Seewölfe - Piraten der Weltmeere 35. John Curtis
Читать онлайн книгу.höhnte sie. „Hast du plötzlich Angst vor einem alten Mann? Oder auf was wartest du noch? Soll ich rüberschwimmen und ihn dir von oben ins Boot werfen?“
Caligu spürte wieder, wie die Wut in ihm hochstieg, aber die Worte Juanitas gaben den Ausschlag. Er wies die Männer durch Zeichen an, weiterzupullen.
Das Boot glitt langsam an die Karavelle heran. Es erreichte das Heck, umrundete es und schor gleich darauf längsseits.
Wie der Blitz sprang Caligu auf, das breite Entermesser zwischen den Zähnen. Er erreichte das Schanzkleid mittschiffs im Sprung. Seine Männer waren ebenfalls aufgesprungen und wollten ihm folgen, als Caligu sich bereits emporzog, um an Bord zu entern. Da brach plötzlich die Hölle los.
„Drauf, gebt es diesen Hunden, besorgt es ihnen!“ zerschnitt plötzlich Valdez’ Stimme die tückische Stille.
Laute Kommandos ertönten, Flüche wurden laut und dann kippten Valdez und seine Männer die Kübel mit kochendem Wasser auf die Angreifer hinunter.
Die Piraten brüllten auf, viele ließen sich einfach fallen, halb verrückt von dem Schmerz, der ihre Körper durchzuckte und ihnen fast die Besinnung raubte.
Caligu hatte das Schanzkleid erreicht, da traf auch ihn der Guß aus einem der Kübel und verbrühte ihm die rechte Schulter.
Der riesige Pirat stieß einen Wutschrei aus, in den sich auch der wahnsinnige Schmerz mischte, der sich von der Schulter über seinen ganzen Oberkörper fortpflanzte. Gleichzeitig traf ihn ein Belegnagel in die Seite. Caligu glaubte für einen Moment, jemand hätte ihn mittendurchgeschlagen.
Der Stoß einer Lanze, dessen Spitze ihm die Haut über den Rippen aufschlitzte, gab ihm den Rest. Caligu ließ los und stürzte neben dem Boot ins Wasser zurück. Noch halb benommen klammerte er sich an der Bordwand fest, die er mit ein paar mehr im Unterbewußtsein ausgeführten Schwimmbewegungen erreicht hatte.
Um ihn herum war die Hölle los. Männer brüllten, spanische Flüche durchschnitten die Nacht, einer seiner Männer lag im Boot, und in seinem Körper steckte der abgebrochene Schaft einer Lanze.
Caligu war rasend vor Wut und Schmerz, aber er begriff, daß sie in eine Falle geraten waren und daß ihr Angriff gescheitert war. Es war unmöglich, einen weiteren Versuch zu wagen, die Karavelle zu entern.
Juanita packte ihn an den Armen und half ihm ins Boot. Auch sie blutete aus einer Kopfwunde.
Caligu hatte jedoch in diesem Moment kein Auge für sie.
„Zurück!“ schrie er. Gleichzeitig bückte er sich und warf den Toten kurzerhand aus dem Boot.
Als abermals ein Guß kochenden Wassers das Boot mittschiffs traf und den riesigen Piraten nur knapp verfehlte, hieb er mit seinem Entermesser die Leine los, mit der sie das Boot an der Karavelle vertäut hatten. Dann stieß er das Boot ab, und bei diesem Stoß setzte er alle seine gewaltigen Kräfte ein, obwohl ihn dabei von der Schulter her ein Schmerz durchzuckte, der sogar ihn aufbrüllen ließ. Aber das Boot schoß ins offene Wasser hinaus und verschwand gleich darauf in der schützenden Dunkelheit.
Nach und nach fanden sich seine Männer ein. Jedenfalls der größere Teil von ihnen. Und sie beeilten sich höllisch, ins Boot zu gelangen, denn sie dachten an die Haie, die in diesem Augenblick bestimmt aus der Tiefe zu ihnen heraufschossen.
Dann begannen sie zu pullen, so gut es ging. Etliche von ihnen hatten verbrühte Schultern, Gesichter oder Arme, aber sie bissen die Zähne zusammen. Das Boot nahm Fahrt auf, und hinter ihnen her tönte das höhnische Geschrei der Sieger. Etliche Männer blieben an der Kampfstätte zurück – ertrunken oder erschlagen – und dort, wo sie im Wasser trieben oder untergegangen waren, begann bereits Minuten später die See zu kochen, und ihre Fluten färbten sich rot.
Die Haie waren da.
Caligu und seine Männer erreichten den Strand mehr tot als lebendig. Sie stöhnten vor Schmerzen und wurden von ihren Kameraden, die zurückgeblieben waren, um die Spanier in Schach zu halten, aus den Booten gezogen.
Auch Juanita wankte an den Strand. Ein Belegnagel hatte sie am Kopf erwischt. Aber im Gegensatz zu vielen der Piraten dachte sie nur an eins: an Rache für diese Schmach, für diese Niederlage. Ihre dunklen Augen glühten, und ihre Züge verzerrten sich vor Wut, als Caligu sie einfach wegschob und den Strand hinaufging.
Aber sie sagte nichts, denn dieser Riese war in diesem Augenblick bestimmt zu allem fähig, wenn man ihn reizte. Darin glichen sie sich wie ein Ei dem anderen – die spanische Hure und der Pirat: Das Todesurteil über Valdez und seine Soldaten war gesprochen! Und es würde vollstreckt werden, so sicher wie an jedem Morgen die Sonne wieder aufging.
Aber während Caligu seinen Zorn nach außen hin zu beherrschen wußte und zunächst dafür sorgte, daß die Schwerverletzten unter seinen Männern versorgt wurden wie auch seine eigene Schulter, steigerte sich Juanita in ihrem ohnmächtigen Haß Stunde um Stunde weiter hinein. Sie merkte nicht, daß die Wut, die sie beherrschte, ihr den klaren Blick für die Gefahren trübte, die sie heraufbeschwor.
Jedesmal wenn ihr bewußt wurde, daß der Vorsprung, den der Seewolf durch diesen verpatzten Angriff gewann, ebenfalls Stunde um Stunde, die sie hier tatenlos in der Bucht verbrachten, weiterwuchs, knirschte sie mit den Zähnen und ballte die Hände. Denn mit jeder Meile, die der Seewolf zurücklegte, wurde die Wahrscheinlichkeit geringer, daß es Caligu und ihr noch gelingen würde, ihm seine Schätze abzujagen, mit denen sein Schiff bis unter das Oberdeck vollgestopft war.
Maria Juanita wußte nur eins: es mußte etwas geschehen. Nicht morgen, nicht erst in ein paar Tagen, nein, sofort! Diese Kerle sollten nicht lange ihre Wunden lecken, sondern sie sollten einen neuen Angriff wagen.
Sie warf sich in wirren Träumen hin und her. Ihr Schädel schmerzte, und als die Morgendämmerung ihren ersten Schimmer über die Bucht warf, da hatte sie ihren Entschluß gefaßt. Sie sprang auf, warf sich ein paar Kleidungsstücke über und trommelte gleich darauf ihre Mädchen zusammen. Diesem Caligu und seinen Kerlen mußte man einheizen, es wäre doch gelacht, wenn ihr das nicht gelänge. Und zwar genauso, wie sie sich das vorstellte und mit genau dem Erfolg, den sie bezweckte.
Juanita ahnte nicht, daß sie einen schwerwiegenden Fehler beging. Sie hätte wissen müssen, daß bei einem Mann wie Caligu so etwas nicht zog. Sie hätte einkalkulieren müssen, daß er vielleicht ganz anders reagieren würde, als ihr das lieb sein konnte. Aber Maria Juanita tat das nicht, denn ihr Zorn und ihre Gier trübten ihren sonst so scharfen Verstand.
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