Das Vermachtnis des Inka. Karl May

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Das Vermachtnis des Inka - Karl May


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lieber Señor Morgenstern, gehen Sie in sich, und fragen Sie sich, ob Sie der Mann zu einem so gewagten Unternehmen sind!«

      »Für ein Mastodon oder ein Glyptodon wage ich alles, selbst mein Leben. Sie werden doch einem Landsmann aus Jüterbogk seine Bitte nicht abschlagen!«

      »Vom Abschlagen kann jetzt noch keine Rede sein, da ich Señor Salido noch nicht zugesagt habe. Es ist noch nicht genau bestimmt, wann wir abreisen, und bis dahin kann sich vieles ändern.«

      Es war ihm ganz und gar nicht übel zu nehmen, daß er auf seinem gefährlichen Ritte nur zuverlässige Leute bei sich haben wollte. Man sah es ihm an, daß ihm der Antrag nicht angenehm war. Darum brachte der Wirt das Gespräch auf ein andres Thema, infolgedessen sich das Gesicht des Vaters Jaguar schnell wieder aufheiterte. Er glaubte, dem kleinen roten Gelehrten entgangen zu sein, hatte aber wohl noch nicht erfahren, mit welcher Beharrlichkeit solche Herren an einem einmal gefaßten Gedanken festhalten.

      Die Gäste blieben bis nach dem eingenommenen Abendmahle. Als sie sich dann verabschiedeten, war der Wirt so zartfühlend, seinen Wunsch nicht zur Sprache zu bringen. Er wußte, daß der Vater Jaguar wiederkommen werde, um seine Anweisung zu präsentieren, und dann konnte über die Angelegenheit ja nochmals gesprochen werden. Doktor Morgenstern aber war weniger skrupulös; er nahm Hammer beim Arme und fragte in bestimmtem Tone:

      »Also, Señor, wieviel Pferde soll ich mir kaufen?«

      »Pferde? Wozu?«

      »Nun, zu unsrer Reise. Ich muß doch Pferde haben und Hacken und Schaufeln und sonstige Werkzeuge.«

      »Weiter nichts?« fragte der Vater Jaguar in beinahe zornigem Tone.

      »Was sonst noch?«

      »Einen Eisenbahngüterzug. Oder meinen Sie, wenn Sie den Riesenelefanten ausgegraben haben, laufe er allein nach Jüterbogk, um dort Mitglied Ihrer ›Deutschen Lyra‹ zu werden?«

      »Mein Himmel! Verstehen Sie es aber, einen anzublitzen und anzudonnern!« rief der Kleine, indem er erschrocken zurückfuhr. »Wir wollen doch in Ruhe und Freundlichkeit verhandeln, Señor. Ich werde Ihnen gar nicht zur Last fallen. Ich bin nicht allein; ich nehme einen Diener mit.«

      »Ah! Was für einen?«

      »Einen guten Germanen. Er heißt Fritz Kiesewetter und ist aus Stralau am Rummelsburger See.«

      »So! Das soll ein Trost für mich sein? Lassen Sie Ihren Rummelsburger nur getrost dort, wo er ist. Da befindet er sich jedenfalls besser als im Gran Chaco, wo es keinen Stralauer Fischzug mit Eisbein und Weißbier gibt.«

      Bei diesen Worten ging Hammer zur Thür hinaus und ließ den Kleinen stehen. Seine Gefährten folgten ihm und der Bankier begleitete sie bis an den Ausgang. Eben als sie im Begriff standen, sich dort zu verabschieden, kam der Kriminalbeamte, welcher den gestrigen Vorfall zu untersuchen hatte, und meldete, daß der Espada Antonio Perillo der Thäter nicht gewesen sein könne, da er im stande sei, seine Unschuld durch ein unanfechtbares Alibi zu beweisen.

      Die Herren sprachen noch einige Zeit über diese Angelegenheit. Sie wurden dabei von dem Licht, welches ein Peon hielt, hell beleuchtet und bemerkten nicht, daß sie mehrere, wenn auch nicht Ohren-, so doch Augenzeugen hatten.

      Als der Polizist vorhin in die Straße, in welcher die Quinta stand, eingebogen war, hatte er dieselbe nicht allein betreten, sondern es waren ihm zwei Männer gefolgt, so heimlich und so leise, daß ihm ihre Gegenwart entging. Jetzt standen sie drüben auf der andern Seite der Straße. Es war dunkler Abend; aber selbst wenn es heller gewesen wäre, hätte man sie schwerlich sehen können, da sie sich dicht an das Gebüsch des Oleanderzaunes schmiegten. Bei mehr Beleuchtung hätte ein Lauscher bemerken können, daß von diesen beiden Männern der eine älter als der andre war. Der jüngere aber war – Antonio Perillo, der heute leicht verwundete Espada.

      »Dachte es mir, daß dieser Vigilant zum Bankier gehen würde,« flüsterte er seinem Begleiter zu. »Wir haben also nicht umsonst vor seiner Wohnung gelauert. Möchte wissen, was er zu sagen hat.«

      »Das weiß ich sehr genau,« antwortete der andre ebenso leise. »Er wird ihm sagen, daß du gestern um die betreffende Zeit bei mir gewesen bist.«

      »Und wenn man es nicht glaubt und die Untersuchung einleitet?«

      »So werde ich es schon einzurichten wissen, daß meinen Aussagen Glauben beigemessen wird.«

      »Nun, ich wünsche, daß es gelinge, vorläufig glaube ich nicht daran. Bist du denn plötzlich fromm geworden, obgleich es auch dir an den werten Kragen gehen kann? Es war eine Dummheit von euch, die Sache in dieser Weise abmachen zu wollen. Der Kleine war gestern doch nicht zum letztenmal auf der Straße, und dann hätte ein stiller Messerstich viel leichter und besser gewirkt als eure unsinnige Schießerei. Ich bin – – Tempestad – Donnerwetter!« unterbrach er sich. »Wer ist denn der Kerl?«

      »Welcher?«

      »Der Riese, welcher neben dem Bankier steht.«

      Der Schein des Lichtes war soeben hell auf Hammers Gesicht gefallen.

      »Den kennst du nicht?« fragte Antonio Perillo. »Ah, ich vergaß, daß du heute nicht mit beim Stiergefecht warst. Das ist der Vater Jaguar, der Halunke, der uns alle so blamiert hat. El diabolo se le lleve – der Teufel hole ihn!«

      »Der – Va – ter – Ja – gu – ar?« fragte der Ältere, indem er die einzelnen Silben weit auseinander dehnte. »Der also ist der Vater Jaguar! Der!«

      »So kennst du ihn?«

      »Und ob ich ihn kenne! Also so lange Jahre habe ich mich gesehnt, den Vater Jaguar zu sehen, und der Zufall, oder vielmehr mein gutes Glück hat mir diesen Wunsch stets versagt. Und nun ich ihn sehe, glücklicherweise ohne daß er mich sieht, muß ich erfahren, daß es dieser – dieser – dieser ist! Welch eine Neuigkeit! Welch eine Erfahrung, die ich da mache!«

      Er flüsterte diese Worte abgebrochen, lang gedehnt und doch wie abwesend. Antonio Perillo konnte sich dieses Verhalten seines Gefährten nicht erklären; darum fragte er:

      »Was ist's denn mit dir? Wie redest du? Wer ist er denn?«

      »Wer er ist, das will ich dir sagen; du kennst ja die Geschichte. Dieser Mann wurde bei den nordamerikanischen IndianernMetana Mu genannt.«

      »Dieses Wort verstehe ich nicht.«

      »Die englisch sprechenden Jäger, nennen ihn Lightning-hand

      »Auch Englisch verstehe ich nicht.«

      »So sollst du hören, daß er bei den spanisch redenden Mexikanern El Mano relampagueando hieß.«

      »Wie? Was? Ist das möglich?« fragte Perillo betroffen. »So ist er also der Bruder jenes – jenes – – den du damals – –?«

      »Ja, ja, jenes – – jenes – – den ich damals – –! Dieser Lightning-hand befindet sich schon so lange hier unter dem Namen des Vater Jaguar. Er ist also gleich darauf nach Argentinien gekommen. Er hat meine Fährte entdeckt und ist mir gefolgt, um den Tod seines Bruders zu rächen, hat mich aber nie getroffen, ebenso aus Zufall, wie ich ihn auch nie gesehen habe.«

      »So ist es; ja, so ist es; anders kann es nicht sein. Nimm dich in acht!«

      »Das werde ich. Nun ich die große Gefahr kenne, in welcher ich so lange geschwebt habe, ohne es zu ahnen, werde ich ihr in meiner Weise begegnen. Er sucht mich und hat mich nicht gefunden; ich aber habe ihn gefunden, ohne ihn zu suchen. Er wird mir nicht entkommen.«

      »Du willst ihn – – – ?«

      »Ja.«

      »Gerade wie seinen Bruder?«

      »Geradeso! Oder meinst du etwa, daß ich ihn leben lassen soll, um ihm in die Hände zu laufen? Übrigens was thut er hier bei diesem Bankier Salido, bei dem der kleine Rote wohnt, der sich wie ein Gaucho kleidet, ohne einer zu sein?«

      »Das ist allerdings ein Umstand, welcher auch mir auffällt.«

      »Sollten beide befreundet sein? Dieser Zwerg und dieser Riese? Sie


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