Störtebecker. Klabund

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Störtebecker - Klabund


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nahm ihn zitternd in ihre Arme und küßte seinen stinkenden Mund.

      Die Schlinge wehte leicht und lustig. Marlen sah empor.

      Ach, sieh die lustige Schlinge! Wie hübsch sie sich ringelt! Wie eine Schlange.

      Sie sucht ein neues Opfer. Soldat, zeig mir doch einmal, wie man die Leute hängt. Möcht's gern wissen.

      Der Soldat lachte.

      So mein Täubchen, hängt man die Leute, so mein Täubchen.

      Er legte sich die Schlinge kunstgerecht um den Hals.

      Als er den Hals in der Schlinge hatte, stieß Marlen die Leiter um. Er zappelte noch ein wenig wie ein Frosch, zuckte ein paarmal und hing still.

      Marlen sah zu ihm hinauf:

      So soll es allen gehen, die Schergenknechte sind.

      Ihre Brust ging schwer.

      Gödeke!

      Sie schleifte die Leiche zum Friedhof und begrub ihn. Den Kaufmannssohn zerrte sie bis übern Damm und warf ihn, mit einem Stein beschwert, in die Elbe.

      Als um sechs Uhr früh die Ablösung der Galgenwache kam, sah sie zu ihrem Entsetzen den Wächter am Galgen hängen.

      Von Gödeke ward keine Spur mehr gefunden.

      Aber durch die Bürgerschaft Hamburgs ging ein Zittern.

      Der Teufel ist mit den Rebellen im Bunde! wisperte der Erzpriester von Sankt Georgen und legte diese Worte seiner nächsten Sonntagspredigt zugrunde und malte ein Bild des Teufels, daß die christliche Gemeinde schaudernd in den Mittag auseinanderging und sie sich in der grellen Sonne voreinander fürchteten.

      Einige Tage darauf warf Marlen wie eine Hündin in einer Nische der Nikolaikirche einen Knaben, der später Störtebecker genannt wurde.

      Vertrunken und versunken saß ein junger Gelehrter vor seinem Schoppen Wein. Zuweilen nahm er den Doktorhut herab und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

      Störtebecker trank ihm zu:

      Euer Wohl!

      Der Gelehrte sah ihn durch seine schwarze Hornbrille mißtrauisch an und dankte mürrisch.

      Woher des Weges? fuhr Störtebecker unbeirrt fort.

      Der andere schwieg.

      Er hob den Pokal ans Licht:

      Wie klar dieser Wein! Wie golden! Flüssige Sonne. Wenn es einen Menschen gäbe, der so klar wäre wie dieser Wein. Aber vermanscht sind sie alle, unausgegoren, trübe, zu bitter oder zu süß. Essig oder Most. Euer Wohl! Ihr seid ein Kriegsmann?

      Störtebecker:

      Etwas Ähnliches, Herr. Ein Kämpfer.

      Und was bekämpft Ihr?

      Die Dummheit, den Hochmut, die Niedertracht.

      Des andern Augen hinter den Brillengläsern funkelten. Ihr seid mein Mann. Ich wüßte Euch einen würdigen Feind. Er dämpfte die Stimme:

      Ich komme aus Rom.

      Störtebecker lauschte.

      Dort herrscht die Trinität, die Ihr eben anführtet, unbeschränkt.

      Störtebecker:

      Kommt mit zum Thing. Sprecht zu den Friesen! Ihr seid der Unsere!

      Der Thing fand auf einer Lichtung bei Bremen statt. Der Fremde erhob seine Stimme und sprach:

      Zwei Metzen namens Theodora und Varozzia regieren. Sie setzen Bischöfe ein und ab und erheben zum Papst, wen sie wollen. Pfründe, Dispense, Absolutionen, Urteile: alles ist käuflich. Die Justiz ist eine Dirne geworden, der längst die Binde von den Augen fiel. Der Papst liest die heilige Messe, ohne zu kommunizieren, und ein siebenjähriges Kind, das mit dem Bischofshut wie mit einer Karnevalsmütze spielt, wurde zum Bischof geweiht. Wer weiß, wer der rechte Papst ist? Benedikt heißt der eine: der Gesegnete: er ist mit der Franzosenkrankheit gesegnet. Innozenz, der Unschuldige, heißt der zweite. Er ist unschuldig wie eine Landsknechthure. Damit sie ihr gottverfluchtes Leben leben können, pressen sie die Christgläubigen mit Abgaben und Steuern. Zieht nicht auch bei euch in den Katen und Dünen der Pfaff mit dem Klingelbeutel herum und fordert den Zehnten, indem er sich auf Gottes Wort und die Bibel beruft? Werft ihm die Bibel an den Kopf. Was braucht ihr die Bibel, wenn sie zuläßt, daß solchen Ungeistes Kinder sich auf sie berufen? Als ihr die Bibel noch nicht hattet, Friesen, da tönte Gottes Wort euch milder und reiner im Sausen der Winde, im Sturm der See. Kein häßlicher Gott, der gewunden am Kreuze hing, mit verzerrten Gliedmaßen, drückte euch. Freia, die Göttin der Schönheit, kam auf einem Delphin über das Meer geschwommen und segnete euch! Wehr- und hilflos ließ sich der Christ ans Kreuz nageln, desgleichen verlangen die heuchlerischen Pfaffen von euch. Sie wollen euch ans Kreuz von tausend Verträgen und Edikten nageln, um euch besser und sicherer schröpfen zu können. Meint ihr, daß es beim Zehnten bleibt? Den Dritten, die Hälfte werden sie fordern, und eure Weiber und Töchter werden sie im Beichtstuhl verderben mit römischem Laster und gallischer Sünde. Noch lebt Wodan, der Schlachtengott! Noch lebt Thor! Er schwingt den Streithammer und wird zerschmettern, die sich gegen ihn stellen. Nieder mit den Pfaffen! Nieder mit Rom! Wir wollen freie Friesen sein!

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