hermogens Haupt soll die Schuld fallen und ihn vernichten!" – Euphemie sprach noch mehr über ihren Plan und wurde mir mit jedem Worte verhaßter, denn nur das gemeine verbrecherische Weib sah ich in ihr, und so sehr ich nach Aureliens Verderben dürstete, da ich nur dadurch Befreiung von der grenzenlosen Qual wahnsinniger Liebe, die meine Brust zerfleischte, hoffen konnte, so war mir doch Euphemiens Mitwirkung verächtlich. Ich wies daher zu ihrem nicht geringen Erstaunen ihren Anschlag von der Hand, indem ich im Innern fest entschlossen war, das durch eigne Macht zu vollführen, wozu Euphemie mir ihre Beihilfe aufdringen wollte. So wie die Baronesse es vermutet, blieb Aurelie in ihrem Zimmer, sich mit einer Unpäßlichkeit entschuldigend und so sich meinem Unterricht für die nächsten Tage entziehend. Hermogen war wider seine Gewohnheit jetzt viel in der Gesellschaft Reinholds und des Barons, er schien weniger in sich gekehrt, aber wilder, zorniger. Man hörte ihn oft laut und nachdrücklich sprechen, und ich bemerkte, daß er mich mit Blicken des verhaltenen Grimms ansah, sooft der Zufall mich ihm in den Weg führte; das Betragen des Barons und Reinholds veränderte sich in einigen Tagen auf ganz seltsame Weise. Ohne im Äußerlichen im mindesten von der Aufmerksamkeit und Hochachtung, die sie mir sonst bezeigt, nachzulassen, schien es, als wenn sie, gedrückt von einem wunderbaren ahnenden Gefühl, nicht jenen gemütlichen Ton finden konnten, der sonst unsre Unterhaltung belebte. Alles, was sie mit mir sprachen, war so gezwungen, so frostig, daß ich mich ernstlich mühen mußte, von allerlei Vermutungen ergriffen, wenigstens unbefangen zu scheinen.

      Euphemiens Blicke, die ich immer richtig zu deuten wußte, sagten mir, daß irgend etwas vorgegangen, wovon sie sich besonders aufgeregt fühlte, doch war es den ganzen Tag unmöglich, uns unbemerkt zu sprechen.

      In tiefer Nacht, als alles im Schlosse längst schlief, öffnete sich eine Tapetentüre in meinem Zimmer, die ich selbst noch nicht bemerkt, und Euphemie trat herein mit einem zerstörten Wesen, wie ich sie noch niemals gesehen. "Viktorin", sprach sie, "es droht uns Verrat, Hermogen, der wahnsinnige Hermogen ist es, der, durch seltsame Ahnungen auf die Spur geleitet, unser Geheimnis entdeckt hat. In allerlei Andeutungen, die gleich schauerlichen, entsetzlichen Sprüchen einer dunklen Macht, die über uns waltet, lauten, hat er dem Baron einen Verdacht eingeflößt, der, ohne deutlich ausgesprochen zu sein, mich doch auf quälende Weise verfolgt. – Wer du bist, daß unter diesem heiligen Kleide Graf Viktorin verborgen, das scheint Hermogen durchaus verschlossen geblieben; dagegen behauptet er, aller Verrat, alle Arglist, alles Verderben, das über uns einbrechen werde, ruhe in dir, ja wie der Widersacher selbst sei der Mönch in das Haus getreten, der, von teuflischer Macht beseelt, verdammten Verrat brüte. – Es kann so nicht bleiben, ich bin es müde, diesen Zwang zu tragen, den mir der kindische Alte auferlegt, der nun mit kränkelnder Eifersucht, wie es scheint, ängstlich meine Schritte bewachen wird. Ich will dies Spielzeug, das mir langweilig worden, wegwerfen, und du, Viktorin, wirst dich um so williger meinem Begehren fügen, als du auf einmal selbst der Gefahr entgehst, endlich ertappt zu werden und so das geniale Verhältnis, das unser Geist ausbrütete, in eine gemeine verbrauchte Mummerei, in eine abgeschmackte Ehestandsgeschichte herabsinken zu sehen! Der lästige Alte muß fort, und wie das am besten ins Werk zu richten ist, darüber laß uns zu Rate gehen, höre aber erst meine Meinung. Du weißt, daß der Baron jeden Morgen, wenn Reinhold beschäftigt, allein hinausgeht in das Gebürge, um sich an den Gegenden nach seiner Art zu erlaben. – Schleiche dich früher hinaus und suche, ihm am Ausgange des Parks zu begegnen. Nicht weit von hier gibt es eine wilde, schauerliche Felsengruppe; wenn man sie erstiegen, gähnt dem Wandrer auf der einen Seite ein schwarzer, bodenloser Abgrund entgegen, dort ist, oben über den Abgrund herüberragend, der sogenannte Teufelssitz. Man fabelt, daß giftige Dünste aus dem Abgrunde steigen, die den, der vermessen hinabschaut, um zu erforschen, was drunten verborgen, betäuben und rettungslos in den Tod hinabziehen. Der Baron, dieses Märchen verlachend, stand schon oft auf jenem Felsstück über dem Abgrund, um die Aussicht, die sich dort öffnet, zu genießen. Es wird leicht sein, ihn selbst darauf zu bringen, daß er dich an die gefährliche Stelle führt; steht er nun dort und starrt in die Gegend hinein, so erlöst uns ein kräftiger Stoß deiner Faust auf immer von dem ohnmächtigen Narren." – "Nein, nimmermehr", schrie ich heftig, "ich kenne den entsetzlichen Abgrund, ich kenne den Sitz des Teufels, nimmermehr! Fort mit dir und dem Frevel, den du mir zumutest!" Da sprang Euphemie auf, wilde Glut entflammte ihren Blick, ihr Gesicht war verzerrt von der wütenden Leidenschaft, die in ihr tobte. "Elender Schwächling", rief sie, "du wagst es in dumpfer Feigheit, dem zu widerstreben, was ich beschloß? Du willst dich lieber dem schmachvollen Joche schmiegen, als mit mir herrschen? Aber du bist in meiner Hand, vergebens entwindest du dich der Macht, die dich gefesselt hält zu meinen Füßen! – Du vollziehst meinen Auftrag, morgen darf der, dessen Anblick mich peinigt, nicht mehr leben!"

      Indem Euphemie die Worte sprach, durchdrang mich die tiefste Verachtung ihrer armseligen Prahlerei, und im bittern Hohn lachte ich ihr gellend entgegen, daß sie erbebte und die Totenblässe der Angst und des tiefen Grauens ihr Gesicht überflog. – "Wahnsinnige", rief ich, "die du glaubst über das Leben zu herrschen, die du glaubst, mit seinen Erscheinungen zu spielen, habe acht, daß dies Spielzeug nicht in deiner Hand zur schneidenden Waffe wird, die dich tötet! Wisse, Elende, daß ich, den du in deinem ohnmächtigen Wahn zu beherrschen glaubst, dich wie das Verhängnis selbst in meiner Macht festgekettet halte, dein frevelhaftes Spiel ist nur das krampfhafte Winden des gefesselten Raubtiers im Käfig! – Wisse, Elende, daß dein Buhle zerschmettert in jenem Abgrunde liegt und daß du statt seiner den Geist der Rache selbst umarmtest! – Geh und verzweifle!"

      Euphemie wankte; im konvulsivischen Erbeben war sie im Begriff, zu Boden zu sinken, ich faßte sie und drückte sie durch die Tapetentüre den Gang hinab. – Der Gedanke stieg in mir auf, sie zu töten, ich unterließ es, ohne mich dessen bewußt zu sein, denn im ersten Augenblick, als ich die Tapetentüre schloß, glaubte ich die Tat vollbracht zu haben! – Ich hörte einen durchdringenden Schrei und Türen zuschlagen. Jetzt hatte ich mich selbst auf einen Standpunkt gestellt, der mich dem gewöhnlichen menschlichen Tun ganz entrückte; jetzt mußte Schlag auf Schlag folgen, und, mich selbst als den bösen Geist der Rache verkündend, mußte ich das Ungeheuere vollbringen. – Euphemiens Untergang war beschlossen, und der glühendste Haß sollte, mit der höchsten Inbrunst der Liebe sich vermählend, mir den Genuß gewähren, der nun noch dem übermenschlichen mir inwohnenden Geiste würdig. – In dem Augenblick, daß Euphemie untergegangen, sollte Aurelie mein werden.

      Ich erstaunte über Euphemiens innere Kraft, die es ihr möglich machte, den ändern Tag unbefangen und heiter zu scheinen. Sie sprach selbst darüber, daß sie vorige Nacht in eine Art Somnambulismus geraten und dann heftig an Krämpfen gelitten, der Baron schien sehr teilnehmend, Reinholds Blicke waren zweifelhaft und mißtrauisch. Aurelie blieb auf ihrem Zimmer, und je weniger es mir gelang, sie zu sehen, desto rasander tobte die Wut in meinem Innern. Euphemie lud mich ein,


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