E. T. A. Hoffmann: Ausgewählte Novellen und Erzählungen. Эрнст Гофман

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E. T. A. Hoffmann: Ausgewählte Novellen und Erzählungen - Эрнст Гофман


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allgemein bewunderte Bild hatte ihm Mut gemacht, das Gegenstück zu beginnen. Einen der schönsten Punkte in Neapels reicher Umgebung wählte Hackert selbst aus, und so wie jenes Bild den Sonnenuntergang darstellte, sollte diese Landschaft im Sonnenaufgang gehalten werden. Berthold bekam viel fremde Bäume, viele Weinberge, vorzüglich aber viel Nebel und Duft zu malen.

      Auf der Platte eines großen Steins, eben in jenem von Hackert gewählten Punkte, saß Berthold eines Tages, den Entwurf des großen Bildes nach der Natur vollendend. »Wohl getroffen in der Tat!« sprach es neben ihm. Berthold blickte auf, der Malteser sah in sein Blatt hinein, und fügte mit sarkastischem Lächeln hinzu: »Nur eins habt Ihr vergessen, lieber junger Freund! Schaut doch dort herüber nach der grün berankten Mauer des fernen Weinbergs! Die Türe steht halb offen; das müßt Ihr ja anbringen mit gehörigem Schlagschatten – die halbgeöffnete Türe macht erstaunliche Wirkung!« – »Ihr spottet«, erwiderte Berthold, »ohne Ursache, mein Herr! Solche Zufälligkeiten sind keinesweges so verächtlich wie Ihr glaubt und deshalb mag sie mein Meister wohl anbringen. Erinnert Euch doch nur des aufgehängten weißen Tuchs in der Landschaft eines alten niederländischen Malers, das nicht fehlen darf, ohne die Wirkung zu verderben. Aber Ihr scheint überhaupt kein Freund der Landschaftsmalerei, der ich mich nun einmal ganz ergeben habe mit Leib und Seele, und darum bitt ich Euch, laßt mich ruhig fortarbeiten.« – »Du bist in großem Irrtum befangen, Jüngling«, sprach der Malteser. »Noch einmal sage ich, aus dir hätte viel werden können; denn sichtlich zeugen deine Werke das rastlose Bestreben nach dem Höheren, aber nimmer wirst du dein Ziel erreichen, denn der Weg, den du eingeschlagen, führt nicht dahin. Merk wohl auf, was ich dir sagen werde! Vielleicht glückt es mir, die Flamme in deinem Innern, die du, Unverständiger! zu überbauen trachtest, anzumachen, daß sie hell auflodert und dich erleuchtet; dann wirst du den wahren Geist, der in dir lebt, zu erschauen vermögen. Hältst du mich denn für so töricht, daß ich die Landschaft dem historischen Gemälde unterordne, daß ich nicht das gleiche Ziel, nach dem beide, Landschafter und Historienmaler, streben sollen, erkenne? – Auffassung der Natur in der tiefsten Bedeutung des höhern Sinns, der alle Wesen zum höheren Leben entzündet, das ist der heilige Zweck aller Kunst. Kann denn das bloße genaue Abschreiben der Natur jemals dahin führen? – Wie ärmlich, wie steif und gezwungen sieht die nachgemalte Handschrift in einer fremden Sprache aus, die der Abschreiber nicht verstand und daher den Sinn der Züge, die er mühsam abschnörkelte, nicht zu deuten wußte. So sind die Landschaften deines Meisters korrekte Abschriften eines in ihm fremder Sprache geschriebenen Originals. – Der Geweihte vernimmt die Stimme der Natur, die in wunderbaren Lauten aus Baum, Gebüsch, Blume, Berg und Gewässer von unerforschlichem Geheimnis spricht, die in seiner Brust sich zu frommer Ahnung gestalten; dann kommt, wie der Geist Gottes selbst, die Gabe über ihn, diese Ahnung sichtlich in seine Werke zu übertragen. Ist dir, Jüngling! denn bei dem Beschauen der Landschaften alter Meister nicht ganz wunderbarlich zumute geworden? Gewiß hast du nicht daran gedacht, daß die Blätter des Lindenbaums, daß die Pinien, die Platanen der Natur getreuer, daß der Hintergrund duftiger, das Wasser klarer sein könnte; aber der Geist, der aus dem Ganzen wehte, hob dich empor in ein höheres Reich, dessen Abglanz du zu schauen wähntest. – Daher studiere die Natur zwar auch im Mechanischen fleißig und sorgfältig, damit du die Praktik des Darstellens erlangen mögest, aber halte die Praktik nicht für die Kunst selbst. Bist du eingedrungen in den tiefern Sinn der Natur, so werden selbst in deinem Innern ihre Bilder in hoher glänzender Pracht aufgehen.« – Der Malteser schwieg; als aber Berthold tief ergriffen, gebückten Hauptes, keines Wortes mächtig dastand, verließ ihn der Malteser mit den Worten: »Ich habe dich durchaus nicht verwirren wollen in deinem Beruf; aber ich weiß, daß ein hoher Geist in dir schlummert: ich rief ihn an mit starken Worten, damit er erwache und frisch und frei seine Fittige rege. Lebe wohl!«

      Dem Berthold war es so, als habe der Malteser nur dem, was in seiner Seele gärte und brauste, Worte gegeben; die innere Stimme brach hervor. – »Nein! Alles dieses Streben – dieses Mühen ist das ungewisse, trügerische Umhertappen des Blinden, weg – weg mit allem, was mich geblendet bis jetzt!« – Er war nicht imstande auch nur einen Strich weiter an dem Bilde zu zeichnen. Er verließ seinen Meister, und streifte voll wilder Unruhe umher und flehte laut, daß die höhere Erkenntnis, von der der Malteser gesprochen, ihm aufgehen möge.

      »Nur in süßen Träumen war ich glücklich – selig. Da wurde alles wahr, was der Malteser gesprochen. Ich lag von zauberischen Düften umspielt im grünen Gebüsch, und die Stimme der Natur ging vernehmbar im melodisch klingenden Wehen durch den dunklen Wald. – ›Horch – horch auf – Geweihter! Vernimm die Urtöne der Schöpfung, die sich gestalten zu Wesen deinem Sinn empfänglich.‹ – Und indem ich die Akkorde deutlicher und deutlicher erklingen hörte, war es, als sei ein neuer Sinn in mir erwacht, der mit wunderbarer Klarheit das erfaßte, was mir unerforschlich geschienen. – Wie in seltsamen Hieroglyphen zeichnete ich das mir aufgeschlossene Geheimnis mit Flammenzügen in die Lüfte; aber die Hieroglyphen-Schrift war eine wunderherrliche Landschaft, auf der Baum, Gebüsch, Blume, Berg und Gewässer, wie in lautem wonnigem Klingen sich regten und bewegten.«

      Doch eben nur im Traume kam solche Seligkeit über den armen Berthold, dessen Kraft gebrochen, und der im Innersten verwirrter war, als in Rom, da er Historienmaler werden wollte. Schritt er durch den dunklen Wald, so überfiel ihn ein unheimliches Grauen; trat er heraus, und schaute in die fernen Berge, so griff es wie mit eiskalten Krallen in seine Brust – sein Atem stockte – er wollte vergehen vor innerer Angst. Die ganze Natur, ihm sonst freundlich lächelnd, ward ihm zum bedrohlichen Ungeheuer, und ihre Stimme, die sonst in des Abendwindes Säuseln, in dem Plätschern des Baches, in dem Rauschen des Gebüsches mit süßem Wort ihn begrüßt, verkündete ihm nun Untergang und Verderben. Endlich wurde er, je mehr ihn jene holden Träume trösteten, desto ruhiger, doch mied er es im Freien allein zu sein, und so kam es, daß er sich zu ein paar muntern deutschen Malern gesellte, und mit ihnen häufig Ausflüge nach den schönsten Gegenden Neapels machte.

      Einer von ihnen, wir wollen ihn Florentin nennen, hatte es in dem Augenblick nicht sowohl auf tiefes Studium seiner Kunst, als auf heitern Lebensgenuß abgesehen, seine Mappe zeugte davon. – Gruppen tanzender Bauernmädchen – Prozessionen ländliche Feste – alles das wußte Florentin, so wie es ihm aufstieß, mit sichrer leichter Hand schnell aufs Blatt zu werfen. Jede Zeichnung, war sie auch kaum mehr als Skizze, hatte Leben und Bewegung. Dabei war Florentins Sinn keinesweges für das Höhere verschlossen; im Gegenteil drang er mehr, als je ein moderner Maler, tief ein in den frommen Sinn der Gemälde alter Meister. In sein Malerbuch hatte er die Fresko-Gemälde einer alten Klosterkirche in Rom, ehe die Mauern eingerissen wurden, in bloßen Umrissen hineingezeichnet. Sie stellten das Martyrium der heiligen Katharina dar. Man konnte nichts Herrlicheres, reiner Aufgefaßtes sehen, als jene Umrisse, die auf Berthold einen ganz eignen Eindruck machten. Er sah Blitze leuchten durch die finstre Öde, die ihn umfangene und es kam dahin, daß er für Florentins heiteren Sinn empfänglich wurde, und da dieser zwar den Reiz der Natur, in ihr aber beständig mehr das menschliche Prinzip mit reger Lebendigkeit auffaßte, eben dieses Prinzip für den Stützpunkt erkannte, an den er sich halten müsse, um nicht gestaltlos im leeren Raum zu verschwimmen. Während Florentin irgend eine Gruppe, der er begegnete, schnell zeichnete, hatte Berthold des Freundes Malerbuch aufgeschlagen, und versuchte Katharinas wunderholde Gestalt nachzubilden, welches ihm endlich so ziemlich glückte, wiewohl er, so wie in Rom vergebens darnach strebte, seine Figuren dem Original gleich zu beleben. Er klagte dies dem, wie er glaubte, an wahrer Künstlergenialität ihm weit überlegenen Florentin, und erzählte zugleich, wie der Malteser zu ihm über die Kunst gesprochen. »Ei, lieber Bruder Berthold!« sprach Florentin: »der Malteser hat in der Tat recht, und ich stelle die wahre Landschaft den tief bedeutsamen heiligen Historien, wie sie die alten Maler darstellen, völlig gleich. Ja, ich halte sogar dafür, daß man erst durch das Darstellen der uns näher liegenden organischen Natur sich stärken müsse, um Licht zu finden in ihrem nächtlichen Reich. Ich rate dir Berthold, daß du dich gewöhnst Figuren zu zeichnen, und in ihnen deine Gedanken zu ordnen; vielleicht wird es dann heller um dich werden.« Berthold tat so wie ihm der Freund geboten, und es war ihm, als zögen die finstern Wolkenschatten, die sich über sein Leben gelegt, vorüber.

      »Ich mühte mich, das, was nur wie dunkle Ahnung tief in meinem Innern lag, wie in jenem Traum hieroglyphisch darzustellen, aber die Züge dieser Hieroglyphenschrift


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