E. T. A. Hoffmann: Ausgewählte Novellen und Erzählungen. Эрнст Гофман

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E. T. A. Hoffmann: Ausgewählte Novellen und Erzählungen - Эрнст Гофман


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Celionati vorüberflogen, der soeben eintreten wollte und der ihnen ein „glückliche Reise!“ nachrief.

      Sowie der junge artige Mensch den Ciarlatano gewahrte, ging er schnell auf ihn los, nahm ihn bei der Hand, führte ihn in eine entfernte Ecke des Zimmers und begann: „Wäret Ihr doch nur früher gekommen, bester Signor Celionati, um mich von zwei Überlästigen zu befreien, die mich durchaus für den Schauspieler Giglio Fava hielten, den ich – ach Ihr wißt es ja! – gestern in meinem unglücklichen Paroxysmus auf dem Korso niederstieß, und die mir allerlei abscheuliche Dinge zumuteten. – Sagt mir, bin ich denn wirklich jenem Fava so ähnlich, daß man mich für ihn ansehen kann?“

      „Zweifelt“, erwiderte der Ciarlatano höflich, ja beinahe ehrerbietig grüßend, „zweifelt nicht, gnädigster Herr, daß Ihr, was Eure angenehmen Gesichtszüge betrifft, in der Tat jenem Schauspieler ähnlich genug sehet, und es war daher sehr geraten, Euern Doppeltgänger aus dem Wege zu räumen, welches Ihr sehr geschickt anzufangen wußtet. Was den albernen Abbate Chiari samt seinem Impresario betrifft, so rechnet ganz auf mich, mein Prinz! Ich werde Euch allen Anfechtungen, die Eure vollkommene Genesung aufhalten könnten, zu entziehen wissen. Es ist nichts leichter, als einen Schauspieldirektor mit einem Schauspieldichter dermaßen zu entzweien, daß sie grimmig aufeinander losgehen und im wütenden Kampf einander auffressen, wie jene beiden Löwen, von denen nichts übrigblieb, als die beiden Schweife, die, schreckliches Denkmal verübtes Mords, auf dem Kampfplatz gefunden wurden. – Nehmt Euch doch ja nicht Eure Ähnlichkeit mit dem Trauerspieler aus Pappendeckel zu Herzen! Denn soeben vernehme ich, daß die jungen Leute dort, die Euch von Euern Verfolgern befreiten, ebenfalls glauben. Ihr wäret nun einmal kein anderer, als eben der Giglio Fava.“

      „O!“ sprach der junge artige Mensch leise, „o mein bester Signor Celionati, verratet doch nur um des Himmels willen nicht, wer ich bin! Ihr wißt es ja, warum ich so lange verborgen bleiben muß, bis ich völlig genesen.“

      „Seid“, erwiderte der Scharlatan, „seid unbesorgt, mein Prinz, ich werde, ohne Euch zu verraten, so viel von Euch sagen, als nötig ist, um die Achtung und Freundschaft jener jungen Leute zu gewinnen, ohne daß es ihnen einfallen darf zu fragen, wes Namens und Standes Ihr seid. Tut fürs erste so, als wenn Ihr uns gar nicht beachtetet! schaut zum Fenster heraus, oder leset Zeitungen, dann könnet Ihr Euch später in unser Gespräch mischen. Damit Euch aber das, was ich spreche, gar nicht geniert, werde ich in der Sprache reden, die eigentlich nur für die Dinge paßt, die Euch und Eure Krankheit betreffen und die Ihr zur Zeit nicht versteht.“

      Signor Celionati nahm, wie gewöhnlich, Platz unter den jungen Deutschen, die noch unter lautem Lachen davon redeten, wie sie den Abbate und den Impresario, als sie dem jungen artigen Mann zu Leibe gewollt, in möglichster Eile hinausbefördert hätten. Mehrere fragten dann den Alten, ob es denn nicht wirklich der bekannte Schauspieler Giglio Fava sei, der dort zum Fenster hinauslehne, und als dieser es verneint und vielmehr erklärt, daß es ein junger Fremder von hoher Abkunft sei, meinte der Maler Franz Reinhold, (der geneigte Leser hat ihn schon in dem dritten Kapitel gesehen und gehört) daß er es gar nicht begreifen könne, wie man eine Ähnlichkeit zwischen jenem Fremden und dem Schauspieler Giglio Fava finden wollte. Zugeben müsse er, daß Mund, Nase, Stirn, Auge, Wuchs beider sich in der äußern Form gleichen könnten; aber der geistige Ausdruck des Antlitzes, der eigentlich die Ähnlichkeit erst schaffe und den die mehrsten Porträtmaler, oder vielmehr Gesichtabschreiber, nicht aufzufassen und daher wahrhaft ähnliche Bilder zu liefern niemals vermöchten, eben dieser Ausdruck sei zwischen beiden so himmelweit verschieden, daß er seinerseits den Fremden nie für den Giglio Fava gehalten hätte. Der Fava habe eigentlich ein nichtssagendes Gesicht, wogegen in dem Gesicht des Fremden etwas Seltsames liege, dessen Bedeutung er selbst nicht verstehe.

      Die jungen Leute forderten den alten Scharlatan auf, ihnen wiederum etwas, das der wunderbaren Geschichte von dem Könige Ophioch und der Königin Liris gliche, die ihnen überaus wohlgefallen, oder vielmehr den zweiten Teil dieser Geschichte selbst vorzutragen, den er ja von seinem Freunde, dem Zauberer Ruffiamonte oder Hermod im Palast Pistoja, erfahren haben müsse.

      „Was“, rief der Scharlatan, „was zweiter Teil – was zweiter Teil? Hab ich denn neuerdings plötzlich innegehalten, mich geräuspert und dann mich verbeugend gesagt: ‚Die Fortsetzung folgt künftig?‘ – Und überdem hat mein Freund, der Zauberer Ruffiamonte, den weitern Verlauf jener Geschichte bereits vorgelesen im Palast Pistoja. Eure Schuld ist es und nicht die meinige, daß ihr das Kollegium versäumtet, dem auch, wie es jetzt Mode ist, wißbegierige Damen beiwohnten; und sollte ich das alles jetzt noch einmal wiederholen, so würde das einer Person entsetzliche Langeweile erregen, die uns nie verläßt und die sich auch in jenem Kollegio befand, mithin schon alles weiß. Ich meine nämlich den Leser des Capriccios, Prinzessin Brambilla geheißen, einer Geschichte, in der wir selbst vorkommen und mitspielen. – Also nichts von dem Könige Ophioch und der Königin Liris und der Prinzessin Mystilis und dem bunten Vogel! Aber von mir, von mir will ich reden, wenn euch anders damit gedient ist, ihr leichtsinnigen Leute!“

      „Warum leichtsinnig?“ fragte Reinhold. – „Darum“, sprach Meister Celionati auf deutsch weiter, „weil ihr mich betrachtet wie einen, der nur eben darum da ist, euch zuweilen Märchen zu erzählen, die bloß ihrer Possierlichkeit halber possierlich klingen und euch die Zeit, die ihr daran wenden wollt, vertreiben. Aber, ich sage euch, als mich der Dichter erfand, hatte er ganz was anders mit mir im Sinn und wenn er es mit ansehen sollte, wie ihr mich manchmal so gleichgültig behandelt, könnte er gar glauben, ich sei ihm aus der Art geschlagen. – Nun genug, ihr erzeigt mir alle nicht die Ehrfurcht und Achtung, die ich verdiene meiner tiefen Kenntnisse halber. So z. B. seid ihr der schnöden Meinung, daß, was die Wissenschaft der Medizin betrifft, ich, ohne alles gründliche Studium, Hausmittel als Arkana verkaufe und alle Krankheiten mit denselben Mitteln heilen wolle. Doch nun ist die Zeit gekommen, euch eines Bessern zu belehren. Weit, weit her, aus einem Lande so fern, daß Peter Schlemihl, trotz seinen Siebenmeilenstiefeln ein ganzes Jahr laufen müßte, um es zu erreichen, ist ein junger sehr ausgezeichneter Mann hiehergereiset, um sich meiner hülfreichen Kunst zu bedienen, da er an einer Krankheit leidet, die wohl die seltsamste und zugleich gefährlichste genannt werden darf, die es gibt und deren Heilung nun wirklich auf einem Arkanum beruht, dessen Besitz magische Weihe voraussetzt. Der junge Mann leidet nämlich an dem chronischen Dualismus.“

      „Wie“, riefen alle durcheinander lachend, „wie? was sagt Ihr, Meister Celionati, chronischen Dualismus? – Ist das erhört? –“

      „Ich merke wohl“, sprach Reinhold, „daß Ihr uns wieder etwas Tolles, Abenteuerliches auftischen wollt, und nachher bleibt Ihr nicht mehr bei der Stange.“

      „Ei“, erwiderte der Scharlatan, „ei mein Sohn Reinhold, du gerade solltest mir solchen Vorwurf nicht machen; denn eben dir habe ich immer wacker die Stange gehalten und da du, wie ich glaube, die Geschichte von dem Könige Ophioch richtig verstanden und auch wohl selbst in den hellen Wasserspiegel der Urdarquelle geschaut hast, so – Doch ehe ich weiterspreche über die Krankheit, so erfahrt, ihr Herren, daß der Kranke, dessen Kur ich unternommen, eben jener junge Mann ist, der zum Fenster hinausschaut und den ihr für den Schauspieler Giglio Fava gehalten.“

      Alle schauten neugierig hin nach dem Fremden und kamen darin überein, daß in den übrigens geistreichen Zügen seines Antlitzes doch etwas Ungewisses, Verworrenes liege, das auf eine gefährliche Krankheit schließen lasse, welche am Ende in einem versteckten Wahnsinn bestehe. „Ich glaube“, sprach Reinhold, „ich glaube, daß Ihr, Meister Celionati, mit Euerm chronischen Dualismus nichts anders meint, als jene seltsame Narrheit, in der das eigene Ich sich mit sich selbst entzweit, worüber denn die eigne Persönlichkeit sich nicht mehr festhalten kann.“

      „Nicht übel“, erwiderte der Scharlatan, „nicht übel, mein Sohn! aber dennoch fehlgeschossen. Soll ich euch aber über die seltsame Krankheit meines Patienten Rechenschaft geben, so fürchte ich beinahe, daß es mir nicht gelingen wird, euch darüber klar und deutlich zu belehren, vorzüglich da ihr keine Ärzte seid, ich mich also jedes Kunstausdrucks enthalten muß. – Nun! – ich will es darauf ankommen lassen, wie es wird und euch zuvörderst bemerklich machen, daß der Dichter, der uns erfand und dem wir, wollen wir wirklich existieren, dienstbar bleiben müssen, uns durchaus für unser Sein


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