Indiana. Жорж Санд

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Indiana - Жорж Санд


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Fensterladen, und lange blieb er regungslos in ein dumpfes Staunen versunken, den Ort, wo er sich befand, und das Bett, worauf er in seinen Kleidern geruht hatte, fast für ein Traumgesicht haltend. Im Zimmer der Frau Delmare hatte Noun alles wieder in Ordnung gebracht, nichts verriet das Gelage des gestrigen Abends.

      Raymon stand auf und wollte hinausgehen; aber die Tür war verschlossen, das Fenster dreißig Fuß vom Boden entfernt.

      Da warf er sich auf seine Knie.

      »O Indiana,« rief er, die Hände windend, »kannst du mir eine solche Schmach verzeihen? Verwirf mich jetzt, vertrauende, sanfte Indiana; denn du weißt nicht, welchem schändlichen, gemeinen Menschen du die Schätze deiner Unschuld anvertrauen willst! Verstoße mich, tritt mich unter deine Füße!«

      Da trat Noun in ihrer gewöhnlichen Kleidung ein. Als sie Raymon auf den Knien sah, glaubte sie, er bete. Sie wußte nicht, daß das nicht die Gewohnheit der vornehmen Leute ist. Schweigend wartete sie, bis es ihm gefallen würde, ihre Gegenwart zu bemerken.

      Als Raymon sie sah, fühlte er sich gereizt und verlegen, ohne sich entschließen zu, können, sie zu schelten, oder ihr ein freundliches Wort zu gönnen.

      »Warum hast du mich hier eingeschlossen?« fragte er endlich.

      »Damit du nicht fortgehst,« antwortete Noun schmeichelnd. »Das Haus ist unbewohnt, der Gärtner kommt niemals in diesen Teil des Gebäudes, von dem ich allein den Schlüssel habe. Du bleibst also diesen Tag noch bei mir, du bist mein Gefangener.«

      Diese Anordnung brachte Raymon zur Verzweiflung; denn er fühlte für seine Geliebte nichts mehr. Doch mußte er sich darein ergeben und vielleicht hielt ihn auch, trotz des peinlichen Gefühles, das ihn in diesem Zimmer ergriff, ein unwiderstehlicher Reiz darin fest.

      Als Noun gegangen war, um ihm sein Frühstück zu bereiten, begann er beim Licht des Tages alle die stillen Zeugen von Indianas Einsamkeit näher zu betrachten. Er öffnete ihre Bücher, durchblätterte ihr Album und schloß sie dann eilig, denn er fürchtete noch immer, eine Profanation zu begehen und die unschuldigen Geheimnisse eines weiblichen Herzens zu verletzen. Endlich bemerkte er auf dem Wandgetäfel, dem Bette der Frau Delmare gegenüber, ein großes, mit doppelter Gaze bedecktes Gemälde in reichem Rahmen.

      Vielleicht war es Indianas Bildnis. Begierig, es zu betrachten, stieg Raymon auf einen Stuhl, entfernte die Gaze und entdeckte mit Erstaunen das lebensgroße Porträt eines jungen Mannes.

      Achtes Kapitel

      »Es ist mir, als müßte ich diese Züge kennen,« sagte er zu Noun, als diese eben zurückkehrte, indem er sich bemühte, eine gleichgültige Miene anzunehmen.

      »Pfui, mein Herr,« entgegnete das junge Mädchen, das Frühstück auf den Tisch setzend, »es ist nicht hübsch, in die Geheimnisse meiner Gebieterin einzudringen.«

      Raymon erbleichte.

      »Geheimnisse?« wiederholte er. »Wenn es hier Geheimnisse gibt, so bist du die Vertraute und doppelt strafbar, mich in dieses Zimmer geführt zu haben.«

      »Ach nein, es ist kein Geheimnis,« sagte Noun lächelnd. »Könnte meine Herrin vor einem so eifersüchtigen Gatten Geheimnisse haben?«

      »Wen stellt dieses Porträt vor?«

      »Sir Ralph Brown, den Cousin der gnädigen Frau; es ist ihr Jugendfreund und ich könnte fast sagen, auch der meinige.«

      Raymon betrachtete das Gemälde mit finsteren Blicken.

      Wir haben bereits gesagt, daß Sir Ralph ein hübscher Mann war, von kräftiger Gestalt und reichem Haarwuchs, immer geschmackvoll gekleidet. Wenn er auch nicht der Mann dazu war, ein romantisches Frauenherz zu erobern, so hätte er doch die Eitelkeit einer nüchtern angelegten Natur befriedigen können. Er war in Jagdkleidern dargestellt, von seinen Hunden umgeben, an deren Spitze sein Lieblingshund, die schöne Ophelia, stand. Sir Ralph hielt in der Hand den Zügel eines prächtigen, englischen Pferdes, welches fast den ganzen Hintergrund des Gemäldes einnahm. Das Bild war bewundernswürdig ausgeführt und das Original kam ihn bei weitem nicht gleich.

      Doch fragte sich Raymon unwillig:

      »Wie, dieser vierschrötige Engländer genießt das Vorrecht, das geheimste Gemach der Frau Delmare zu schmücken? Sein fades Bild hängt immer da. Er überwacht, er verfolgt alle ihre Bewegungen; er besitzt sie zu jeder Stunde!«

      »Ist das Gemälde immer mit der Gaze umhüllt?« fragte er das Kammermädchen.

      »Immer,« antwortete sie, »wenn die gnädige Frau abwesend ist. Doch bemühe dich nicht, sie wieder vorzuhängen, Frau Delmare kommt in einigen Tagen zurück.«

      »Dann, Noun, wäre es gut, wenn du ihr sagtest, daß dieses Gesicht einen sehr impertinenten Ausdruck hat … An Herrn Delmares Stelle würde ich nur eingewilligt haben, es hier aufzuhängen, nachdem ich ihm beide Augen ausgestochen hätte …«

      »Was hast du denn gegen das Gesicht des guten Herrn Brown?« sagte Noun. »Er ist ein so trefflicher Herr! Früher hatte ich ihn nicht so gern, weil ich immer von meiner Herrin hörte, er sei selbstsüchtig, aber seit dem Tage, wo er dir so viel Teilnahme bewies …«

      »Richtig,« unterbrach sie Raymon, »er stand mir bei, aber nur auf Frau Delmares Bitte.«

      Der Tag rückte vor, ohne daß Noun wagte, Raymon an den eigentlichen Zweck seiner Anwesenheit zu erinnern. Endlich gegen Abend gewann sie es über sich und drang in ihn, ihr seine Absichten zu erklären.

      Raymon hatte keine anderen, als sich von einem gefährlichen Zeugen und einer Frau, die er nicht mehr liebte, zu befreien. Doch wollte er ihr Schicksal sicher stellen und machte ihr die glänzendsten Anerbietungen.

      Das arme Mädchen erblickte darin einen Schimpf; sie riß sich das Haar aus und hätte sich den Kopf zerschmettert, wenn Raymon sie nicht mit Gewalt zurückgehalten hätte.

      »Es ist meine Schuldigkeit,« sagte er, »und du wärst sehr strafbar, wenn ein falsches Zartgefühl dich bewöge, meine Anerbietungen zurückzuweisen.«

      Noun beruhigte sich und trocknete ihre Augen.

      »Wohlan,« sagte sie, »ich nehme deine Vorschläge an, aber nicht für mich. Auch mußt du mir versprechen, mich ferner zu lieben. Deine Gleichgültigkeit würde mich umbringen. Kannst du mich nicht zu dir nehmen, um dir zu dienen? Sieh, ich bin nicht ehrgeizig. Laß mich in den Dienst deiner Mutter treten. Sie soll mit mir zufrieden sein, ich schwöre es dir; und wenn du mich auch nicht mehr liebst, so werde ich dich doch wenigstens noch sehen können.«

      »Du verlangst etwas Unmögliches, liebe Noun. In dem Zustande, in welchem du dich befindest, kannst du nicht daran denken, in irgend jemandes Dienst zu treten, und meine Mutter zu täuschen, wäre eine Niederträchtigkeit, in welche ich niemals willigen kann. Geh nach Lyon oder Bordeaux, ich verpflichte mich, dir bis zu dem Augenblick, wo du dich wieder zeigen kannst, es an nichts fehlen zu lassen.«

      »Nein,« rief das Mädchen, schmerzlich die Hände faltend. »Ich will nicht in einer fernen Stadt sterben, wo Sie mich vergessen.«

      »Noun, wenn du fürchtest, daß ich dich täuschen will, so komm mit mir, derselbe Wagen soll uns an den Ort führen, den du selbst wählen magst; überall hin will ich dir folgen und dir die Pflege angedeihen lassen, die ich dir schuldig bin, nur nicht nach Paris.«

      »Ja, um mich zu verlassen, wenn Sie mich in einem fremden Lande als unbequeme Last abgesetzt haben,« sagte sie mit bitterem Lächeln. »Nein, mein Herr, nein, ich bleibe! Ich will mich zu Frau Delmares Füßen werfen, ihr alles bekennen, und ich weiß, sie wird mir verzeihen, denn sie ist gut und liebt mich. Wir sind fast an demselben Tage geboren; sie ist meine Milchschwester. Sie wird mich nicht von sich stoßen, sie wird mit mir weinen, sie wird mich pflegen. Ach, sie ist das einzige Wesen auf der Welt, welches sich meiner erbarmen wird! …«

      Dieser Entschluß brachte Herrn von Ramière fast zur Verzweiflung. Ehe er noch eine Antwort finden konnte, ließ sich im Hofe das Rollen eines Wagens hören. Noun eilte bestürzt ans Fenster.

      »Es ist Frau Delmare!« rief sie, »fliehen Sie!«

      Der Schlüssel zur verborgenen Treppe


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