Wachtmeister Studer. Friedrich C. Glauser

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Wachtmeister Studer - Friedrich C.  Glauser


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ge­ra­de sehr weit«, sag­te Son­ja. »Aber die Wege sei­en schlecht. Es sei so ein Kra­chen im Em­men­tal. Auf ei­nem Hü­gel…«

      – Wo­her sie das wis­se? – Ar­min habe ein­mal da­von er zählt, er sei mit der Saal­toch­ter an ei­nem ih­rer frei­en Tage oben ge­we­sen. – Ja, ob der Ar­min denn das Meit­schi hei­ra­ten wol­le, es sei doch viel äl­ter als der Bru­der. Oder? – Das schon, aber die El­tern hät­ten Geld – und das Ber­ti habe Er­spar­tes. Ar­min sei schon ein paar­mal bei den El­tern ge­we­sen.

      »Wol­len wir die El­tern be­su­chen ge­hen?« frag­te Stu­der und be­stell­te noch einen Kaf­fee-Kirsch. Man muss­te sich stär­ken. Der ste­chen­de Punkt ver­schwand lang­sam, das Kopf­weh hob sich ab und schweb­te durch die Luft da­von wie eine leich­te Kap­pe, die der Wind fort­weht.

      »Was wollt ihr dort?« frag­te Son­ja.

      »Du Dumms! Den Ar­min be­su­chen. Ich muss ihn doch ein paar Sa­chen fra­gen.«

      »Meint ihr, er sei…«

      »Wo soll er sonst sein? Ei­nen Pass hat er nicht, er ist nicht ins Aus­land, vor der Stadt hat er Angst, stimm­t’s?«

      Son­ja nick­te schwei­gend.

      »Dann blei­ben also nur die zu­künf­ti­gen Schwie­ger­el­tern. Wie hei­ßen sie?«

      Sie hie­ßen Kräien­bühl. Wa­rum auch nicht? Ber­ta Wit­schi-Kräien­bühl, das klang gut, das klang so­lid. So­li­der als Wit­schi-Misch­ler. Es hing wohl sehr vie­les von den Na­men ab. Stu­der riss sich zu­sam­men. Was dach­te er da für sturms Züüg zu­sam­men. Er griff ver­stoh­len mit der lin­ken Hand an den Puls der Rech­ten. Ein we­nig Fie­ber si­cher. Aber jetzt konn­te man sich eben nicht zu Bett le­gen. Zu­erst muss­te der Tod die­ses Wit­schi Wen­de­lin auf­ge­klärt wer­den. Da gab’s ke Bi­re… Wit­schi-Kräien­bühl oder Kräien­bühl-Wit­schi. Ei­ner­lei! Nur los. Der Kaf­fee war gut, soll­te man noch einen trin­ken? Gut. Und Stu­der trank einen zwei­ten Kaf­fee.

      Son­ja tunk­te ein Weg­g­li in ihr Glas, sie aß; na­tür­lich, so ein Meit­schi muss­te ja Hun­ger ha­ben.

      Soll­te man sie zu­erst heim­fah­ren? Aber da­heim be­kam sie doch kein war­mes Mit­ta­ges­sen.

      »Hast Hun­ger, Son­ja?« frag­te Stu­der. »Wenn du was es­sen willst, sag’s nur! Ein Schin­ken­brot?« Son­ja schüt­tel­te den Kopf.

      »Spä­ter«, sag­te sie.

      Kräien­bühl-Misch­ler, Äsch­ba­cher-El­len­ber­ger, Ger­ber-Mur­mann… Halt! Wie hieß die Frau des Land­jä­gers mit dem Mäd­chen­na­men? Stu­der pro­bier­te so vie­le Kom­bi­na­tio­nen durch, dass ihm ganz sturm wur­de. Er stand auf.

      »Los, ge­hen wir.« Er hat­te Mühe, das Wech­sel­geld von der Tisch­plat­te auf­zu­klau­ben. Aber Son­ja half ihm. Es ging.

      Und es ging auch wei­ter gut, so­bald er auf dem Sat­tel von Mur­manns Kar­ren hock­te. Son­ja di­ri­gier­te. Es ka­men scheuß­li­che Wege, mit tie­fen Fur­chen, der Kar­ren hops­te wie bei ei­ner Spring­kon­kur­renz. Stu­der kam es vor, als fah­re er in ei­nem Traum.

      End­lich, eine letz­te Stei­gung (von Ban­ger­ten aus hat­te sich Stu­der nach dem Weg er­kun­di­gen müs­sen) und sie wa­ren da.

      Ein großes Ge­höft. Ein al­tes Ein­fahrts­tor. Es war still. Kein Mensch zu se­hen. Stu­der ging über den Hof, die Tür zur Kü­che war an­ge­lehnt, er klopf­te.

      »Ja!« rief eine un­ge­dul­di­ge Stim­me.

      »Grüeß di, Ar­min«, sag­te Stu­der freund­lich. »Die Son­ja ist auch mit­ge­kom­men.«

      Er sah ein we­nig zer­zaust aus, der Ar­min Wit­schi. Die Wel­len sei­ner Haa­re schich­te­ten sich nicht mehr so tri­um­phie­rend über der nie­de­ren Stir­ne auf wie frü­her.

      »Der Wacht­meis­ter!« stot­ter­te er.

      »Pst!« mach­te Stu­der und leg­te einen Fin­ger auf die Lip­pen. »Es braucht nicht je­der­mann zu wis­sen, dass die Po­li­zei dich be­sucht. Es ist nur ein Freund­schafts­be­such, weißt, du kannst ru­hig da oben blei­ben, bis al­les sich be­ru­higt hat. Hört uns nie­mand?« frag­te Stu­der plötz­lich.

      Ar­min schüt­tel­te den Kopf. Jetzt, da er al­lein war, schi­en er gar nicht mehr so frech. Kein höh­ni­sches Lä­cheln war auf sei­nen Lip­pen zu se­hen. Er war ein ge­wöhn­li­cher, ängst­li­cher Bub, der nur die eine Sehn­sucht zu ha­ben schi­en, eine un­an­ge­neh­me Ge­schich­te so bald als mög­lich los zu sein.

      »Wa­rum bist du fort­ge­lau­fen? Weißt, ich hab es gleich ge­wusst, schon ges­tern Nach­mit­tag, wie dir die Ber­ta ge­wun­ken hat, von der of­fe­nen Tür. Aber wozu hast du fünf­hun­dert Fran­ken ge­braucht? Hier kannst du doch nichts aus­ge­ben?«

      – Er habe wei­ter wol­len, sag­te Ar­min. Weit fort. Er wäre schwarz über die Gren­ze ge­gan­gen nach Pa­ris; dort habe er einen Freund, der hät­te ihm dann schon einen Pass be­sorgt. – Wo denn die Krai­en­bühls sei­en? – Beim Boh­nen­set­zen, glau­be er, sag­te Ar­min. – Gut! mein­te Stu­der. Das, was er wis­sen wol­le, sei mit ein paar Wor­ten ge­sagt.

      Der Wacht­meis­ter zog sein No­tiz­buch aus der Ta­sche. Da­bei fühl­te er, dass sein Herz hart und sehr schnell schlug – aber es war nicht der Fall Wit­schi, der dem Wacht­meis­ter Herz­klop­fen ver­ur­sach­te.

      »Die Schwes­ter hat schon al­les er­zählt. Wir wol­len schau­en, ob wir das mit dem Ver­si­che­rungs­be­trug ein­ren­ken kön­nen, denn um einen sol­chen wird es sich wahr­schein­lich han­deln, wenn… Eben wenn. Aber du musst mir jetzt kla­re Aus­kunft ge­ben: Was hast du da­mals mit dei­nem Va­ter aus­ge­macht?«

      Und Ar­min Wit­schi gab an­stands­los Aus­kunft. Er war sehr zahm, schier zu zahm. Aber das war eben im­mer so bei der­ar­ti­gen Cha­rak­teren, dach­te Stu­der. Sie trump­fen auf, wenn sie in Ge­sell­schaft sind, aber wenn man un­ter vier Au­gen mit ih­nen spricht, so ge­ben sie klein bei…

      Der Va­ter habe sich lan­ge ge­wei­gert, einen Un­fall vor­zutäu­schen. Aber schließ­lich, als der El­len­ber­ger kein Geld mehr ge­ben woll­te, als ih­nen das Was­ser fast an den Mund ge­stie­gen war, da war schließ­lich der Va­ter ein­ver­stan­den ge­we­sen.

      Er soll­te sich ins Bein schie­ßen, dann war­ten, bis er, Ar­min, den Re­vol­ver ver­steckt habe, und dann schrei­en. Si­cher wür­de je­mand kom­men, die Baum­schu­len vom El­len­ber­ger sei­en ganz in der Nähe des Plat­zes ge­we­sen, den sie aus­ge­sucht hät­ten, und dann sol­le der Va­ter be­haup­ten, er sei über­fal­len wor­den, be­raubt.

      »Wir ha­ben ge­meint, am bes­ten wird es sein, die Sa­che« (›die Sa­che!‹ sag­te Ar­min) »am spä­ten Abend zu ma­chen. Dann kann der Va­ter sei­ne Ge­schich­te er­zäh­len und die Leu­te wer­den ihm auch glau­ben, dass er sei­nen An­grei­fer nicht ge­se­hen hat. Dann gib­t’s kein läs­ti­ges Ge­fra­ge, der Ver­dacht fällt auf alle Ar­bei­ter des El­len­ber­ger; und die sind ja vor­be­straft. Aber es kann ja kei­nen tref­fen, denn sie wer­den ihre Un­schuld be­wei­sen kön­nen; die Sa­che wird nie­der­ge­schla­gen, und die Ver­si­che­rung zahlt uns das Geld…«

      »Hm«, brumm­te Stu­der. »Aber dann ist es an­ders ge­gan­gen?«

      »Wir ha­ben einen Abend fest­ge­setzt, an dem der Va­ter mit et­was Geld hat heim­kom­men müs­sen und ha­ben so­gar da­von er­zählt, das heißt, der


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