Gesammelte Werke. Henrik Ibsen
Читать онлайн книгу.seinem Herzen – aber das wird kommen; das Glück ist mit Håkon. Sie wird ihm sein Leben erhellen – Er stockt, und ruft verwundert aus. Was ist das?
Bischof Nikolas. Was?
Jarl Skule. Dagfinn der Bauer drängt sich mit Gewalt durch die Menge, die ringsum steht. Jetzt meldet er dem König etwas.
Bischof Nikolas schaut hinter dem Jarl durchs Fenster. Håkon scheint zornig zu werden, – nicht wahr? Er ballt die Faust –
Jarl Skule. Er blickt hier herauf – was kann das sein? Will gehen.
Bischof Nikolas hält ihn zurück. Jarl, hört mich, – es dürfte ein Mittel geben, über Håkons Recht ins Klare zu kommen.
Jarl Skule. Ein Mittel, sagt Ihr?
Bischof Nikolas. Der Pfarrer Trond hat vor seinem Tode einen Brief über sein Verfahren aufgesetzt und das Sakrament darauf genommen, daß er die Wahrheit geschrieben hat.
Jarl Skule. Und dieser Brief, – um Gottes Barmherzigkeit willen, – wo ist er?
Bischof Nikolas. So erfahrt denn, daß – Er blickt nach der Tür. Still, der König kommt!
Jarl Skule. Der Brief, Bischof, – der Brief!
Bischof Nikolas. Da ist der König.
Håkon tritt ein, begleitet von seinem Gefolge und zahlreichen Gästen. Gleich darauf erscheint Margrete; sie ist in ängstlicher Aufregung und will zum Könige hineilen, wird aber daran gehindert von Frau Ragnhild, die ihr mit mehreren Frauen gefolgt ist. Sigrid hält sich ein wenig abgesondert im Hintergrunde. Die Mannen des Jarls scheinen beunruhigt und scharen sich auf der rechten Seite, in geschlossener Masse, wo Skule steht, jedoch etwas weiter zurück.
Håkon in starker innerer Aufregung. Jarl Skule, wer ist König in diesem Lande?
Jarl Skule. Wer da König ist?
Håkon. So fragt' ich. Ich führe den Königsnamen, aber wer hat die Königsgewalt?
Jarl Skule. Die Königsgewalt muß da sein, wo das Königsrecht ist.
Håkon. So müßt' es sein – aber ist es so?
Jarl Skule. Ladet Ihr mich hier vor Gericht?
Håkon. Das tu' ich – denn das Recht steht mir gegen jedermann im Reiche zu.
Jarl Skule. Ich getraue mir, meine Handlungen zu verantworten.
Håkon. Gut für uns alle, wenn dem so ist. Er steigt eine Stufe zum Königsstuhl hinan und stützt sich auf die Armlehne. Hier steh' ich als Euer König und frage: wißt Ihr, daß sich der Jarl Jon auf Orknö wider mich erhoben hat?
Jarl Skule. Ja.
Håkon. Daß er sich weigert, mir den Zins zu zahlen?
Jarl Skule. Ja.
Håkon. Und ist es wahr, daß Ihr, Herr Jarl, heut an ihn einen Brief geschickt habt?
Jarl Skule. Wer sagt das?
Ivar Bodde. Das sag' ich.
Dagfinn. Jostejn Tamb durfte sich nicht weigern, ihn mitzunehmen, da das Königssiegel dran war.
Håkon. Ihr schreibt an die Feinde des Königs und drückt des Königs Siegel darauf, obschon der König nicht weiß, was Ihr geschrieben habt!
Jarl Skule. Das hab' ich mit Eurer Einwilligung manches Jahr getan.
Håkon. Ja, zu der Zeit, als Ihr die Vormundschaft für mich führtet.
Jarl Skule. Nie habt Ihr Schaden davon gehabt. Der Jarl Jon schrieb mir und bat um meine Vermittlung; er bot einen Vergleich an, doch unter wenig ehrenvollen Bedingungen für den König. Der Zug gegen Varmeland lastete besonders schwer auf Eurer Seele; hättet Ihr jetzt selber handeln sollen, so wäre der Jarl Jon zu leicht davongekommen; – ich kann die Sache besser ordnen.
Håkon. Wir zögen es vor, die Sache selber zu ordnen. – Und was habt Ihr geantwortet?
Jarl Skule. Lest meinen Brief.
Håkon. Gebt her!
Jarl Skule. Ich dachte, Ihr hättet ihn?
Dagfinn. Ihr wißt das gewiß besser. Gregorius Jonsson hatte schnellere Beine. Als wir an Bord kamen, war der Brief weg.
Jarl Skule wendet sich zu Gregorius Jonsson. Herr Lehnsmann, gebt dem Könige den Brief.
Gregorius Jonsson nähert sich unruhig. Hört mich –!
Jarl Skule. Nun?
Gregorius Jonsson im Flüstertone. Ihr werdet Euch entsinnen, es standen scharfe Worte über den König darin.
Jarl Skule. Die werd' ich zu vertreten wissen. Den Brief!
Gregorius Jonsson. Ich hab' ihn nicht.
Jarl Skule. Ihr habt ihn nicht!
Gregorius Jonsson. Dagfinn war uns auf den Fersen. Ich entriß Jostejn Tamb den Brief, band einen Stein daran –
Jarl Skule. Nun?
Gregorius Jonsson. Er liegt auf dem Grund des Meeres.
Jarl Skule. Arg, – arg habt Ihr da gehandelt.
Håkon. Ich warte auf den Brief, Herr Jarl!
Jarl Skule. Ich kann ihn nicht vorlegen.
Håkon. Ihr könnt nicht?
Jarl Skule geht einen Schritt auf den König zu. Ich bin zu stolz, mich hinter dem zu verstecken, was Ihr samt Euren Leuten Ausflüchte nennen würdet –
Håkon beherrscht seinen hervorbrechenden Zorn. Und so –?
Jarl Skule. Kurz und gut, – ich lege ihn nicht vor; – ich will ihn nicht vorlegen!
Håkon. Ihr trotzt mir also!
Jarl Skule. Wenn es nicht anders sein kann – nun ja, ich trotze Euch.
Ivar Bodde kraftvoll. Jetzt, Herr König, jetzt, denk' ich, bedarf es für keinen des Beweises mehr!
Dagfinn. Nein, jetzt, denk' ich, kennen wir die Gesinnung des Jarls.
Håkon kalt zum Jarl. Wollt Ihr das Königssiegel Ivar Bodde geben!
Margrete eilt mit gefalteten Händen auf die Erhöhung zu, wo der König steht. Håkon, sei mir ein milder und gnädiger Gemahl!
Håkon macht eine abwehrende Handbewegung zu ihr hin; sie verbirgt das Gesicht in ihrem Schleier und geht zu ihrer Mutter zurück.
Jarl Skule zu Ivar Bodde. Hier ist das Königssiegel.
Ivar Bodde. Es sollte der letzte Abend des Festes sein. Er endet mit einer schweren Sorge für den König; aber es mußte doch einmal so kommen, und ich meine, jeder treue Mann muß froh sein, daß es so gekommen ist.
Jarl Skule. Und ich meine, jeder treue Mann muß sich tief dadurch gekränkt fühlen, daß ein Priester sich solchermaßen zwischen uns Birkebeiner stellt – ja, ich sage: Birkebeiner, denn ich bin ein Birkebeiner – gerade so gut wie der König und seine Mannen. Ich bin aus demselben Geschlecht, Sverres Geschlecht, dem Königsgeschlecht – aber Ihr, Priester, Ihr habt einen Wall des Mißtrauens um den König gezogen und mich von ihm abgesperrt: das war Euer Werk seit vielen Jahren.
Paul Flida gereizt zu den Umstehenden. Jarlsmannen! Wollen wir dergleichen länger dulden?
Gregorius Jonsson tritt vor. Nein, wir können's und wollen's nicht länger dulden. Laut sei's hier gesagt – keiner von den Mannen des Jarls kann mit voller Treue und Liebe dem Könige dienen, so lange Ivar Bodde im Königsschloß ein- und ausgeht und uns Böses spinnt.
Paul Flida. Priester! Ich künde Dir Fehde an auf Leib und Leben, wo ich Dich treffe, auf freiem Felde, zu Schiffe oder in ungeweihtem Hause!
Viele Jarlsmannen. Ich auch! Ich auch! Du sollst friedlos sein für uns!
Ivar