Gesammelte Gedichte (851 Titel in einem Buch). Christian Morgenstern

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Gesammelte Gedichte (851 Titel in einem Buch) - Christian  Morgenstern


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Fahre wohl, du alte Stadt,

       drin mit dürren Binsendächern

       alte Traumbaracken stehn,

       draus kokett mit schwarzen Fächern

       meine Wunden Abschied wehn.

       Kirchturm mit dem Tränenzwiebel,

       als vielsagendem Symbol,

       Holperpflaster, Dämmergiebel,

       Wehmutskneipen, fahret wohl!

      Hoch in einsam-heitren Stillen

       gründ ich mir ein eignes Heim,

       ganz nach eignem Witz und Willen,

       ohne Balken, Brett und Leim.

       Rings um Sonnenstrahlgerüste

       wallend Nebeltuch gespannt,

       auf die All-gewölbten Brüste

       kühner Gipfel hingebannt.

       Schlafgemach –: mit Sterngoldscheibchen

       der Tapete Blau besprengt,

       und darin als Leuchterweibchen

       Frau Selene aufgehängt.

      Längst Gesagtes wieder sagen,

       Ach! ich hab es gründlich satt.

       Phanta's Rosse vor den Wagen!

       Fackeln in die alte Stadt!

       Wie die Häuser lichterlohen,

       wie es kracht und raucht und stürzt!

       Auf, mein Herz! Empor zum frohen

       Aether, tänzergleich geschürzt!

       Schönheit-Sonnensegen, Freiheit-

       Odem, goldfruchtschwere Kraft,

       ist die heilige Kräftedreiheit,

       die aus Nichts das Ewige schafft.

      AUFFAHRT

       Inhaltsverzeichnis

      Blutroter Dampf ..

       Rossegestampf ..

       »Keine Scenen gemacht!

       Es harren

       und scharren

       die Rosse der Nacht.«

      Ein lautloser Schatte,

       über Wiese und Matte

       empor durch den Tann,

       das Geistergespann ..

       Auf hartem Granit

       der fliegende Huf ..

       Fallender Wasser

       anhebender Ruf ..

       Kältendes Hauchen ..

       Wir tauchen

       in neblige Dämpfe ..

       Donnernde Kämpfe

       stürzender Wogen

       um uns.

      Da hinauf

       der Hufe Horn!

       In die stäubende Schwemme,

       hoch über den Zorn

       sich sträubender Kämme

       empor, empor!

      Aus klaffenden Wunden

       speit der Berg

       sein Blut gegen euch.

       Mit Wellenhunden

       fällt euch an

       der Hass der Höhe

       wider das Tal.

       Aber ihr fliegt,

       blutbespritzt,

       unbesiegt,

       empor, empor.

       Vor euch noch Farben

       verzuckenden Lebens,

       auf grünlichem Grau

       verrötender Schaum;

       hinter euch

       Schwarz und Silber,

       die Farben des Todes.

       Ein Schleier,

       an eure Mähnen geknüpft,

       schleppt

       geisterhaft nach.

       Wie ein Busentuch

       zieht ihr hinauf ihn

       über des Bergs

       zerrissene Brust.

      Müde sprang sich

       der Sturzbach.

       Nur mit den Lippen

       wehrt er sich noch.

       Und bald

       wird er zum Kind

       und hängt sich selber

       spielend an eure Schweife.

      Weiter! weiter!

      Da!

       Winkende Gipfel

       im Sicheldämmer!

       Langsamer traben

       die Rosse der Nacht.

       Heilige Sterne

       grüssen mich traut.

       Ewige Weiten

       atmen mich an.

       Langsamer traben

       die Rosse der Nacht,

       gehen,

       zögern,

       stehen still.

      Alles liegt nun

       florumwoben.

       Schlaf umschmiegt nun

       Unten, Oben.

       Nur die fernen

       Fälle toben.

       Leise Geisterhände

       tragen

       mich vom Wagen

       in des Schlummers

       Traumgelände.

      Aller Notdurft,

       alles Kummers

       ganz befreit,

       fühle ich ein höhres Sein

       mich durchweben.

       Wird die tiefe Einsamkeit

       mir auf alles Antwort geben?

      IM TRAUM

       Inhaltsverzeichnis

      Wer möcht am trägen Stoffe kleben,

       dem Fittich ward zu Weltenflug!

       Ich lobe mir den süssen Trug,

       das heitre Spiel mit Welt und Leben.

       In tausend Buntgewande steck ich,

       was geistig, leiblich mich umschwebt;

       in jedem Ding mich selbst entdeck ich:

       nur der lebt Sich, der also lebt.

      Mir ist, ich sei emporgestürmt

       über stürzende Wasserfälle.

       Mir engt's die Brust, um mich getürmt

       ahn ich schützende Nebelwälle.

       Aus dumpfen Regionen,

       aus Welten von Zwergen,

       trieb's mich fort,

       ob auf ragenden Bergen

      


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