Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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Pe­gel des Tief­stands in der ab­stei­gen­den Ent­wick­lung des Göt­ter–Ty­pus dar. Gott zum Wi­der­spruch des Le­bens ab­ge­ar­tet, statt des­sen Ver­klä­rung und ewi­ges Ja zu sein! In Gott dem Le­ben, der Na­tur, dem Wil­len zum Le­ben die Feind­schaft an­ge­sagt! Gott die For­mel für jede Ver­leum­dung des »Dies­seits«, für jede Lüge vom »Jen­seits«! In Gott das Nichts ver­gött­licht, der Wil­le zum Nichts hei­lig ge­spro­chen! …

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      19.

      Daß die star­ken Ras­sen des nörd­li­chen Eu­ro­pa den christ­li­chen Gott nicht von sich ge­sto­ßen ha­ben, macht ih­rer re­li­gi­ösen Be­ga­bung wahr­lich kei­ne Ehre, – um nicht vom Ge­schma­cke zu re­den. Mit ei­ner sol­chen krank­haf­ten und al­ters­schwa­chen Aus­ge­burt der dé­ca­dence hät­ten sie fer­tig wer­den müs­sen. Aber es liegt ein Fluch da­für auf ih­nen, daß sie nicht mit ihm fer­tig ge­wor­den sind: sie ha­ben die Krank­heit, das Al­ter, den Wi­der­spruch in alle ihre In­stink­te auf­ge­nom­men, – sie ha­ben seit­dem kei­nen Gott mehr ge­schaf­fen! Zwei Jahr­tau­sen­de bei­na­he und nicht ein ein­zi­ger neu­er Gott! Son­dern im­mer noch und wie zu Recht be­ste­hend, wie ein ul­ti­ma­tum und ma­xi­mum der gott­bil­den­den Kraft, des crea­tor spi­ri­tus im Men­schen, die­ser er­bar­mungs­wür­di­ge Gott des christ­li­chen Mo­no­to­no-The­is­mus! Dies hy­bri­de Ver­falls-Ge­bil­de aus Null, Be­griff und Wi­der­spruch, in dem alle dé­ca­dence-In­stink­te, alle Feig­hei­ten und Mü­dig­kei­ten der See­le ihre Sank­ti­on ha­ben! – –

      *

      20.

      Mit mei­ner Ver­urt­hei­lung des Chris­tent­hums möch­te ich kein Un­recht ge­gen eine ver­wand­te Re­li­gi­on be­gan­gen ha­ben, die der Zahl der Be­ken­ner nach so­gar über­wiegt: ge­gen den Bud­dhis­mus. Bei­de ge­hö­ren als ni­hi­lis­ti­sche Re­li­gio­nen zu­sam­men – sie sind dé­ca­dence-Re­li­gio­nen –, bei­de sind von ein­an­der in der merk­wür­digs­ten Wei­se ge­trennt. Daß man sie jetzt ver­glei­chen kann, da­für ist der Kri­ti­ker des Chris­tent­hums den in­di­schen Ge­lehr­ten tief dank­bar. – Der Bud­dhis­mus ist hun­dert­mal rea­lis­ti­scher als das Chris­tent­hum, – er hat die Erb­schaft des ob­jek­ti­ven und küh­len Pro­ble­me-Stel­lens im Lei­be, er kommt nach ei­ner hun­der­te von Jah­ren dau­ern­den phi­lo­so­phi­schen Be­we­gung; der Be­griff »Gott« ist be­reits ab­ge­than, als er kommt. Der Bud­dhis­mus ist die ein­zi­ge ei­gent­lich po­si­ti­vis­ti­sche Re­li­gi­on, die uns die Ge­schich­te zeigt, auch noch in sei­ner Er­kennt­niß­theo­rie (ei­nem stren­gen Phä­no­me­na­lis­mus –), er sagt nicht mehr »Kampf ge­gen die Sün­de«, son­dern, ganz der Wirk­lich­keit das Recht ge­bend, »Kampf ge­gen das Lei­den«. Er hat – dies un­ter­schei­det ihn tief vom Chris­tent­hum – die Selbst-Be­trü­ge­rei der Moral-Be­grif­fe be­reits hin­ter sich, – er steht, in mei­ner Spra­che ge­re­det, jen­seits von Gut und Böse. – Die zwei phy­sio­lo­gi­schen That­sa­chen, auf de­nen er ruht und die er in’s Auge faßt, sind: ein­mal eine über­große Reiz­bar­keit der Sen­si­bi­li­tät, wel­che sich als raf­fi­nir­te Schmerz­fä­hig­keit aus­drückt, so­dann eine Über­geis­ti­gung, ein all­zu­lan­ges Le­ben in Be­grif­fen und lo­gi­schen Pro­ce­du­ren, un­ter dem der Per­son-In­stinkt zum Vort­heil des »Un­per­sön­li­chen« Scha­den ge­nom­men hat (– Nei­des Zu­stän­de, die we­nigs­tens Ei­ni­ge mei­ner Le­ser, die »Ob­jek­ti­ven«, gleich mir selbst, aus Er­fah­rung ken­nen wer­den). Auf Grund die­ser phy­sio­lo­gi­schen Be­din­gun­gen ist eine De­pres­si­on ent­stan­den: ge­gen die­se geht Bud­dha hy­gie­nisch vor. Er wen­det da­ge­gen das Le­ben im Frei­en an, das Wan­der­le­ben; die Mä­ßi­gung und die Wahl in der Kost; die Vor­sicht ge­gen alle Spi­ri­tuo­sa; die Vor­sicht ins­glei­chen ge­gen alle Af­fek­te, die Gal­le ma­chen, die das Blut er­hit­zen; kei­ne Sor­ge, we­der für sich, noch für And­re. Er for­dert Vor­stel­lun­gen, die ent­we­der Ruhe ge­ben oder er­hei­tern – er er­fin­det Mit­tel, die an­de­ren sich ab­zu­ge­wöh­nen. Er ver­steht die Güte, das Gü­tig-sein als ge­sund­heits­för­dernd. Ge­bet ist aus­ge­schlos­sen, eben­so wie die As­ke­se; kein ka­te­go­ri­scher Im­pe­ra­tiv, kein Zwang über­haupt, selbst nicht in­ner­halb der Klos­ter­ge­mein­schaft (– man kann wie­der hin­aus –). Das Al­les wä­ren Mit­tel, um jene über­große Reiz­bar­keit zu ver­stär­ken. Eben dar­um for­dert er auch kei­nen Kampf ge­gen An­ders­den­ken­de; sei­ne Leh­re wehrt sich ge­gen nichts mehr als ge­gen das Ge­fühl der Ra­che, der Ab­nei­gung, des res­sen­ti­ment(– »nicht durch Feind­schaft kommt Feind­schaft zu Ende«: der rüh­ren­de Re­frain des gan­zen Bud­dhis­mus …). Und das mit Recht: ge­ra­de die­se Af­fek­te wa­ren voll­kom­men un­ge­sund in Hin­sicht auf die diä­te­ti­sche Haupt­ab­sicht. Die geis­ti­ge Er­mü­dung, die er vor­fin­det und die sich in ei­ner all­zu­großen »Ob­jek­ti­vi­tät« (das heißt Schwä­chung des In­di­vi­dual­in­ter­es­ses, Ver­lust an Schwer­ge­wicht, an »Ego­is­mus«) aus­drückt, be­kämpft er mit ei­ner stren­gen Zu­rück­füh­rung auch der geis­tigs­ten In­ter­es­sen auf die Per­son. In der Leh­re Bud­dha’s wird der Ego­is­mus Pf­licht: das »Eins ist noth«, das »wie kommst du vom Lei­den los« re­gu­lirt und be­grenzt die gan­ze geis­ti­ge Diät (– man darf sich viel­leicht an je­nen Athe­ner er­in­nern, der der rei­nen »Wis­sen­schaft­lich­keit« gleich­falls den Krieg mach­te, an So­kra­tes, der den Per­so­nal-Ego­is­mus auch im Reich der Pro­ble­me zur Moral er­hob).

      *

      21.

      Die Voraus­set­zung für den Bud­dhis­mus ist ein sehr mil­des Kli­ma, eine große Sanft­muth und Li­be­ra­li­tät in den Sit­ten, kein Mi­li­ta­ris­mus: und daß es die hö­he­ren und selbst ge­lehr­ten Stän­de sind, in de­nen die Be­we­gung ih­ren Herd hat. Man will die Hei­ter­keit, die Stil­le, die Wun­sch­lo­sig­keit als höchs­tes Ziel, und man er­reicht sein Ziel. Der Bud­dhis­mus ist kei­ne Re­li­gi­on, in der man bloß auf Voll­kom­men­heit aspir­irt: das Voll­komm­ne ist der nor­ma­le Fall. – Im Chris­tent­hu­me kom­men die In­stink­te Un­ter­worf­ner und Un­ter­drück­ter in den Vor­der­grund: es sind die nie­ders­ten Stän­de, die in ihm ihr Heil su­chen. Hier wird als Be­schäf­ti­gung, als Mit­tel ge­gen die Lan­ge­wei­le die Ca­suis­tik der Sün­de, die Selbst­kri­tik, die Ge­wis­sens-In­qui­si­ti­on ge­übt; hier wird der Af­fekt ge­gen einen Mäch­ti­gen, »Gott« ge­nannt, be­stän­dig auf­recht er­hal­ten (durch das Ge­bet); hier gilt das Höchs­te als un­er­reich­bar, als Ge­schenk, als »Gna­de«. Hier fehlt auch die Öf­fent­lich­keit: der Ver­steck, der dunkle Raum ist christ­lich. Hier wird der Leib ver­ach­tet, die Hy­gie­ne als Sinn­lich­keit ab­ge­lehnt; die Kir­che wehrt sich selbst ge­gen die Rein­lich­keit (– die ers­te christ­li­che Maaß­re­gel nach Ver­trei­bung der Mau­ren war die Schlie­ßung der öf­fent­li­chen Bä­der, von de­nen Cor­do­va al­lein 270 be­saß). Christ­lich ist ein ge­wis­ser Sinn der Grau­sam­keit, ge­gen sich und And­re; der Haß ge­gen die An­ders­den­ken­den; der Wil­le, zu ver­fol­gen. Düs­te­re und auf­re­gen­de Vor­stel­lun­gen sind im Vor­der­grun­de; die höchst­be­gehr­ten, mit den höchs­ten Na­men be­zeich­ne­ten Zu­stän­de sind Epi­lep­soi­den; die Diät wird so ge­wählt, daß sie mor­bi­de Er­schei­nun­gen be­güns­tigt und die Ner­ven über­reizt. Christ­lich ist die Tod­feind­schaft ge­gen die Her­ren der Erde, ge­gen die »Vor­neh­men« – und zu­gleich ein ver­steck­ter heim­li­cher Wett­be­werb (– man läßt ih­nen den »Leib«, man will


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