Ein Gardeleutnant. Karl May

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Ein Gardeleutnant - Karl May


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vielleicht nichts wissen darf? Ich muß diese Unterredung wirklich belauschen. Es ist leicht möglich, daß ich etwas erfahre, was von Wichtigkeit ist.«

      Es war keine Zeit zu verlieren, denn kam der Kapitän zurück, so war es zu spät. Darum gab Kurt dem Mädchen einen Wink. Es nickte unbemerkt, tat, als ob es die Tische abzuwischen habe, und kam dabei an den seinigen.

      »Ich muß hinauf, sagte er leise. »Die Unterredung scheint eine wichtige zu werden, und darum ist es möglich, daß der Kapitän sich vorher überzeugt, daß niemand in Nummer dreizehn ist. Er kann den Schlüssel verlangen, darum darf ich ihn nicht behalten.« – »So werde ich Sie einschließen. Aber er wird Sie ja sehen, sobald er in das Zimmer blickt!« – »Ich verstecke mich in dem Kleiderschrank.« – »Und wenn er diesen öffnet?« – »Ich ziehe den Schlüssel ab.« – »Können Sie von innen die Tür so fest zuhalten, daß er sie nicht aufbringt?« – »Das wird schwierig sein. Gibt es hier vielleicht einen Bohrer?« – »Ich will nachsehen. Der Hausknecht hat einen Werkzeugkasten.« – »Gut. Geben Sie mir einen Wink, wenn Sie fertig sind, dann gehen wir nach oben, und Sie lassen mich wieder heraus, sobald der Mann dort fortgegangen ist.«

      Nach kaum einigen Minuten gab das Mädchen, das beim Hausknecht gewesen war, Kurt das verabredete Zeichen. Er bezahlte seine Zeche und tat, als ob er gehe.

      Er traf die Kellnerin draußen im Flur. Sie führte ihn nach Nummer dreizehn, gab ihm den Bohrer, schloß ihn ein und verließ ihn dann, indem sie den Schlüssel mitnahm.

      Kurt öffnete den Schrank, zog den Schlüssel ab und steckte ihn ein. Nun setzte er sich in den leeren Schrank und schraubte den Bohrer in die Innenseite der Tür fest ein. Dadurch erhielt er einen Handgriff, mit dessen Hilfe es ihm leicht war, die Tür so fest anzuziehen, als ob sie verschlossen sei.

      Der Schrank war breit und tief genug, um einen angenehmen Sitz zu gewähren.

      Nun wartete Kurt auf die Dinge, die da kommen sollten. Es verging eine Viertel-, eine halbe Stunde, ohne daß jemand sich hören ließ.

      Es verstrich noch eine halbe Stunde, da endlich waren die Schritte zweier Personen zu vernehmen, die den Korridor herabkamen. Ein Schlüssel wurde in das Schloß der Nummer dreizehn gesteckt und die Tür geöffnet.

      »Sie wohnen hier?« fragte eine Stimme auf französisch. – »Nein«, antwortete ein anderer, an dessen Ton Kurt sogleich den Kapitän erkannt. »Ich wohne nebenan, habe aber dieses Zimmer mitgenommen, um sicher zu sein, daß ich nicht belauscht werde. Auch jetzt blicke ich hinein, nur um mich zu überzeugen, daß sich niemand hier befindet. Man kann nie vorsichtig genug sein.«

      Er trat in das Zimmer, blickte unter das Bett, ebenso unter das Sofa und kam dann an den Schrank.

      »Der ist verschlossen«, sagte er, indem er versuchte, die Tür abzuziehen.

      Kurt verhielt sich dabei vollständig bewegungslos und hielt den Bohrer fest, so daß der Kapitän nicht zu öffnen vermochte.

      »Alles in Ordnung. Kommen Sie!« sagte dieser zu dem anderen und verließ das Zimmer.

      Kurt hörte, daß sie nach Nummer zwölf gingen und dort sich niedersetzten. Das Geräusch, das dabei durch die hin- und hergerückten Stühle verursacht wurde, erlaubte es ihm, den Schrank ungehört zu verlassen. Er setzte sich nun leise einen Stuhl an die Verbindungstür, nahm darauf Platz und begann zu horchen.

      »Sputen wir uns«, hörte er den Kapitän sagen, »ich habe nicht viel Zeit übrig, da ich anderswo erwartet werde. Man hat hier nicht die mindeste Ahnung, daß ich die Interessen Spaniens verfolge. Man hält mich vielmehr für einen Amerikaner, der im Rücken des Gesandten für die Vereinigten Staaten agiert. Das gibt mir Gelegenheit, mehr zu hören, als man mich anderen Falles wissen lassen würde. Ihr Avis habe ich gestern erhalten und Sie also heute erwartet.« – »Aber meine Geduld doch ungebührlich lange auf die Probe gestellt«, meinte der Franzose in einem Ton, der erraten ließ, daß er nicht die Absicht hege, sich mit dem Kapitän auf die gleiche Stufe zu stellen. »Ich war bereits einmal hier und habe auch jetzt über eine Stunde gewartet.« – »Wichtige Geschäfte, Exzellenz!« versuchte der Kapitän sich zu entschuldigen. – »Pah! Ihr wichtigstes Geschäft war, mich hier zu erwarten. Sie wissen, daß ich inkognito hier bin, daß niemand mich erkennen darf. Sie hatten dafür zu sorgen, mich nicht in die fatale Lage zu bringen, im Gastzimmer eines öffentlichen Hauses auf Sie warten zu müssen. Man kennt mich, es sind viele Porträts von mir verbreitet. Wie nun, wenn sich zufälligerweise jemand hier befunden hätte, der mich kennt, und dann ausgeplaudert hätte, daß General Douay in Berlin ist. Man weiß, daß ich in Mexiko gekämpft habe und vom Kaiser der Franzosen zurückgerufen wurde, um statt des Schwertes die Feder des Diplomaten in die Hand zu nehmen. Man weiß ferner, daß mein Bruder der Erzieher des französischen Kronprinzen ist, daß man mir also nur Angelegenheiten von Wichtigkeit anvertrauen wird. Werde ich hier erkannt, so ist meine Mission verunglückt. Ich habe mit Ihnen, mit Rußland, Österreich und Italien zu verhandeln. Seine Exzellenz, der Minister des Auswärtigen, hat mich beauftragt, Ihnen ein Memorial zu überreichen, dessen Inhalt Sie darüber aufklärt, wie Sie sich infolge der zwischen mir und dem Leiter der Madrider Politik vereinbarten Abmachung hier zu verhalten haben. Hier ist es. Nehmen Sie gefälligst sofort Einsicht und sagen Sie mir, was Ihnen vielleicht unklar erscheint.« – »Ich danke, Exzellenz.«

      Es trat eine längere Stille ein, während welcher Kurt nichts vernahm, als nur das Rascheln von Papier. Dann sagte der Kapitän:

      »Diese Paragraphen sind so deutlich, daß an eine Unklarheit gar nicht zu denken ist.« – »Gut. Rekapitulieren wir! Der Kaiser hat diesen Schwächling Max zum Herrscher von Mexiko gemacht, Nordamerika, eifersüchtig darüber, verlangt, daß Frankreich seine Truppen aus Mexiko ziehe und Max seinem Schicksal überlasse ...« – »Spanien schließt sich dieser Forderung an ...« – »Allerdings. Es betrachtet sich ja als den alleinigen, rechtmäßigen Besitzer dieses schönen, aber von ihm verwahrlosten Landes. Der Kaiser ist erbötig, auf die Forderung Spaniens einzugehen, wenn dieses zu dem Gegendienst bereit ist, den er erwartet.« – »Welcher ist es?« – »Preußen will sich zum Herrn von Deutschland, von Europa machen, es muß gedemütigt werden, man muß Rache für Sadowa nehmen. Der Kaiser bereitet sich vor, Preußen den Fehdehandschuh hinzuwerfen. Im Fall dieses unabweisbaren Krieges müssen wir sicher sein, daß unser Rücken gedeckt ist. Dieser Herr von Bismarck aber ist schlau und gewaltig, er wird, um uns zu schwächen, Spanien auffordern, die Grenze zu besetzen. Wir jedoch dürfen unsere Heere nur dann mit Vertrauen marschieren lassen, wenn wir überzeugt sind, jenseits der Pyrenäen keine Feinde zu haben. Darum ist Napoleon nur dann bereit, seine Truppen aus Mexiko zurückzuziehen, wenn Spanien sich bei einem Krieg zwischen Frankreich und Deutschland neutral erklärt. Die diesbezüglichen Verhandlungen sind abgeschlossen, und der Vertrag ist unterzeichnet. Sie haben eine Abschrift desselben in den Händen. Die Lage der Sache ist nun folgende: Frankreich marschiert gegen Deutschland oder vielmehr Preußen, Spanien bleibt neutral, Rußland unterstützt uns, indem es die Grenze Preußens besetzt und einen Aufstand Polens initiiert, mit Österreich und Italien ist noch zu verhandeln. Ich reise von hier nach Petersburg, Sie aber sondieren die hiesigen Verhältnisse und geben Ihrem Minister genaue Nachricht. Jetzt gehe ich zum russischen Gesandten. Sie werden mich begleiten, um ihm zu beweisen, daß Frankreich von Spanien nichts zu fürchten hat.« – »Ich stehe sofort zur Disposition, da ich nur dieses Memorial zu verschließen habe.«

      Kurt hörte einen Schlüssel klirren.

      »Ist das Dokument in dem Handköfferchen auch wirklich sicher aufgehoben?« fragte Douay. – »Ganz gewiß«, antwortete der Kapitän. »Übrigens nehme ich ja den Schlüssel meines Zimmers mit.« – »So kommen Sie!«

      Die beiden verließen darauf Nummer zwölf, und Kurt hörte, daß die Tür verschlossen wurde. Es war ihm ganz eigentümlich zumute. Er hatte jetzt Kenntnis von einer heimlichen Machination gegen Deutschland. Welch einen ungeheuren Wert hatte das Memorial! Er mußte versuchen, in seinen Besitz zu gelangen. Aber wie?

      Indem er darüber nachdachte, wurde ein Schlüssel in das Schloß seines Zimmers gesteckt. Die Kellnerin kam, um ihn aus seiner freiwilligen Gefangenschaft zu befreien.

      »Sie


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