Im Garten der Liebe. Barbara Cartland

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Im Garten der Liebe - Barbara Cartland


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der großen Gärtnerschürze, die sie jetzt abnahm, kam ein schlichtes Baumwollkleid zum Vorschein. Es schmiegte sich eng an ihren Körper an und ließ sie noch zierlicher und noch jünger erscheinen als zuvor.

      Dann hörte er sie sagen: »Ich . . . bitte um Verzeihung ... ich wußte ja nicht ... ich nahm an, Ihr wärt jemand aus dem Dorf.«

      »Sie sind Miss Linton?« Der Herzog glaubte immer noch an einen Irrtum.

      Dieses reizende Geschöpf konnte unmöglich die Tochter des verstorbenen Vikars sein.

      »Ja, ich bin Selma Linton«, antwortete das Mädchen, »und ich weiß, daß Ihr der Herzog seid.«

      Und als sei ihr plötzlich eingefallen, was das bedeutete, versank sie in einen anmutigen kleinen Knicks.

      »Ich glaube nicht, daß wir uns schon einmal begegnet sind«, sagte der Herzog und trat näher.

      »Ich habe Euch auf der Jagd gesehen und Eure Pferde bewundert. Manchmal bittet Hobson mich um einen Rat, wenn eines erkrankt ist.«

      Der Herzog starrte sie ungläubig an. Hobson war sein Stallmeister, und er konnte einfach nicht glauben, daß ausgerechnet dieser resolute Mann den Rat einer jungen Frau einholte. Der Herzog fühlte sich von seinem Angestellten getäuscht, und das erregte seinen Unwillen.

      »Man hat mich davon unterrichtet, daß ich Ihnen ein Häuschen im Dorf zur Verfügung stellen soll«, kam er kühl zur Sache.

      Selma Linton schwieg einen Augenblick, dann sagte sie: »Würden Euer Gnaden sich bitte ins Wohnzimmer bemühen. Dieser Raum dient nur der Pflege kranker Vögel und anderer Kleintiere, und ich fürchte, es gibt keine Sitzgelegenheit.«

      Der Herzog sah sich um. In einem der Käfige, der aus einer Holzkiste gefertigt war, entdeckte er einen winzigen Welpen. In einem anderen zwei Kätzchen und in einem dritten ein Rotkehlchen mit geschientem Bein.

      »Sind das alles Ihre Schützlinge? «fragte er.

      »Sobald sie gesund sind, gehen sie an ihren Besitzer zurück oder werden freigelassen.« Der Herzog spürte, daß Selma nicht über ihre Heilkräfte reden wollte.

      Sie ging schon voraus, und er folgte ihr ins Wohnzimmer.

      Wieder nahm er Blütenduft wahr.

      »Wollen Euer Gnaden bitte Platz nehmen?« Selma wies auf einen Armsessel vor dem Kamin. »Ich fürchte, die einzige Erfrischung, die ich Euch anbieten kann, ist ein Glas Rotwein, den Papa zu Weihnachten geschenkt bekommen hat und der vermutlich keine besonders edle Sorte ist. Oder eine Tasse Tee?«

      »Vielen Dank, nicht nötig«, erwiderte der Herzog. »Ich bin gekommen, um mit Ihnen zu reden, Miss Linton.«

      Selma nahm auf dem Stuhl ihm gegenüber Platz und faltete die Hände im Schoß. Sie war sehr anmutig, stellte der Herzog bei sich fest, und das verwirrte ihn noch immer.

      Er überlegte sich sorgfältig jedes Wort, das er nun an sie richtete: »Mir wurde gesagt, Miss Linton, daß Sie den Ruf genießen, die Leute im Dorf erfolgreich mit Heilkräutern zu behandeln.« Er hielt einen Augenblick inne und fuhr fort: »Mir kam auch zu Ohren, Sie behandelten sogar Knochenbrüche oder - wie im Falle des Schwanes - gebrochene Flügel.«

      Selma stieß ein leises Kichern aus, das sehr jugendlich und hübsch klang.

      »So ausgedrückt, hört sich das reichlich übertrieben an.« Lächelnd fuhr sie fort: »Meine Mutter hat mir alles beigebracht, was ich darüber weiß, und ich bin Euer Gnaden außerordentlich dankbar dafür, daß mir Zugang zum Kräutergarten beim Taubenschlag gewährt wurde.«

      Damit waren sie sehr schnell beim eigentlichen Thema angelangt. Der Herzog hatte gar nicht die Absicht gehabt, den Taubenschlag so direkt zu erwähnen.

      Um Zeit zu gewinnen, sah er sich im Wohnzimmer um und fragte: »Das alles hier, die Möbel und die Bilder, gehört vermutlich Ihnen?«

      »Das Pfarrhaus war unmöbliert, als Papa und Mama vor fünfzehn Jahren hier einzogen.« Selmas Stimme klang weich und versonnen, als sie fortfuhr: »Sie liebten alles, was alt und schön war, und es dauerte ziemlich lange, bis das Haus vollständig nach ihrem Geschmack eingerichtet war.«

      Dem Herzog fiel auf, daß die Möbel im Wohnzimmer von erlesener Schönheit waren. Vermutlich war keines der Stücke sehr teuer gewesen, aber die Lintons hatten offensichtlich einen sicheren Geschmack und einen geschulten Blick für Antiquitäten gehabt, bei der Nußbaumkommode mit Intarsien im Queen-Anne-Stil, zum Beispiel, und dem georgianischen Tisch mit dem Regency-Stuhl davor. Im Laufe der Jahre hatten sie zweifellos Möbelstücke erworben, die er selbst gerne besessen hätte.

      Selma war seinem Blick gefolgt und erklärte: »Mama kannte sich in Stilmöbeln aus und Papa in Büchern und Gemälden. Ihr könnt Euch daher vorstellen, wie glücklich ich mich schätze, daß sie mir diese Kostbarkeiten hinterlassen haben.«

      Der Klang ihrer Stimme verriet ihm mehr als Worte, wie schmerzlich sie ihre Eltern vermißte. Er rechnete es ihr hoch an, daß sie dennoch keinen Versuch unternahm, damit sein Mitleid zu erregen.

      Aber die Gefühle, die sie bewegten, waren deutlich in ihren ausdrucksvollen Augen zu lesen.

      »Man sagte mir«, bemerkte er unvermittelt, »Sie betrachteten sich als ,weiße Hexe‘.«

      Wieder lachte Selma belustigt.

      »Ich betrachte mich als nichts dergleichen, Euer Gnaden. Die Leute betrachten so manches, das dem gesunden Menschenverstand entspringt, als Zauberei, weil das ihrer Wundergläubigkeit entgegenkommt, aber wenn es sie glücklich macht, schadet das doch keinem, meine ich.« Sie sah ihn unsicher an, bevor sie hinzufügte: »Ihr müßt wissen, daß der Glaube der Leute, das eine oder andere Mittel werde ihnen guttun, schon der erste Schritt zu ihrer Genesung ist.«

      »Mit anderen Worten: Sie bringen die Leute dazu, an etwas Übernatürliches zu glauben?«

      »Ich tue nichts dergleichen«, verwahrte sich Selma gegen diese Unterstellung. »Was die meisten Menschen dringend benötigen, sind Hoffnung und Glaube. Wenn ich ihnen Hoffnung geben kann und sie glauben, es käme von einer höheren Macht, die stärker ist, als meine bescheidenen Kräfte jemals sein können, dann kommt das der Wahrheit doch sehr nahe.«

      Sie hielt inne, ahnte seinen Widerspruch und fuhr dann fort: »Papa glaubte daran, daß Gott uns die heilkräftigen Pflanzen geschenkt habe, und wenn die Menschen der Überzeugung sind, die Heilkräuter, die ich ihnen gebe, seien Gottes Schöpfung, dann ergibt das doch einen höheren Sinn.«

      Die Art, wie sie das vorbrachte, reizte ihn, ihr zu widersprechen: »Ich glaube, Miss Linton, Sie verstehen es sehr geschickt, die Leute zu täuschen, indem Sie ganz gewöhnlichen Pflanzen irgendwelche Zauberkräfte andichten.«

      »Heilpflanzen wurden von Gott geschaffen, Euer Gnaden, um den Menschen mit ihren natürlichen Kräften zu helfen. Das und nichts anderes bemühe ich mich zu tun.«

      Der Herzog war verblüfft. Noch nie war ihm ein junges Mädchen begegnet, das so unbefangen und deutlich seine Meinung kundzutun vermochte und dabei weder Scheu noch irgendwelche Hemmungen verriet.

      »So habe ich es bisher allerdings nie betrachtet«, erwiderte er schließlich, »doch, wenn es das ist, woran Sie glauben, kann man unter den gegebenen Umständen wohl nichts dagegen einwenden.«

      »Danke, Euer Gnaden«, entgegnete Selma, »und so möchte ich . . . der Hoffnung Ausdruck verleihen, hierbleiben zu dürfen.«

      »Wenn es stimmt, daß es ein glückliches Dorf ist«, wandte der Herzog ein, »dann ist das zum Teil wohl auch ein Verdienst des Landesherrn, dem die Leute ihre hübschen Häuser verdanken.«

      Sie zwinkerte mit den Augen, als belustige sie sein Einwurf.

      »Wir sind Euer Gnaden zu großem Dank verpflichtet«, sagte sie dann, und wieder stellte er bei sich fest, daß sie die erstaunlichste junge Frau war, die ihm jemals im Leben begegnet war. Als spüre sie, daß ihre freimütige Art ihm zu denken gab, beugte sie sich plötzlich auf ihrem Stuhl vor.


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