Der Müller von Angibault. Жорж Санд

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Der Müller von Angibault - Жорж Санд


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er uns, und seine Manier, uns zu duzen, kam mir nicht sehr freundschaftlich vor.«

      »Er hat Sie geduzt? Der alte Spaßvogel! Er ist wahrhaftig nicht blöde! Aber das ist so seine Art, geben Sie nicht darauf Acht. Er ist ein Mensch ohne alle Bosheit, ein Original, der Vater Cadoche, mit einem Wort, der ›Allerweltsvetter‹, wie man ihn nennt, welcher jedem verspricht, ihn zum Erben einzusetzen, obgleich er so arm ist wie sein Stecken.«

      Marcelle ritt sehr bequem auf der starken und friedlichen Sophie, und der kleine Eduard gefiel sich ›in dieser Art, zu gehen‹, wie der gute Lafontaine sich ausdrückt, außerordentlich. Er spornte mit seinen Füßchen den Hals des Pferdes, welches nichts davon spürte und deshalb nicht rascher ging. Es ging wie ein echtes Mühlpferd, ohne der Leitung zu bedürfen, seinen Weg genau kennend und in der Dunkelheit an Wassern und Felsen vorüberschreitend, ohne sich jemals zu irren oder einen falschen Tritt zu tun. Zur Beruhigung Marcelles, welche für ihren alten Diener von einer im Freien zugebrachten Nacht schlimme Folgen befürchtete, ließ der Müller zu wiederholten Malen seine Stimme ertönen, um Lapierre herbeizurufen, und dieser, der sich in einem benachbarten Gebüsch verirrt hatte und seit einer halben Stunde auf dem Flächenraum eines Morgens sich im Kreise herumbewegte, vereinigte sich bald mit der kleinen Karawane.

      Nach Verfluss einer Stunde ließ sich das Geräusch eines Wehrs hören und die ersten Strahlen des aufgehenden Mondes ließen das von Weinreben überwucherte Dach der Mühle gewahren und den silbern glänzenden Bach, dessen Ufer mit Krausemünze und Seifenkraut bedeckt waren. Marcelle sprang leicht auf diesen duftenden Teppich nieder, nachdem sie dem Müller ihren Knaben in die Arme gelegt, der sich den ganzen Weg über munter und mutig gezeigt hatte und jetzt, seine Ärmchen um den Hals des großen Louis schlingend, zu ihm sagte:

      »Guten Abend, Alochon

      Der Müller hatte seinen Gästen nicht zu viel versprochen: seine alte Mutter stand, ohne übellaunig zu werden, auf und hatte mit Hilfe einer kleinen Magd von vierzehn bis fünfzehn Jahren die Betten bald in Bereitschaft. Frau von Blanchemont empfand mehr das Bedürfnis der Ruhe als des Essens, weswegen Sie sich von der alten Müllerin nichts denn eine Schale Milch reichen ließ, und dann entschlief sie, abgemattet und erschöpft, ihr Kind an der mütterlichen Seite, in einem Federbett von unermesslicher Höhe und ausgesuchter Weichheit.

      Diese Federbetten, deren durchgängiger Fehler zu große Wärme und Weichheit ist, bilden, mit einem schwellenden Strohsack als Unterlage, ohne Unterschied des Reichtums oder der Armut, die Lagerstätten der Bewohner dieser Gegenden, welche an Gänsen Überfluss hat und wo die Winter sehr kalt sind. Ermüdet durch eine Eilreise von achtzig Meilen und dann noch durch die Fahrt in der Patache, welche sozusagen das Tüpfelchen auf das i gemacht, hätte die schöne Pariserin gerne recht lang in den Morgen hinein geschlafen; allein kaum war die Morgenröte erschienen, als das Krähen der Hähne, das Klappern der Mühle, die laute Stimme des Müllers und alle jene Laute ländlicher Tätigkeit sie nötigten, auf eine längere Ruhe zu verzichten, abgesehen davon, dass Eduard, welcher gar nicht ermüdet und auf welchen die Landluft bereits einen stärkenden Einfluss zu üben schien, anfing, lustige Sprünge auf dem Bett auszuführen.

      Susette, deren Lager im nämlichen Gemach sich befand, schlief, allem Geräusche von außen zum Trotz, so fest, dass Marcelle sich ein Bedenken daraus machte, sie aufzuscheuchen, und auf der Stelle die neue Lebensweise, welche sie sich vorgesetzt, beginnend, stand sie auf, kleidete sich ohne den Beistand ihres Kammermädchens an, besorgte vergnügt den Anzug und Aufputz ihres Sohnes und ging dann hinaus, um ihren Wirten guten Morgen zu sagen.

      Sie traf nur den Müllerburschen und die Magd, welche ihr sagten, der Meister und die Meisterin seien ans Ende der Wiese gegangen, um das Frühstück zuzurichten. Neugierig, zu sehen, worin diese Zurüstungen beständen, überschritt Marcelle die ländliche Brücke, welche zugleich der Schleuse der Mühle zum Anhaltspunkt diente, und eine hübsche Anpflanzung von jungen Pappeln links lassend, ging sie über die Wiese, dem Lauf des Flusses oder vielmehr des Baches entlang, welcher, jederzeit voll bis an den Rand und eingerahmt von blühendem Rasen, an dieser Stelle nicht mehr als zehn Fuß breit war. Trotz seines stillen Laufes ist aber das Wasser von bedeutender Kraft und bildet bei der Anfahrt der Mühle ein beträchtlich großes, unbewegliches, tiefes und wie eine Eismasse aussehendes Bassin, in welchem sich die alten Weiden und die bemoosten Dächer der Behausung spiegeln. Marcelle betrachtete dieses friedliche und reizende Heimwesen, welches ihr Herz anmutete, ohne dass sie wusste, warum. Sie hatte schon schönere gesehen, allein es gibt Orte, welche ich weiß nicht was für eine unwiderstehliche Anziehungskraft üben und an welchen uns Freude, Kummer oder Pflichten zu erwarten scheinen.

      5. Kapitel.

      Die Mühle

      Indem Marcelle durch das weit hingedehnte Gehölz wandelte, glaubte sie in einen noch jungfräulichen Wald einzutreten. Der Boden, vielfach durch die Gewässer unterhöhlt und zerrissen, war mit einer üppigen Vegetation bedeckt. Man sah, dass der kleine Fluss in den Regenmonaten große Verheerungen anzurichten imstande sei. Prächtige Weiden, Buchen und Zitterespen, deren ungeheure Wurzeln unbedeckt über den feuchten Sand hinkrochen, ineinander verschlungenen Schlangen ähnelnd, neigten sich gegeneinander in einer majestätischen Unordnung. Das in mehrere Arme geteilte Flüsschen schnitt launenhaft eine Menge Grasplätze voneinander ab, auf welchen über dem Rasen wilde Rosen blühten, üppige Brombeerranken sich durcheinanderkreuzten und hundert Arten von wilden Kräutern in buschhohem Wuchse und der unvergleichlichen Anmut ihres freien Daseins prangten. Niemals hätte ein englischer Garten diesen Überschwang der Natur, diese so glücklich gruppierten Massen, diese zahllosen Bassins, in welche sich der Bach unter Blumen einmündet und aus welchen er wieder nach allen Seiten hin entfließt, diese Laubengänge, welche über dem Wasser sich zusammenranken, diese reizenden Zufälligkeiten des Bodens, diese durchbrochenen Dämme, diese zerstreuten Pfähle, welche das Moos überwuchert und welche hergesetzt worden zu sein schienen, um die Schönheit des Ganzen zu vervollständigen, nachahmen können.

      Marcelle verharrte lange in einer Art von Entzückung und würde noch länger sich selbst vergessen haben, ohne die Anwesenheit des kleinen Eduards, der wie ein mutwilliges Hirschkalb umherlief, begierig, die Spuren seiner Füßchen dem frischen Ufersand einzudrücken. Die Besorgnis, er möchte ins Wasser fallen, erweckte sie aus ihrem Selbstvergessen.

      Sich an seine Schritte heftend, lief sie neben ihm her, und sich mehr und mehr in die reizende Einsamkeit vertiefend, meinte sie von einem jener Träume befangen zu sein, in welchen uns die Natur in ihrer ganzen Herrlichkeit erscheint, so dass man sagen könnte, man hätte eine Vision vom irdischen Paradies gehabt. Endlich zeigte sich der Müller und seine Mutter auf dem gegenüberliegenden Ufer, er, sein Netz nach Forellen auswerfend, sie, ihre Kuh melkend.

      »Ah ha, meine kleine Dame! Sind Sie schon aufgestanden?« rief der Mehlhändler aus. »Sie sehen, wir beschäftigen uns mit Ihnen. Da ist meine alte Mutter, welche sich quält, dass sie Ihnen nicht mit etwas Gutem aufwarten könne, ich aber, ich sage, dass Sie mit unserem guten Willen vorlieb nehmen werden. Wir sind freilich weder Garköche noch Wirte, aber ein guter Appetit auf der einen Seite und ein guter Wille auf der andern…«

      »Sie behandeln mich viel zu gut, liebe Leute«, versetzte Marcelle, indem sie, mit Eduard auf den Armen, eine Bohle, welche als Brücke diente, überschritt, um sich mit ihren Wirten zu vereinigen. »Niemals habe ich so gut geschlafen, niemals einen so schönen Morgen gesehen wie bei Ihnen. Was Sie für schöne Forellen fangen, Herr Müller, und wie weiß und rahmig Ihre Milch ist, Mutter! Sie verziehen mich und ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll.«

      »Wir sind schon bedankt, wenn Sie zufrieden sind«, versetzte die Alte lächelnd. »Wir haben noch niemals so vornehme Leute gesehen, wie Sie sind, und verstehen keine Komplimente zu machen. Aber wir sehen wohl, dass Sie brav und ohne Umstände sind. Kommen Sie, wir wollen ins Haus gehen; der Eierkuchen wird bald gebacken sein und der Kleine mag gewiss die Erdbeeren. Wir haben deren ein ganzes Beet voll im Garten und es macht ihm vielleicht Spaß, sie selber zu pflücken.«

      »Sie sind so gut und Ihr Land ist so schön, dass ich mein Leben hier zubringen will«, sagte Marcelle herzlich.

      »Ist’s wahr?« entgegnete der Müller mit wohl wollendem Lächeln; »gut, wenn es Ihnen Ihr Herz sagt. … Ihr seht jetzt, Mutter, dass


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