E. T. A. Hoffmann: Ausgewählte Novellen und Erzählungen. ÐрнÑÑ‚ Гофман
Читать онлайн книгу.unentschiedene Charakter. Ja, das muß man sagen, Madame ist ganz außerordentlich für die Kunst portiert.
Der Professor der Phil. So? – So? Glaubt ihr denn das wirklich, ihr Leute? – Und ich sage: nein! – Ich behaupte das Gegenteil!
Der unentsch. Char. Nun freilich, so mit dem Enthusiasmus, wie unser musikalische Freund da denkt, möchte es doch wohl –
Der Professor der Phil. Ich sage euch, da der schwarze Hund unter dem Ofen, der so verständig dreinschaut, als hörte er unserm Gespräch recht aufmerksam zu, schätzt und liebt die Kunst mehr, als die Frau, der es Gott verzeihen möge, daß sie sich etwas aneignet, das ihr ganz fremd ist. Ihre eiskalte Brust wird nie erwärmt, und wenn anderer Menschen Herz beim Hinausschauen in die Natur, in das All der Schöpfung, überströmt von heiligem Entzücken, da frägt sie, wieviel Grad Hitze wir haben nach Reaumur, und ob es wohl noch regnen wird. So kann auch die Kunst, diese Mittlerin zwischen uns und dem ewigen All, das wir nur durch sie recht deutlich ahnen, nie in ihr einen höheren Gedanken entflammen, Sie, mit allen ihren Kunstübungen, mit ihren Floskeln und Phrasen, sie lebt im Gemeinen! – Sie ist prosaisch – prosaisch – infam prosaisch! –
Die letzten Worte hatte der Philosoph, mit den Händen stark um sich fechtend, so laut herausgeschrien, daß im Gesellschaftssaal beinahe alles in Aufruhr geriet, um den Prosaismus, der wie ein tückischer Feind still und hinterlistig herangeschlichen schien und den nun des Professors Feldgeschrei verraten hatte, mit vereinter Macht zu bekämpfen. Der Musiker war ganz verblüfft stehen geblieben, der unentschiedene Charakter nahm ihn aber beiseite und sagte freundlich schmunzelnd ihm leise ins Ohr:
›Freundchen, was halten Sie von des Professors Worten? – Wissen Sie denn, warum er so gräßlich eifert, warum er so mit Eiskälte – Prosaismus um sich wirft? – Sie gestehen, Madame ist für ihre Jahre noch ziemlich frisch und jugendlich. – Nun da hat – lachen Sie, lachen Sie! da hat der Professor ihr unter vier Augen durchaus gewisse philosophische Sätze erklären wollen, die ihr zu schwierig waren. Sie schlug den besonderen philosophischen Kursus, den der Herr Professor mit ihr machen wollte, überhaupt gänzlich aus, und das hat er denn nun sehr übel genommen und schimpft und schmält.‹
›Sehen Sie mir das Bocksgesicht! nun bin ich wieder fest in meiner Meinung,‹ sagte der Musiker, und beide mischten sich unter die Gesellschaft.«
Aber, ich sage es noch einmal, der Teufel hole die Sphinx und den Professor der Philosophie!
Ich. Warum das?
Berganza. Beide waren schuld daran, daß ich nicht mehr den mimischen Darstellungen meiner Dame beiwohnen durfte und bei einem Haar mit Schimpf und Schande aus dem Hause gejagt worden wäre.
Ich. Du nimmst wohl die Sphinx allegorisch, um mir irgendeinen neuen Charakter deines Zirkels aufzuführen?
Berganza. Nichts weniger als das! – Ich meine die echte Sphinx mit dem ägyptischen Kopfputz und den stieren eirunden Augen.
Ich. So erzähle.
Berganza. Sei es nun aus Rache wegen des verfehlten philosophischen Kursus, wie der unentschiedene Charakter behauptete, oder bloß aus Ekel und Abscheu gegen das angeeignete leere Kunststreben meiner Dame, kurz, der Professor war ihr Ichneumon, der sie stets verfolgte und, ehe sie sich's versah, in ihrem Innersten wühlte. Auf eine ganz eigne geschickte Weise wußte er sie in ihre eignen Floskeln und Phrasen, in ihre philosophisch-ästhetischen Kunsturteile zu verflechten und zu verstricken, daß sie tief in den mit Unkraut bedeckten Irrgarten des prosaischen Unsinns hineingeriet und vergebens den Ausweg suchte. Er trieb seine Bosheit so weit, daß er ihr unter dem Namen tiefer philosophischer Sätze nichtssagende oder auf eine gemeine Albernheit hinauslaufende Phrasen vorsagte, die sie bei ihrem starken Wortgedächtnis behielt und nun mit vielem Gepränge überall anbrachte; je toller und unverständlicher diese Sätze waren, desto mehr gefielen sie ihr, denn desto höher stieg bei den Schwachköpfen die Bewunderung, ja die Vergötterung der herrlichen geistreichen Frau. – Doch zur Sache! – Der Professor hatte mich ungemein liebgewonnen; wenn er nur konnte, streichelte er mich und steckte mir gute Bissen zu. Ich vergalt diese Zuneigung mit der herzlichsten Freundschaft und folgte ihm daher um so williger, als er mich eines Abends, da die Gesellschaft eben im Begriff war, in den schwarzausgeschlagenen Saal zu gehen, weil Madame ihre mimischen Darstellungen produzieren wollte, in ein Nebenzimmer lockte. Er hatte, wie gewöhnlich, wieder ein gutes Stück Kuchen für mich in Bereitschaft; während ich es verzehrte, fing er an, mich leise am Kopfe und hinter den Ohren zu krauen, und endlich zog er ein Tuch hervor, welches er um meine Stirn schlang und mit vieler Mühe an den Ohren herum drapierte, wobei er, mich anschauend, öfters lachte und ausrief: »Kluger Hund – kluger Hund – sei heute nur recht klug und verdirb mir nicht den Spaß!« Des Putzes noch vom Theater her gewohnt, ließ ich alles mit mir machen und folgte ihm willig und leise in den Saal, wo Madame ihre mimischen Darstellungen schon begonnen hatte. Der Professor wußte mich den Blicken der Zuschauer so geschickt zu entziehen, daß niemand mich bemerkte. Endlich, nachdem Marien und Karyatiden gewechselt hatten, trat Madame mit einem ganz seltsamen Kopfputz, der dem meinigen auf ein Haar glich, hervor, kniete hin und streckte die Arme auf ein Taburett vor sich her, indem sie ihre sonst geistreichen Augen zu einem stieren, unangenehm gespenstischen Blicke zwang. Nun lockte mich der Professor hervor, und ohne eigentlich den wahren Spaß zu ahnen, schritt ich gravitätisch in die Mitte des Zimmers und legte mich der Dame dicht gegenüber, die Vorderpfoten ausgestreckt, in meiner gewöhnlichen Stellung auf den Boden. Hochverwundert über ihre Figur, die vorzüglich des Teils halber, auf dem man zu sitzen pflegt, und den die Natur in zu üppiger Fülle ausgebildet hatte, sich ganz besonders ausnahm, starrte ich sie unverwandt an mit dem ernsten, tiefsinnigen Blick, der mir eigen. – Der tiefen Totenstille folgte ein unmäßiges allgemeines Gelächter. Jetzt erst erblickte mich die in der innern Kunstanschauung versunkene Dame; sie sprang mit wilder Gebärde wütend auf und rief mit Macbeths Worten: »Wer hat mir das getan?« Aber niemand hörte sie, denn alles, von dem gewiß überkomischen Anblick wie elektrisiert, rief und schrie noch durcheinander: »Zwei Sphinxe – zwei Sphinxe im Konflikt!« – »Schafft mir den Hund aus den Augen, fort mit dem Hunde, aus dem Hause!« tobte die Dame, und schon fielen die Bedienten über mich her, da sprang meine Beschützerin, die holde Cäcilia dazwischen, befreite mich von meinem ägyptischen Kopfputz und führte mich auf ihr Zimmer. – Durfte ich nun zwar auch im Hause bleiben, so blieb doch der mimische Saal für mich auf immer verschlossen.
Ich. Und du verlorst im Grunde nicht viel dabei, denn die höchste Spitze dieser Kunstgaukeleien hattest du, Dank sei es dem lustigen Professor, erlebt; das übrige wäre matt geblieben, da man natürlicherweise jede Einwirkung von deiner Seite hintertrieben hätte.
Berganza. Den andern Tag war überall von der Doppelsphinx die Rede, und es zirkulierte ein Sonett, dessen ich mich noch recht gut erinnere, und welches wahrscheinlich auch von dem Professor verfaßt worden war.
Die beiden Sphinxe
Sonett
Was liegt im falt'gen Rocke auf der Erde,
Verglast die Augen, vorgestreckt die Hände?
Wohl klüger als Ödip wär', der's verstände,
Des bösen Rätsels Deutung bringt Gefährde.-
Doch sieh'! mit ernster, seltsamer Gebärde
Schaut dort der schwarze Sphinx, und Feuerbrände
Schießt auf die Puppe er am andern Ende,
Damit im Tand der Tand vernichtet werde!-
Sie stehen auf! – Der Hund ist's und die Dame,
Vereint im mimischen Talent zur Wette;
Die Poesie erhob sie aus dem Schlamme!
Gibt's Höhres noch, das fester sie verkette?
Sie leben in der Kunst! Hund er, sie Dame; Pagliasso er und sie – Arlekinette. –
Ich. Bravo, Berganza! – Das Sonett ist für ein gelegentliches Spottgedicht