Gesammelte Werke. Henrik Ibsen
Читать онлайн книгу.Ist es getan?
Olaf. Seinetwegen könnt Ihr ruhig sein; – er verrät keinen mehr.
Inger wie oben. Er ist also stumm?
Olaf. Den Stahl sechs Zoll tief in der Brust. Ich habe ihn mit meiner linken Hand gefällt.
Inger. Ja, ja, – die Rechte war auch zu gut für so etwas.
Olaf. Das müßt Ihr wissen; – der Gedanke war Euer. – Und nun nach Schweden! Friede mit Euch so lange! Wenn wir uns das nächste Mal sehen auf Oestrot, komm' ich zu zweit!
Ab durch die zweite Tür rechts.
Inger. Blut an meinen Händen. Dahin mußt' es also kommen! – Er kommt mir nachgerade teuer zu stehen.
Björn kommt mit einigen schwedischen Kriegsknechten durch die erste Tür rechts.
Einer der Kriegsknechte. Verzeiht, wenn Ihr die Herrin des Hauses seid –
Inger. Sucht Ihr den Grafen Sture?
Der Kriegsknecht. So ist es.
Inger. Dann seid Ihr nicht auf der falschen Fährte. Der Graf hat Zuflucht bei mir gesucht.
Der Kriegsknecht. Zuflucht? Erlaubt, hochedle Frau, – aber die vermögt Ihr ihm nicht zu gewähren, denn –
Inger. Was Ihr da sagt, das hat wohl auch der Graf eingesehen, und darum hat er, – ja, seht nur selber nach! – darum hat er Hand an sich gelegt.
Der Kriegsknecht. Hand an sich gelegt?
Inger. Seht, wie gesagt, selber nach. Da drinnen werdet Ihr die Leiche finden. – Und da er nun schon vor einem andern Richter steht, so ist meine Bitte, er möge mit allen Ehren von hier überführt werden, die seiner edlen Abkunft gebühren. – Björn, Du weißt, in meiner Kammer steht mein eigner Sarg schon seit manchem Jahr bereit. Zu den Kriegsknechten. Ich bitt' Euch, darin Graf Stures Leichnam nach Schweden zu bringen.
Der Kriegsknecht. Es soll geschehen, wie Ihr befehlt. Zu einem andern. Lauf Du mit dieser Botschaft zu Herrn Jens Bjelke. Er hält mit den übrigen Reitern auf der Landstraße draußen. Wir andern wollen da hinein und –
Ein Kriegsknecht rechts ab; die übrigen mit Björn in das Zimmer links.
Inger geht eine Weile stumm und unruhig im Zimmer auf und ab. Hätte Graf Sture nicht so eilig der Welt Valet gesagt, so würde er binnen eines Monats am Galgen hängen oder für seine Lebenszeit im Kerker sitzen. Wäre ihm mit solchem Los besser gedient gewesen? – Oder auch er hätte sich frei gekauft dadurch, daß er mein Kind in die Gewalt der Feinde brachte. Bin ich es also, die ihn getötet hat? Kämpft nicht selbst die Wölfin für ihr Junges? Wer darf mich verdammen, weil ich die Klaue schlug in den, der mir mein Fleisch und Blut rauben wollte? – Es mußte so sein. Jede Mutter hätte getan wie ich. – – Doch jetzt ist keine Zeit zu müßigen Gedanken. Handeln muß ich. Sie setzt sich an den Tisch links. Ich will an alle meine Freunde rings im Lande schreiben. Alle müssen sich jetzt erheben und die große Sache stützen. Ein neuer König; – erst Reichsverweser und dann König – – Sie beginnt zu schreiben, hält aber gedankenvoll inne und sagt leise: Wen werden sie an des Toten Statt wählen? – Königsmutter –? Das ist ein großes Wort. Aber ein Haken ist dabei; – daß es so häßlich anklingt an ein andres Wort. – Königsmutter und – Königsmörder. – Königsmörder heißt, wer einem König das Leben raubt –. Königsmutter heißt, wer einem König das Leben schenkt. – Sie erhebt sich. Nun wohl – ich will Ersatz schaffen für das, was ich geraubt habe. – Mein Sohn soll König werden! Sie setzt sich und nimmt die Arbeit wieder auf, legt dann die Feder abermals weg und lehnt sich in den Stuhl zurück. Es ist immer etwas Unheimliches, eine Leiche im Hause zu haben. Darum ist auch mir so seltsam zu Mute. – Sie wendet den Kopf heftig zur Seite, wie wenn sie mit jemand spräche. Nicht darum? Woher sollte es sonst kommen? Grübelnd. Ist es denn ein so großer Unterschied, ob man einen Feind fällt oder einen Mord an ihm begeht? Knut Alfsön hatte mit seinem Schwerte so manche Stirn gespalten, und doch lag auf seiner eigenen Stirn die Ruhe eines Kindes? Warum sehe nur ich unaufhörlich diesen – Sie macht eine Bewegung, als ob sie ein Messer schwinge. – diesen Stoß ins Herz – und dann den roten Blutstrom? – Sie schellt und fährt fort zu reden, indem sie unter den Papieren wühlt. Fortan will ich nichts mehr wissen von so häßlichen Gesichten. Ich will tätig sein Tag und Nacht. Und in einem Monat – in einem Monat kommt mein Sohn zu mir – –
Björn tritt ein. Hat meine Herrin geschellt –?
Inger schreibend. Du sollst mehr Lichter bringen. Von heut an will ich's hell, sehr hell in der Stube haben.
Björn links ab.
Inger nach einer Pause, erhebt sich heftig. Nein, nein, nein – ich kann die Feder nicht führen in dieser Stunde! Es brennt und schmerzt mir der Kopf. – Sie fährt zusammen und lauscht. – Was ist das? Ah! Sie schrauben drinnen den Deckel des Sarges zu. – – Als ich noch ein Kind war, hat man mir das Märchen vom Ritter Aage erzählt, der mit dem Sarg auf seinem Rücken daherkam. – Wenn es dem da drinnen eines Nachts auch einfallen sollte, mit dem Sarg auf dem Rücken zu kommen und sich für das Darlehn zu bedanken? Sie lacht leise. Hm, – was geht uns Erwachsene unser Kinderglaube an. Heftig. Aber solche Märchen sind gleichwohl zu nichts nütze! Sie schaffen wüste Träume. Wenn mein Sohn König ist, sollen sie verboten werden. – Sie geht unruhig auf und nieder, dann öffnet sie das Fenster. – Wie lange pflegt es gemeinlich zu dauern, bis eine Leiche zu verwesen anfängt?! Alle Stuben sollen gelüftet werden. Solange das nicht geschehen, ist es hier ungesund zu leben.
Björn kommt mit zwei Armleuchtern, die er auf die Tische stellt.
Inger wieder mit den Papieren beschäftigt. So ist's recht. Vergiß mir nie, was ich Dir gesagt habe. Viel Lichter auf den Tisch! – – Was schaffen sie jetzt da drinnen?
Björn. Sie sind noch dabei, den Sargdeckel festzuschrauben.
Inger schreibend. Schrauben sie ihn auch tüchtig fest?
Björn. So fest, wie's nötig ist.
Inger. Ja, ja – man kann nie wissen, wie sehr das nötig ist. Paß auf, daß es ordentlich geschieht. Sie geht auf ihn zu, mit einer Handvoll Papiere, und sagt geheimnisvoll: Björn, Du bist ein alter Mann, aber eins will ich Dir ans Herz legen: sei auf Deiner Hut vor allen Menschen, – vor denen, die gestorben sind, und vor denen, die noch sterben sollen.– Jetzt geh hinein – geh hinein und sieh, ob sie den Sargdeckel ordentlich fest schrauben.
Björn leise, kopfschüttelnd. Ich kann nicht klug aus ihr werden.
Ab in das Zimmer links.
Inger will einen Brief zusiegeln, wirft ihn aber gleich wieder weg, geht eine Weile auf und ab und sagt dann mit Heftigkeit: Wenn ich feig wäre, so hätte ich das da in alle Ewigkeit nicht getan! Wenn ich feig wäre, hätt' ich mir selbst zugeschrien: halt ein, wenn Du Deiner Seele noch ein Stück Seligkeit bewahren willst! – Ihr Blick fällt auf Sten Stures Bild; sie wendet ihr Gesicht ab und sagt leise: – Da lacht er auf mich herunter, wie er leibt und lebt! Pfui! Sie dreht das Bild um – mit der Fläche gegen die Wand, ohne es anzusehen. Was lachtest Du? – Weil ich grausam an Deinem Sohn gehandelt habe? Aber der andre, – ist er nicht auch Dein Sohn? Und er ist zugleich der meine –. Merk' Dir das! – – Sie blickt verstohlen über die Bilderreihe hin. So grimmig wie in dieser Nacht habe ich sie nie zuvor gesehen. Sie haben das Auge auf mich, wo ich gehe und stehe. Stampft mit dem Fuß auf. Aber ich will nichts davon wissen! Ich will Frieden haben in meinem Hause! – Macht sich daran, alle Bilder gegen die Wand umzudrehen. – Ja, und wenn es die heilige Jungfrau Maria selber wäre – –. Jetzt also hältst Du die Zeit für gekommen – –? Warum hast Du meine Bitten niemals erhört, wenn ich Dich so inbrünstig anflehte, mir mein Kind zurückzugeben? Warum? Weil der Mönch von Wittenberg recht hat: es ist kein Mittler zwischen Gott und den Menschen. Sie atmet schwer auf und fährt in wachsender Leidenschaft fort: Es ist gut, sehr gut, daß ich das weiß – –. Keiner hat gesehen, was da drinnen geschehen ist. Es gibt keinen, der gegen mich zeugen könnte! Breitet plötzlich die Arme aus