Theodor Storm: Novellen, Märchen, Gedichte & Briefe (Über 400 Titel in einem Band). Theodor Storm

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Theodor Storm: Novellen, Märchen, Gedichte & Briefe (Über 400 Titel in einem Band) - Theodor Storm


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Vöglein sich vor mir auf; Am Himmel zog ein Stern vor mir - Und wie ich folgte, so bin ich hier. Zwergenältester. Schneeweißchen, Königstöchterlein, Schlag auf die blauen Aeugelein, Laß springen dein Herzlein wohlgemuth; Sollst bleiben hier in unsrer Hut, Im grünen Reich der sieben Berge! Schneewittchen. Wie kann ich euch danken, ihr guten Zwerge?

      Zwergenältester. Kannst die Wirthschaft uns versehen, Wenn wir Tags in die Berge gehen; Usern Haushalt kannst du führen. Schneewittchen. O wie will ich mich tummeln und rühren! Bin wohl behend in allen Stücken; Sprecht nur, was soll ich immer beschicken? Zwergältester. Morgens im Dämmerschein Fegst du das Kämmerlein, Bohnest die Stühlchen, Lockerst die Pfühlchen, Schüttelst zurechte die Schlafestättchen! Zwerg 2. Und für dich selber das weichste Bettchen! Zwergenältester. Gehn wir zu Walde, hütst du das Stübchen, Deckest das Tischchen, kochest die Süppchen! Zwerg 3. Doch von den Süppchen und von den Speischen Das Schönste für dich, Prinzeß Schneeweißchen! Zwerg 4. Schau nur, die Dornen zerrissen mein Röcklein!

      Zwerg 5. Streiften mir ab von dem Käppchen das Glöcklein. Zwergenältester. Besserst das Röcklein, Heftest das Glöcklein, Setzest auf Jäckchen Saubere Fleckchen; Doch in das Hüttchen - Bist du allein - Läßt du, Schneewittchen, Niemand herein. Schneewittchen. Aber die Rehe, die süßen Rehe. Wenn ich sie Morgens durchs Fensterlein Draußen im goldenen Sonnenschein Springen und spielen und nahen sehe? Zwergenältester. Rehlein stehn in hohen Gnaden, Sind gar tapfre Kameraden; Kannst sie immer zu Gaste laden. Schneewittchen. Aber die Vögel, die bunten Flämmchen, Stieglitz mit dem rothen Kämmchen, Ammer mit dem goldenen Latz, Und der Staar, der possierliche Matz,

      Und vor den andern Vögeln allen

       Die süßen Sänger, die Nachtigallen!

       Wenn sie draußen durch die Zweiglein

       Schauen mit den klugen Aeuglein;

       Wenn sie dann mählich näher schlüpfen,

       Neugierig auf die Schwelle hüpfe?

       Zwergenältester. Vöglein stehn in hohen Gnaden, Sind gar lust’ge Kameraden; Darfst sie immer zu Gaste laden. Schneewittchen. Aber die Sonne, der himmlische Schein! Wenn sie Morgens ins Fensterlein Durch die grünen, funkelnden Blätter Sendet das goldene Sommerwetter! Und Abends, wandert die Sonne von dannen, Der Mond steigt über die schwarzen Tannen! Der wohnt am Himmel allein nicht gern, Bringt mit sich alle die tausend Stern’; Mond und Sonne und Sternlein Schauen alle zu mir herein, Wie ich die Wirthschaft mag treiben und leiten - Sie kennen mich alle seit langen Zeiten. Zwergenältester. Rehlein laß um dich spielen und springen,

      Vöglein flattern und schmettern und singen,

       Laß Mond- und Sonnenlicht herein;

       Nur vor den Menschen hüte dich fein!

       (Zu den Andern. )

       Nun kommt, ihr wackern Brüderlein,

       Drei Gänge fürder noch waldein!

       Dreimal noch füllt mit weichem Moos

       Die Säcklein aus des Waldes Schooß,

       Und richtet fein in unserm Hüttchen

       Ein achtes Bettchen für Schneewittchen.

       Die sieben Zwerge. (gehen singend ab) Da ging die Katz die tripp die trapp, Da schlug die Thür die klipp die klapp, Frau Füchsin, sind Sie da? Ach ja, mein Kätzchen, ja! Schneewittchen. (allein) Morgens im Dämmerschein Feg’ ich das Kämmerlein, Bohne die Stühlchen, Lockre die Pfühlchen, Mache die Bettchen, Die Schlummerstättchen, Nähe das Röcklein,

      Hefte das Glöcklein,

       Setz’ auf die Jäckchen

       Saubere Fleckchen;

       Rehlein und Vögelein,

       Alle die Thierelein

       Flattern durchs Fensterlein,

       Schlüpfen zur Thür herein;

       Sonne und Mondenschein,

       Sternlein die hellen

       Sind alle meine Spielgesellen!

      Novellen:

       Inhaltsverzeichnis

      Geschichten aus der Tonne

       Inhaltsverzeichnis

      Einer der wackersten Spielkameraden in meinen Knabenjahren war Claas Räuber. Er war der Sohn eines armen Schuhflickers und schon seit mehreren Jahren ein Stadtwaisenkind; den Beinamen Räuber aber hatten seine Genossen ihm gegeben, weil er in dem Spiel »Räuber und Soldat«, das wir an hellen Sommerabenden zu exerzieren pflegten, eine besondere Geschicklichkeit besaß und daher auch stets nur als Räuber ausgehoben wurde. Trotz seines abschreckenden Titels aber war Claas Räuber der ehrlichste und spaßhafteste Bursche von der Welt und besaß außerdem noch ein anderes, von seinen Genossen sehr geschätztes Talent.

      An den kurzen Herbstabenden nämlich, wo uns für die ausgelassenen Spiele nach der Schulzeit gar bald das Licht ausging, pflegten wir uns auf den breiten Steinen einer Haustreppe zusammenzufinden, und nun hieß es: »Stücken vertellen.« Hier war nun Claas Räuber wieder der beste und beliebteste Kamerad, denn sein Reichtum an allen möglichen Arten von Döntjes und Schnurren war unerschöpflich. Je heimlicher aber und verborgner wir unseren Märchensaal aufgeschlagen hatten, desto schöner hörten sich die Geschichten an, desto lebendiger traten all die wunderlichen und süßen Gestalten, die verwünschten Prinzen und Prinzessinnen, Schneewittchen und die Frau Holle vor unsere Phantasie; ja ich erinnere mich, daß wir einmal bei einer solchen Gelegenheit ganz deutlich den Niß Puk aus einer Dachöffnung in meines Vaters Scheune herausgucken sahen und infolgedessen einen zwar vergeblichen Feldzug durch die sämtlichen Böden gegen den Kobold unternahmen. Mich vorzüglich trieb jene Vorliebe für heimliche Erzählungsplätzchen zur Entdeckung immer neuer Schlupfwinkel. So hatte ich unter andern eine große leere Tonne dazu ausersehen, welche in einem Packhause unweit meines Vaters Schreibstube stand. In dieser Tonne hab ich die schönsten Geschichten meines Lebens gehört. Sie war das Allerheiligste, das nur von mir und Claas bezogen wurde. Hier kauerten wir abends, wenn ich aus den Privatstunden kam, zusammen, nahmen meine kleine Laterne, die wir zuvor mit einigen Lichtendchen versehen hatten, auf den Schoß und schoben, nachdem wir hineingeklettert waren, ein großes, auf der Tonne liegendes Brett von innen wieder über die Öffnung derselben, so daß wir wie in einem kleinen Stübchen zusammen saßen. Wenn nun die Leute abends nach meines Vaters Schreibstube gingen und ein dumpfes Gemurmel aus der alten Tonne aufsteigen hörten und einzelne verlorene Lichtstrahlen daraus hervorschimmern sahen, so konnte der alte Schreiber nicht genug die wunderliche Ursache davon berichten.

      Hätten die lieben Leute bei uns in der Tonne gesessen, so hätten sie wohl selbst Gefallen an unseren Abendunterhaltungen gefunden, wozu ich den Leser nach zwanzig Jahren nachträglich aufs beste eingeladen haben will.

      »Nun, Claas«, sagte ich, nachdem ich unser Häuschen gehörig verschlossen hatte, »was hast du denn heute abend?«

      »Es ist ein ganz altes Stück«, sagte Claas, »das meiner Großmutter schon von ihrer Urgroßmutter erzählt ist, und die hat gesagt, es sei ein Stück aus der Mauskiste.«

      »Nun«, sagte ich, »so erzähle; die Stücke aus der Mauskiste sind mir immer die liebsten gewesen.« Und Claas erzählte:

      Das Märchen von den drei Spinnfrauen

       Inhaltsverzeichnis


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